Uhren aus Deutschland: Das Erfolgs-Geheimnis von Sinn Spezialuhren
Herr Schmidt, Sie haben vor genau 30 Jahren die Marke Sinn übernommen, was hat Sie damals an dem Unternehmen gereizt?
Die Marke hatte eine stark technische Ausrichtung, da habe ich mich als Diplom-Ingenieur sehr wohlgefühlt. Und ich kannte Herrn Sinn schon zehn Jahre lang, bevor er an mich verkauft hat. Das war ein großer Vorteil. Die ersten drei Jahre waren heiß, da habe ich nicht so gut geschlafen, aber ab dem vierten oder fünften Jahr ging es besser. Wir hatten bereits die ersten Jahre bis zu 30 Prozent Zuwachs.
Was ist der Vorteil einer inhabergeführten Marke?
Ein Geschäftsführer in einem Konzern muss quartalsweise beweisen, wie gut er ist. Sein Name steht nicht im Vordergrund, er muss vor allem Gewinn erzielen und die Marke voranbringen. Als Inhaber achtet man viel mehr auf den Ruf seiner Firma, und man geht ganz andere Risiken ein. Gerade bei der Entwicklung neuer Produkte kann man Sachen durchsetzen, die wären in einem Konzern nicht möglich. Da gibt es immer Bedenkenträger, die Innovation aus Angst oder politischen Gründen ausbremsen. Als Inhaber denkt man viel langfristiger und strategischer. Gleichzeitig fühlt man sich auch für jeden Fehler selbst verantwortlich und trägt eine enorme Verantwortung für die Mitarbeiter. Das kann manchmal auch belastend sein.
Was waren die größten Meilensteine im Verlauf der letzten 30 Jahre?
Meine erste Uhr bei Sinn war das Modell „244“ in einem Titangehäuse. Auch wenn es heute Standard ist, damals – im Jahr 1994 – gab es noch fast keine Uhrenhersteller, die in der Lage waren, dieses Material zu bearbeiten. Heute haben wir eine eigene Gehäuse-fabrik und können alles verwenden – von Platin bis Titan und sogar U-Boot-Stahl. Kurz danach kam die Hydro-Technik, also die Idee, eine Taucheruhr innen komplett mit Öl aufzufüllen. Dadurch lässt sich die Uhr unter Wasser in jedem Winkel ablesen, und gleichzeitig macht es sie extrem wasserdicht. Und ein weiterer Meilenstein war bestimmt die „Finanzplatzuhr“ mit dem Schriftzug „Frankfurt am Main“, bei der sich auch die Ortszeiten der Börsen von New York und Tokio einstellen und simultan ablesen lassen. Das ist jetzt kein technisches Modell, sondern eine Dresswatch, aber die hat der Markt extrem gut angenommen.
Die von Ihnen angesprochenen Hydro-Uhren sind wasserdicht bis 5000 Meter. Braucht man das wirklich?
Das haben wir einfach pauschal auf 5000 Meter zertifiziert, aber Sie haben recht, letztendlich taucht niemand so tief. Das Gehäuse würde rein theoretisch sogar 12.000 Meter aushalten. Druck erzeugt Gegendruck, und weil die Uhr vollständig mit Öl gefüllt ist, hält sie das ohne Probleme aus. Wir haben allerdings festgestellt: Bei einem Druck von 700 Bar, das entspricht einer Tiefe von 7000 Metern, implodiert das Röhrchen, das im Quarzwerk schwingt. Insofern haben wir konservativ 5000 Meter angegeben. Und das Zifferblatt wäre dort immer noch von der Seite ablesbar.
Das war ein wichtiges Kriterium bei der Ausschreibung der Bundespolizei-Spezialeinheit GSG 9, richtig?
Das war der entscheidende Punkt. Die haben sich eine Uhr gewünscht, die unter Wasser in möglichst jedem Winkel ablesbar ist und nicht verspiegelt oder beschlägt. Als die Anfrage kam, hatten wir gerade die Hydro-Uhr fertig entwickelt, also haben wir denen direkt diese neue Technologie verkauft. Aber der Name GSG 9 war für uns natürlich auch fürs Marketing unbezahlbar.
War das die erste Uhr, die Sinn für eine solche Einsatztruppe hergestellt hat?
Nein, es gab vorher schon den „EZM 1“, also den Einsatzzeitmesser 1, den wir für die Spezialeinheit der deutschen Zollverwaltung hergestellt haben. Das waren keine normalen Beamten, das war eine fast schon militärische Eingreif-truppe. Die wollten zum Beispiel, dass die Uhr bei Temperaturen von minus 45 Grad bis plus 80 Grad immer genau geht. Später kamen immer mehr Behörden, die irgendwie von Sinn gehört hatten und ihre eigene Einsatzuhr haben wollten. Auf ähnlichem Weg entstand auch die Kooperation mit der Feuerwehr.
“Wir machen Dinge, die andere nicht können
Sehr bekannt sind auch Ihre Uhren aus echtem U-Boot-Stahl, wie kam es eigentlich dazu?
Das war ein glücklicher Zufall. Wir hatten von einem Stahllieferanten unterschiedliche Legierungen getestet, und eine hat uns besonders gut gefallen, die ließ sich besonders gut härten. Doch der Lieferant meinte, die hätte er uns eigentlich gar nicht zeigen dürfen, weil dieser Stahl extra für den Bau deutscher U-Boote entwickelt wurde und nicht lieferbar sei. Aber wir konnten ihn dann doch überreden, uns den Stahl zu verkaufen. Wir mussten damals gleich mehrere Tonnen abnehmen, das war schon ein gewisses Risiko. Aber es hat sich gelohnt, die Uhren aus dem Material haben sich sehr gut verkauft. Sie müssen wissen, so ein U-Boot-Stahl ist besonders salzwasserbeständig und antimagnetisch, beides ist auch gut für unsere Uhren.
Liegt in diesen vielen Erfindungen und Technologien das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Ich denke schon. Wir machen Dinge, die andere nicht können. Die haben alle irgendwann aufgegeben. Letztendlich ist einiges gar nicht patentiert, aber es steckt eben auch sehr viel Detailwissen in der Produktion dieser Uhren.
Denkt man bei Uhren made in Germany nicht sofort an Glashütte?
Das mag sein, aber Glashütte sehen wir nicht als Konkurrenz. Gerade Uhren wie die von A. Lange & Söhne bewegen sich in einem ganz anderen Preissegment. Diese Uhren sind sehr teuer, weil nicht nur das Gehäuse, sondern sämtliche Teile auch im Inneren des Uhrwerks per Handarbeit gefertigt und gefinisht werden. Das ist wunderschön, aber hat eben auch seinen Preis.
Ist der Standort Frankfurt für Sie eher ein Vor- oder ein Nachteil?
Ich bin der Meinung, dass es ein Vorteil ist. Und zwar aus zwei Gründen: Wenn man seine Firmenzentrale an einem Ort wie Glashütte oder La Chaux-de-Fonds hat, dann kann man nichts Neues entwickeln, ohne dass sofort alle anderen das mitbekommen. Der andere Grund ist, dass Frankfurt international einen sehr guten Ruf hat und gleichzeitig auch der Lokalpatriotismus ziemlich groß ist. Deswegen funktionieren Produkte wie die „Finanzplatzuhr“ so gut. Aber auch limitierte Sondermodelle wie zum Beispiel die auf 500 Stück limitierte Sonderedition, die wir anlässlich des 125. Jubiläums der Eintracht Frankfurt aufgelegt haben, sind immer sehr schnell ausverkauft.
Abgesehen von Feuerwehrmännern und GSG-9-Polizisten: Wie sieht der typische Käufer einer Sinn-Uhr aus?
Der typische Sinn-Kunde ist eher männlich und vor allem technikbegeistert. Einige Kunden identifizieren sich bestimmt auch mit den harten Männern dieser Spezialeinheiten. Die Zivilisten bekommen bei uns nämlich die gleichen Uhren wie die Kollegen von der GSG 9. Wir machen da technisch keine Unterschiede.
Wie gut eignet sich eine Sinn-Uhr als Investment?
Das kommt stark aufs Modell an, zum Beispiel der erste Einsatzzeitmesser „EZM 1“ hat heute einen vielfach höheren Wert als ursprünglich. Sehr gesucht sind auch die Eintracht-Frankfurt-Sondermodelle, die werden teilweise für das Doppelte gehandelt.
Sie sind im Januar 75 Jahre alt geworden, was steht noch an?
Ich bin gerade dabei, eine Stiftung zu gründen. Zunächst habe ich darüber nachgedacht, das Unternehmen zu verkaufen, ich bekomme fast alle 14 Tage ein neues Angebot. Aber allein schon wegen den Mitarbeitern will ich das nicht machen. Denn bei diesen Heuschrecken-Käufern spielen Menschen oft gar keine Rolle. Also habe ich entschieden, dass nach dem Tod von mir und meiner Frau die Firma in eine Stiftung übergeht. Nach dem Modell Rolex. Dadurch kann ich am ehesten sicherstellen, dass Sinn auch wirklich in meinem Sinn weitergeführt wird.