Lange glücklich sein: Wenn Sie diese Dinge vermeiden, haben Sie automatisch ein besseres Leben

Ins Verderben stürzen können Sie sich, indem Sie eigene Fehler zu spät erkennen. Für die Früherkennung beobachten Sie am besten andere Scheiternde – keine erfolgreichen Leute
Credit: Lea Schmitt mit Midjourney
Ins Verderben stürzen können Sie sich, indem Sie eigene Fehler zu spät erkennen. Für die Früherkennung beobachten Sie am besten andere Scheiternde – keine erfolgreichen Leute
Credit: Lea Schmitt mit Midjourney

In seinem neuen Buch „Die Not-To-Do-Liste“ zählt Schriftsteller Rolf Dobelli 52 Dinge auf, die Sie tun sollten, wenn Sie Ihr Leben in den Sand setzen wollen. Klingt schräg, könnte für ein erfülltes Dasein aber das Sinnvollste sein, das Sie seit Langem gelesen haben

Von: Nina Habres
16.12.24
Alle Artikel

Herr Dobelli, Ihr neues Buch ist ein humorvoller Ratgeber in Form eines Anti-Ratgebers. Der Kern: 52 Fehler, die einem das Leben garantiert schwer machen. Die Botschaft dahinter: Begeht man sie nicht, wird das Leben gut. Wie kommt man denn darauf? 

Die Idee habe ich von einem amerikanischen Investor, Charlie Munger. Bei einer Rede in Harvard für die Absolventen 1986 hat er, statt gute Ratschläge aufzutischen, vier gebracht, wie man sein Leben garantiert in den Sand setzt. Das hat er dann einfach so stehen gelassen, was so ungewohnt wie aufrüttelnd war. Dabei ist das Prinzip der Inversion, also den Glücksgedanken einfach umzukehren, eigentlich uralt. Darauf, daraus ein Buch zu machen, kam aber wohl noch niemand (lacht). Allerdings lasse ich die schlechten Ratschläge nicht einfach so stehen, sondern erkläre schon, warum man sie lieber nicht befolgen sollte.  

Ist es nicht ein ziemlich pessimistischer Lebensansatz, den Blick auf das Schlechte, also auf Unglück und Misserfolg zu richten? 

Überhaupt nicht! Denn wir wissen nicht, was Glück ausmacht. Glück und Erfolg hängen von unzähligen Faktoren ab, die unkalkulierbar sind und von denen wir oft nicht wissen, woher sie kommen. Aber wenn etwas schiefgegangen ist, wissen wir mit Bestimmtheit, woran es gelegen hat. Es ist also viel sinniger, das Negative im Leben auszumerzen – seien es toxische Emotionen, dumme Verhaltensweisen, schädliche Charaktereigenschaften oder schlechte Beziehungen, mit denen man sein Leben gestaltet. Dann bleibt nur noch das Positive übrig. 

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Ein Punkt auf Ihrer Not-to-do-Liste lautet: „Seien Sie unzuverlässig.“

Für mich der unterschätzteste Punkt. Ich kenne viele Leute, die brillant sind, das Richtige studiert haben und aus guten Familien kommen, aber einfach nicht zuverlässig sind. Und die stürzen irgendwann ab, weil andere schnell merken, dass man mit ihnen nicht zusammenarbeiten oder -leben kann. Und dann kenne ich Leute, die haben nicht studiert, sind nicht die hellsten Köpfe und hatten ihre Krisen, sind aber sehr zuverlässig und kommen super durchs Leben. Man kann, wenn man zuverlässig ist, eigentlich gar nicht scheitern. 

Stichwort scheitern: Sie schreiben, dass die Rolle von Misserfolg und seinen Faktoren oft unterschätzt wird. Wieso?

Medien berichten in der Regel von erfolgreichen Menschen. Wenn sie über gescheiterte schreiben, dann sind das Leute, die mal Erfolg hatten und dann abgestürzt sind. Über chronisch gescheiterte Persönlichkeiten gibt es keine Autobiografien oder Porträts. Daher kommt das Gefühl, dass Erfolgsfaktoren wichtiger sind als die des Misserfolgs. Dabei kann man gerade hier besonders viel von anderen lernen. 

Noch ein Punkt in Ihrem Buch: „Lernen Sie ausschließlich aus Ihrer eigenen Erfahrung.“ 

Natürlich müssen Sie aus Ihren eigenen Fehlern lernen. Das ist psychologisch hart, unbequem und unangenehm und klappt nicht immer. Der elegantere Weg ist, von den Fehlern der anderen zu lernen. Von Kollegen oder engen Freunden.  Unterschätzt ist in meinen Augen aber, aus Romanen zu lernen.

Wieso? 

Romane sind eine perfekte Simulation fürs Leben, auch wenn sie im letzten Jahrhundert geschrieben worden sind. Die menschlichen Fehler, die die Figuren machen, die Abstürze, die sie durchleben, sind immer wieder dieselben. Es gibt wenig Innovation in puncto Lebensfehler. Da können Sie Tolstoi lesen aus dem 19. Jahrhundert oder einen Max Frisch aus dem 20. Leute, die Romane lesen, machen, glaube ich, weniger Fehler im Leben als Leute, die keine Romane lesen.

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Wie viele Not-to-Dos der Liste haben Sie schon abgehakt?

Die meisten. 

Aus welchem haben Sie am meisten gelernt? 

Aus dem, zu hohe Erwartungen zu haben. Hohe Erwartungen aufzubauen kostet nichts. Aber die Kosten, die bei einer Enttäuschung dann anfallen, sind groß. Denn wenn Sie hohe Erwartungen haben – an andere Menschen, andere Menschen an Sie oder Sie an sich selbst – und die nicht erfüllt werden, dann tangiert Sie das emotional wahnsinnig. Versuchen Sie also einfach, das Beste für sich zu geben. Ohne Erwartungen. 

Rolf Dobellis neuestes Buch, „Die Not-To-Do-Liste: 52 Wege, die größten Lebensfehler zu vermeiden“, erschien bei Piper (22 Euro)
Credit: PR

Gibt man sich dann nicht auch automatisch mit weniger zufrieden?

Erwartungen muss man von Ehrgeiz trennen. Und der muss da sein: der Antrieb, das Beste aus seinem Leben, aus dieser Stunde, aus diesem Gespräch, aus diesem Meeting zu machen. Aber Erwartungen sind ein Maßstab, der nichts bringt. Wenn Sie das Beste geben, egal, wie hoch oder tief Ihre Erwartungen sind, geben Sie das Beste. Das reicht.

Welchen Punkt können Sie nicht oft genug wiederholen?

Die meisten Sachen sind klar in dem Moment, in dem man sie hört, aber sie sind nicht intuitiv. Will man der Liste folgen, braucht man schon einen rationalen Ansatz und den Willen, an seinem Charakter zu arbeiten. Das bedeutet auch: Man muss die Punkte immer wieder selbst wiederholen. Ich selbst mache das auch. Manches ist einfacher, manches schwerer. Zum Beispiel nicht auf die innere Stimme zu hören.

„Hören Sie auf Ihre innere Stimme“ ist ein Fehler, den Sie raten, nicht zu machen. Wieso sind Sie kein Fan des Bauchgefühls? 

Viele Menschen glauben, die innere Stimme sei ein Kompass fürs Leben. Das stimmt überhaupt nicht. Das Bauchgefühl ist ein Chaos. Es funktioniert nur bei Prozessen, die wir schon hunderttausendmal gemacht haben oder die auf unserer evolutionären Vergangenheit gründen. In unserer modernen Welt mit Computern, Handys, Finanzmärkten funktioniert das nicht. Hier sind nachweisbare Skills und Ziele der Kompass.

Ratgeber: Rolf Dobelli studierte Wirtschaft und promovierte in Philosophie an der Universität St. Gallen. Danach arbeitete er als Manager, Unternehmer und Schriftsteller
Credit: Bodo Ruedi

Kann man überhaupt alle 52 Dinge beherzigen, die Sie aufzählen?

Das kann man schon. Vielleicht nicht zu 100 Prozent, wir sind ja keine Roboter. Und natürlich kann man auch nicht alle Dinge steuern, die passieren. Sie können an Krebs erkranken oder morgen von einem Lkw überfahren werden. Aber in Bereichen des Lebens, die man kontrollieren kann, lassen sich alle 52 relativ gut umsetzen. Das benötigt ein bisschen Übung, weil es Charakterstärke braucht, die man herausbilden muss. Und das ist wie ein Muskel, je öfter man es probiert, desto leichter geht es dann mit der Zeit. Und was Sie dafür auch brauchen: Lebenserfahrung. 

Wie meinen Sie das? 

Seelenruhe, also den Zustand, in den man kommt, wenn man einfach zufrieden und nicht chronisch gestresst ist. Den bekommt man nur, wenn man genug Leben gelebt hat. Wenn man etwa genug Höhenflüge und Niederlagen gehabt hat und einordnen kann, dass die einen nicht so genial und die anderen nicht so dramatisch waren. Bis 40 sollte man an seinen Stärken arbeiten. Und danach daran, seine Schwächen abzubauen.