Die Geschichte von Provinz beginnt in Vogt in der Nähe von Ravensburg – also wirklich in der Provinz. Dort machen die beiden Cousins Vincent Waizenegger und Robin Schmid schon in jungen Jahren gemeinsam Musik. Mit Moritz Bösing stößt etwas später der dritte Cousin dazu, bevor Leon Sennewald die Band komplettiert. Ihre erste EP veröffentlicht Provinz im Jahr 2019. Was folgt, sind zahlreiche Hits, Awards und TV-Auftritte. Spätestens seit ihrem zweiten Album „Zorn & Liebe“ sind die vier Jungs aus Süddeutschland weit über ihre Provinz hinaus bekannt und sorgen für ausverkaufte Konzerte im ganzen Land. Nun haben sie einen weiteren Meilenstein erreicht: Ihre neue Single „glaubst du“ ist der Song des offiziellen EM-Trailer des ZDF.
Herr Waizenegger, Herr Schmid, was war zuerst da: Der Song „glaubst du“ oder die Anfrage des ZDF?
Vincent Waizenegger: Die Idee zum Song war zuerst da. „glaubst du“ war halb fertig als das ZDF uns fragte, ob wir Bock hätten, einen Trailer-Song für sie zu machen. Erstmal waren wir so: Nee, eigentlich nicht. Dann haben wir länger darüber nachgedacht und es hat irgendwie gepasst. Wir sind alle tierische Fußballfans.
Welches Gefühl wollten Sie mit dem Song vermitteln?
Waizenegger: Die Idee war, ein bedingungslos positives Lied zu schreiben. Unsere Songs sind sehr oft melancholisch und in ihnen schwingt meistens etwas Trauriges mit. Bei „glaubst du“ wollten wir durchweg positiv bleiben.
Dabei hört man aus den Lyrics viel Nostalgie heraus. Ist dieses Gefühl für Sie bedingungslos positiv?
Robin Schmid: Für mich ist Nostalgie etwas Wunderschönes: Es bedeutet, dass man zufrieden mit der Vergangenheit ist und nichts nachtrauert. Aber es kommt immer darauf an, was man aus seinen Erinnerungen macht. Natürlich prägen dich negative Dinge und man stempelt sie auch so in seinen Erinnerungen ab. Aber im Grunde haben einen alle Erfahrungen genau dahin gebracht, wo man jetzt steht. Ich denke man sollte nichts bereuen und stattdessen wertschätzen, dass es so war.
Sie singen in einer Zeile: „Kindheit, Kickplatz, alle Kids gehen raus, Panini-Heft ausverkauft.“ Haben Sie in Ihrer Kindheit zu denen gehört, die bei jedem Turnier das Panini-Heft voll hatten?
Waizenegger: Ja, mein Opa war mein Sponsor damals. Immer wenn ich ihm beim Einkaufen geholfen habe, hat er mich in Stickern bezahlt. Das war mein Trick. Ich habe viel gesammelt und auf dem Pausenhof getauscht.
Sammeln Sie auch bei dieser EM Sticker?
Schmid: Ich habe mir tatsächlich mit einem Kumpel ein Sticker-Heft gekauft und wir sind fett am Sammeln. Wir haben verabredet, dass wir beide zu jedem Festival zwei Sticker Packs mitbringen und dann machen wir das ganze Heft voll.
Was ist Ihre schönste Erinnerung an ein großes Fußballturnier?
Waizenegger: Ich weiß noch, als 2014 Deutschland gegen Argentinien gewonnen hat. Da war in Ravensburg so eine kranke Stimmung. Die ganze Wilhelmsstraße war voll mit Leuten. Ich war damals 14 Jahre alt und bin dann auf einen LKW geklettert. Man hat sich einfach gefreut und wurde mitgerissen. Das war richtig schön.
Schmid: Ich habe da die WM 2002 im Kopf. Deutschland hat im Finale gegen Brasilien mit 0:2 verloren. Oliver Kahn hat diesen legendären Schnitzer gemacht und alle haben darüber geredet. Es ging gar nicht mehr darum, dass Deutschland nicht Weltmeister wurde. Die Frage war: Wie konnte Oliver Kahn, Welttorhüter zum damaligen Zeitpunkt, in diesem wichtigen Spiel so einen groben Fehler machen? Wir waren noch sehr jung und haben die Älteren über Oliver Kahn reden lassen, während wir auf dem Kickplatz die Brasilianer sein wollten.
Wer von Ihnen beiden ist denn der bessere Fußballer?
Schmid: Da diskutieren wir immer wieder drüber und kommen nie so richtig auf den Punkt. Technisch wertvoller und begabter ist Vincent, effektiver vor dem Tor bin ich. Aber ich glaube, der bessere Fußballer ist Vincent.
Waizenegger: Krass. Vielen Dank. Nehme ich gerne an (lacht).
Ihre Fußball-Leidenschaft wird auch auf der Bühne deutlich: Man sieht Sie bei Auftritten manchmal in Retro-Fußballtrikots. Welche Exemplare im Schrank bedeuten Ihnen am meisten?
Waizenegger: Ich habe das Portugal-Trikot von Cristiano Ronaldo der EM 2004.
Schmid: Bei mir ist es Rizzitelli, so heißt er glaube ich. Hat in den 90ern bei den Bayern gespielt, und da glaube ich zwei Spiele gemacht (lacht).
Wenn Sie einen deutschen Ex-Fußballer ins aktuelle Nationalteam holen könnten, wer wäre es?
Waizenegger: Franz Beckenbauer.
Schmid: Eigentlich müsste man überlegen, auf welcher Position man die größten Probleme hat, ne?
Waizenegger: Du brauchst hinten in der Verteidigung einen geilen Libero, einen geilen Brecher. Franz wäre schon die Lichtgestalt dahinten.
Schmid: Ich würde Lothar Matthäus holen.
Waizenegger: Da gibt’s doch schon so viele Lothars.
Schmid: Ich würde trotzdem Lothar holen. Du brauchst den Einen.
Was ist Ihre Prognose für das Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei der EM?
Waizenegger: Ich sage, wir fliegen gegen Österreich im Halbfinale raus.
Schmid: Das wäre tragisch (lacht). Ich denke, die Mannschaft hat Potenzial und auch die Euphorie wird auf jeden Fall da sein. Es gibt aber unfassbar viele Teams, die auf diesem Niveau spielen können: England, Spanien, Frankreich. Das wird heftig. Das ist so eine Fußballfloskel, aber wer am Ende den Pokal holt, hat auch eine Menge mit Spielglück zu tun. Eine rote Karte in den ersten zehn Minuten des Halbfinals ändert alles. Aber wenn alles gut läuft, kann es auf jeden Fall fürs Halbfinale oder Finale reichen.
Haben Sie überhaupt Zeit, die Europameisterschaft zu verfolgen? Werden Sie sich die Spiele ansehen oder eher an neuer Musik arbeiten?
Schmid: Eine Halbzeit reicht, um einen Song zu schreiben (lacht).
Geht‘s so schnell bei Ihnen?
Waizenegger: Ja, super schnell. Ich denke, ich werde mir schon ein paar Spiele anschauen. Die großen Spiele in der Vorrunde auf jeden Fall und dann ein paar in der K.O.-Runde. Aber Robin ist da noch ein bisschen akribischer.
Schmid: Ja, stimmt. Aber leider werden die Spiele manchmal mit unserer Stage-Time bei Festivals zusammenfallen. Das wird eine harte Zeit.
Waizenegger: Wir könnten die Auftritte ja verschieben. (lacht)
Provinz-Sänger Vincent Waizenegger im Playboy-Interview: „Auf Tour ist es wie eine Klassenfahrt“
Nochmal zurück zu Ihrer Single: In „glaubst du“ geht es um Zusammenhalt und Menschen, die auch in schlechten Zeiten zu einem stehen. Wo finden Sie diesen Rückhalt, wenn Sie auf Tour sind?
Waizenegger: Unsere Crew, mit der wir unterwegs sind, besteht größtenteils aus Freunden. Wir sind schon ewig zusammen unterwegs. Jeder ist klein eingestiegen und an seinen Aufgaben gewachsen. Es ist so ein bisschen wie eine Klassenfahrt.
Schmid: Dazu kommt, dass Vincent, Mosse und ich verwandt sind und Leon ist quasi eingeheiratet. Wir haben so viel zusammen erlebt. Der Rückhalt, den wir uns gegenseitig geben, ist dadurch enorm.
Sehen Sie beide sich überhaupt noch als Cousins oder mittlerweile mehr als Kumpels und Kollegen?
Schmid: Meistens ist uns dieser Verwandtschaftsgrad gar nicht bewusst. Dann gibt es wieder Momente, wo man realisiert: Okay, krass, wir sind ja Cousins. Ich bin ja ein paar Jahre älter als Vincent. Und in so Momenten, in denen es ihm nicht gut geht, verspüre ich als Cousin die Pflicht oder die Verantwortung, mich ein bisschen um ihn zu kümmern.
Waizenegger: Ich merke es am meisten bei Familienfesten. Dann ist es plötzlich wieder so wie früher und es gelten die alten Gesetze. In diesem gewohnten Setting fällt man zurück in die alten Muster und die Beziehung hat wieder dieselbe Dynamik wie damals.
Wie oft verlangt Ihre Familie Privatkonzerte von Ihnen?
Waizenegger: Nicht mehr so oft (lacht). Mittlerweile können wir es uns rausnehmen, nicht aufzutreten.
Schmid: Bis auf Weihnachten. Auch wenn wir das ganze Jahr Konzerte gespielt haben, kommen wir an Weihnachten in der Heimat nicht drumherum. Dann spielen wir meistens zwei, drei Songs unplugged.
Apropos Songs: Für unsere aktuelle Ausgabe haben wir eine Playboy-EM-Playlist zusammengestellt. Welche Songs gehören Ihrer Meinung nach neben „glaubst du“ noch auf die Liste?
Waizenegger: „It's Coming Home“. Das ist für mich ein geiler Banger. Oder „Wavin Flag“ von der WM 2010.
Schmid: „Love Generation“ von Bob Sinclair. Der ist auch krass.
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