Bundestagswahl 2025: Ist es okay, nicht wählen zu gehen?

Bei der Bundestagswahl 2025 sind die Deutschen aufgefordert, ihr Kreuz zu machen. Ist es eine Option, das zu lassen?
Credit: Shutterstock
Bei der Bundestagswahl 2025 sind die Deutschen aufgefordert, ihr Kreuz zu machen. Ist es eine Option, das zu lassen?
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Ist das Wählen bei der Bundestagswahl 2025 eine moralische Bürgerpflicht – oder bloß die Legitimation ungewollter Koalitionen? Das ist vor dem Termin am 23. Februar die große Frage – die unsere Autoren unterschiedlich beantworten

Von: Alexander Neumann-Delbarre
12.02.25
Alle Artikel
Von: Florian Boitin
12.02.25
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Alex Neumann-Delbarre, Playboy-Redakteur, erscheint das Nichtwählen bei der Bundestagswahl 2025 sinnlos

Gut, das mit dem Knast ist hart. Wer in Australien am Wahltag lieber in den Zoo geht als in die Wahlkabine, dem droht eine Geldstrafe und im Wiederholungsfall Gefängnis. Es gibt dort eine gesetzliche Wahlpflicht, was ich für etwas übertrieben halte. Mir reicht schon die moralische. Woraus die sich ergibt? Das hat der Philosoph Norbert Campagna in seinem Buch „Wählen als Bürgerpflicht“ wunderbar durchargumentiert. Die sehr kurze Fassung: 1. Die Demokratie ist die bestmögliche Staatsform. 2. Politische Legitimität von Regierenden lässt sich nur durch Wahlen erzeugen. 3. Daraus folgt eine moralische Pflicht für jeden, dafür zu sorgen, dass das Wahlsystem weiterhin funktioniert. Also: eine Pflicht zum Wählen.

Ich finde diese Argumentation zwingender als jede Knastandrohung. Zudem erscheint mir das Nichtwählen sinnlos. Wer es tut, um damit seinem Protest gegen die aktuelle Politik Ausdruck zu verleihen, überschätzt die Wirkung seines Tuns. Wen, bitte schön, interessieren nach der Wahl wirklich die Nichtwähler? Die Wahlbeteiligung wird zwar kurz zur Kenntnis genommen, gesprochen wird anschließend aber vor allem über die Stimmen, die auch abgegeben wurden. Und wer auf das Wählen verzichten möchte, weil er keine der wählbaren Parteien (das sind übrigens über 50!) so richtig gut findet, sollte eines nicht vergessen: Er stärkt mit seinem Verzicht auf die Stimmabgabe alle Parteien. Also auch diejenigen, die er richtig schlecht findet. Denn je weniger Wähler mitmachen, desto weniger Stimmen braucht jede Partei, um ein ordentliches Stück vom Kuchen abzubekommen. 

Heißt: Manchmal muss man auch wählen gehen, um das Schlimmste zu verhindern. Und für den Zoo ist auch danach noch Zeit.

Florian Boitin, Playboy-Chef, findet, Wahlen legitimieren die Bildung sinnloser Koalitionen

Das Wahlrecht ist essenzieller Teil unserer Verfassung. Ergibt sich daraus auch die Pflicht zu wählen? Nein. Kollege Neumann-Delbarre schreibt hier nebenan zwar von einer moralischen Pflicht – und doch fühlten sich beispielsweise bei der letzten Bundestagswahl 2021 fast ein Viertel aller Wahlberechtigten nicht verpflichtet, ihre Stimme abzugeben. 2009 waren es sogar mehr als 29 Prozent, die nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten. Bei der letzten Landtagswahl in NRW, immerhin dem bevölkerungsreichsten Bundesland, blieb sogar fast jeder zweite Wahlberechtigte der Abstimmung fern. 

Wer sind die Menschen, die den Weg zur Wahlurne verweigern? Nichtwähler sind im Vergleich überdurchschnittlich jung, arm und ungebildet. Laut Studien verbindet viele ein Gefühl der Machtlosigkeit. Und die Politikverdrossenheit nimmt weiter zu. Immer mehr Menschen in diesem Land sehen sich von den gewählten Repräsentanten nicht mehr vertreten. Kann man es ihnen verdenken? Fakt ist, bei der Bundestagswahl treten mehr als 50 Parteien an, die Auswahl scheint enorm. Aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde werden es aber wohl maximal sechs davon ins Parlament schaffen. Und keine von ihnen dürfte dabei die absolute Mehrheit erringen. 

Die Folge: Parteien mit teils gegensätzlichen Überzeugungen und Programmen müssen sich zu einer Regierungskoalition zusammenraufen. Wie erfolgreich das sein kann, haben wir gerade an der gescheiterten Ampel sehen können. Vielleicht sollte man sich deshalb das antike Athen zum Vorbild nehmen, immerhin die erste Demokratie der Welt. Statt durch Wahl könnte man Parlamente durch Losverfahren bestimmen. Die ausgelosten Abgeordneten wären ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung. Klingt für mich nach einer guten Wahl.

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