Lebt man mit Fitness-Trackern wirklich gesünder?
Nina Habres, Playboy-Redakteurin, bekam durch Technik ein besseres Körperbewusstsein:
Letztens habe ich mich nach dem Aufstehen erschreckt, und das gleich zweimal. Zuerst, als ich mich nach einer durchzechten Nacht selbst im Spiegel gesehen habe. Und dann noch mal, als die App meines Fitness-Trackers Alarm schlug: Mein Ruhepuls der letzten Nacht hatte mit Ruhe rein gar nichts zu tun, und meine Stresskurve war so auf Anschlag, dass ich kurz geneigt war, dem Alkohol für immer abzuschwören. Auf einer Stress-Skala von 1 (gar nicht) bis 3 (sehr) hatte ich meinen Schlaf in der 3 verbracht. Um im Wachzustand so auf Touren zu kommen, müsste ich ein hochintensives Intervalltraining einlegen.
Mit Kühlpatches unter den Augen und zwei, drei Kaffee im System ertrug ich meinen Anblick langsam wieder. Doch die Werte der App wirkten nach wie eine viel zu hohe Stromrechnung. Dass Alkohol nicht gerade die Wirkung eines Brennnesseltees auf den Körper hat, ist mir schon klar. Aber sie schwarz auf weiß zu sehen? Aua!
Sport mache ich seit Jahren viel, esse gesund, trinke trotzdem manchmal einen über den Durst, dieser Body lebt in absoluter Balance. Doch seit dem App-Arschtritt stelle ich mir die Frage, ob das Feierabendbier wirklich sein muss (eins ist keins, denken Sie? Mhm.). Auch die Lust aufs Rauchen ist mir vergangen, seit ich sehe, was das mit meinem Puls macht. Und sogar spätes Abendessen vermeide ich, seit der Zusammenhang mit unruhigen Nächten in der App unübersehbar ist.
Wie ironisch, dass ein Vollrausch meine Gesundheit gefördert hat und Technik mein Körperbewusstsein, oder? Da ich jetzt weiß, was ich anrichte, wenn aus dem Feierabendbier doch mal ein paar zu viele Whiskys Sour werden, erschrecke ich morgens übrigens nur noch einmal.
Florian Boitin, Playboy-Chefredakteur, vertraut lieber seinen Sinnen:
Natürlich habe ich eine Waage. Und die zeigt mein Gewicht sogar auf einem digitalen Display an. Allerdings verrät mir der flüchtige Blick in den analogen Spiegel ebenfalls, dass ich ein paar Kilo zu viel auf den Rippen habe. Und ja, gestern war Playboy- Weihnachtsfeier, auch das kann ich von meinem Spiegelbild ablesen. Puh, die letzten beiden Gin Tonics hätten wirklich nicht sein müssen. Hab’ auch nicht so dolle geschlafen. Hatte Herzrasen. Bin davon immer wieder aufgewacht. Aber is’ halt so: Wenn die Leber Nachtschicht machen muss, verzichtet eben auch der Rest auf Bettruhe.
Alkohol ist schlecht für die Gesundheit – besonders in rauen Mengen. Man schläft schlecht und hat anderntags ’ne Matschbirne. Weiß jeder. Und dieses Wissen kostet nix, außer ein paar graue Zellen vielleicht.
Umso erstaunlicher ist deshalb, dass es inzwischen einen riesigen Markt mit sogenannten (und nicht ganz billigen) Tracking-Apps gibt. Ganz vorne dabei: die Schlaf-Tracker. Die heißen dann BetterSleep oder AutoSleep und messen Länge und Tiefe des nächtlichen Schlafes. Beispielsweise auf einer smarten Apple Watch werden dann die nächtlichen Daten gespeichert und können am nächsten Tag vom Rezipienten ausgelesen werden.
Manche tragen ihre Messstation aber auch am Finger. Als Ring. So wie meine Frau. Und seitdem hat sie es morgens schwarz auf weiß bzw. auf einem leuchtenden Display, dass sie in der Nacht schlecht geschlafen hat – wenn sie schlecht geschlafen hat. Und wenn sie ausgeschlafen und voller Tatendrang in den neuen Tag startet, sagt ihr das schicke und sauteure Überwachungsgerät, dass sie gut und ausreichend geschlafen hat. Spitze. Ich bin dann meist schon im Bad, wasche mir den Schlaf aus den Augen und übe Baucheinziehen. Vor dem Spiegel.