Action-Model Miriam Höller: „Ich suche nicht die Gefahr, ich suche das Leben“
Sie, die einstige Stuntfrau, und ich, der Playboy-Chefredakteur, wir kennen und schätzen uns seit ihrem Durchbruch als Action-Model vor 15 Jahren. Damals schien es für Miriam Höller nur eine Richtung zu geben: steil nach oben. Doch dann bricht sie sich bei einem folgenschweren Stunt-Unfall erst ihre beiden Füße, kurz darauf stürzt das ganze Leben über ihr zusammen.
Miriam, du hast gerade ein sehr persönliches Buch geschrieben über die ersten 37 Jahre deines Lebens. Es hat den Titel „Das Leben ist ungerecht – und das ist gut so“. Ist das Leben ungerecht?
Gute Frage. Zumindest fühlt es sich sehr häufig so an. Ich glaube, das Leben ist, wie es ist. Es ist unkontrollierbar. Es ist wunderschön, chancenreich. Aber gerade in meinen dunkelsten Stunden, Tagen, Wochen, Monaten fühlte sich das Leben extrem gemein an. Und es war genau dieser Prozess, deswegen auch der Titel des Buches: dass ich wieder sagen kann, egal, was mir im Leben passiert, es ist okay so. Weil ich dem Leben wieder vertraue, weil ich zurückblicke und Frieden mit allem geschlossen habe.
Vor 15 Jahren wurdest du durch die Teilnahme bei „Germany’s Next Topmodel“ schlagartig einer großen Öffentlichkeit bekannt. Du hattest die Top Ten zwar knapp verpasst, wurdest aber als Action-Model zur eigenen Marke. Wie blickst du heute auf diese Zeit zurück?
„Germany’s Next Topmodel“ war für mich ein sehr wichtiger Karriere-Umweg. Und ein Sprungbrett, klar. Im Herzen war ich aber immer in erster Linie Stuntfrau. Ich wollte bei GNTM zeigen, dass man auch gewinnen kann, wenn man eine Persönlichkeit ist, wenn man für etwas Besonderes steht und nicht nur ein Schönheitsideal bedient. Ich war der Zeit aber wohl noch ein bisschen voraus. Ich hatte immer gesagt, bewertet uns doch nach unserer Persönlichkeit und Einzigartigkeit.
Siehst du heute Formate wie GNTM anders?
Ich habe das Format damals sehr kritisch gesehen. Einfach deshalb, weil die Modelwelt damals noch so eindimensional war. Und genau deswegen finde ich die Entwicklung dieser Sendung sehr gut. Dass es inzwischen mehr um Individualität geht und nicht nur um ein Schönheitsideal.
Du hattest als 15-Jährige einen Schlüsselmoment. Und zwar, als du die Kult-Serie „Drei Engel für Charlie“ gesehen hast …
Mich haben seit meiner Kindheit weibliche Action-Helden inspiriert. Ob es jetzt Wonder Woman war oder eben die drei Engel für Charlie. Sie alle kämpfen für etwas Gutes und beschützen die Menschen vor dem Bösen. Das hat mich immer begeistert. Und dieser eine Schlüsselmoment war, als ich die drei Frauen gesehen habe, wie sie an den Kufen eines Helikopters hängen. Da war mir sofort klar, das will ich auch machen. Und so ist aus einem Impuls erst ein Traum und dann Wirklichkeit geworden. Meine Eltern sagten, die Stuntfrau kommt diesen Action-Heldinnen sehr nah, also musst du Stuntfrau werden.
Du hast dann als Action-Model bald schon deine Markenzeichen entwickelt. Das sind neben waghalsigen Sprüngen aus Flugzeugen deine brennenden Flügel. Du sagst, das Gefühl, in Flammen zu stehen, sei unbeschreiblich. Dennoch: Wie ist das, wenn man brennt?
Dieser Moment, in dem du absolut konzentriert sein musst und du genau weißt, jetzt bist du in Lebensgefahr, und du kontrollierst diese lebensbedrohliche Situation – das ist es. Das ist meine Leidenschaft.
Direkt nach GNTM, im September 2010, erschien das vielleicht heißeste Cover der Playboy-Geschichte. Auf vielen Fotos des Shootings stehst du in Flammen. Was war die Idee dahinter?
Wir hatten damals gemeinsam überlegt, erotische Bilder unter Wasser zu machen. Da habe ich gesagt, nee, es muss Feuer sein, weil Feuer für mich auch für absolute Leidenschaft steht. Leidenschaft war immer mein Antrieb. Leidenschaft ist für mich die Liebe für etwas. Das kann der Beruf sein, aber auch für einen Menschen, für mich oder für das Leben selbst. Genau deshalb passte das Feuer so gut. Es gibt in der Fotostrecke ein Bild, das mich in liegender Position zeigt. Und ich brenne. Aber statt in Panik zu geraten, sehe ich selbstbewusst auf die lodernden Flammen. Es ist also auch im übertragenen Sinn dieses Spiel mit dem Feuer.
Mit 27 Jahren warst du nicht nur eine modelnde Stuntfrau, sondern eine erfolgreiche Unternehmerin. In deiner eigenen Stuntfirma hast du 24 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. Du träumtest nicht dein Leben, sondern lebtest deinen Traum …
Ja, absolut. Ich war immer ein Mensch, der das Risiko nicht scheut. Ich hatte auch nie Angst zu scheitern. Diese Stuntfirma war natürlich ein Abenteuer. Ich als Frau in einer männerdominierten Welt. Es war eine aufregende Zeit. Ein Meilenstein für mich, erstmals nicht nur für mich allein zu arbeiten, sondern Chefin eines Teams zu sein.
Entflammt! Germany's heissestes Topmodel. Stuntfrau Miriam Höller brennt für ihren Job: solche Fotos haben Sie garantiert noch nie gesehen!
Mit 27 Jahren warst du nicht nur eine modelnde Stuntfrau, sondern eine erfolgreiche Unternehmerin. In deiner eigenen Stuntfirma hast du 24 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. Du träumtest nicht dein Leben, sondern lebtest deinen Traum …
Ja, absolut. Ich war immer ein Mensch, der das Risiko nicht scheut. Ich hatte auch nie Angst zu scheitern. Diese Stuntfirma war natürlich ein Abenteuer. Ich als Frau in einer männerdominierten Welt. Es war eine aufregende Zeit. Ein Meilenstein für mich, erstmals nicht nur für mich allein zu arbeiten, sondern Chefin eines Teams zu sein.
“Ich war schon immer ein Mensch, der das Risiko nicht scheut
Nur ein Jahr später brach dann die Katastrophe über dich herein. Und wieder spielte in dem Moment, der dein Leben verändern sollte, ein Hubschrauber die Hauptrolle. Du adaptiertest die Filmszene aus der „Drei Engel“-TV-Serie für einen Model-Job. Du hingst in High Heels an den Kufen eines fliegenden Helikopters, sprangst ab und zertrümmertest dir bei der Landung beide Füße. Wie oft hast du dir gewünscht, diesen einen Tag rückgängig zu machen?
Mir ist erst viele Jahre später bewusst geworden, welch entscheidende Rolle der Helikopter in meinem Leben spielt. Ich bin aufgrund einer Fernseh-Helikopterszene Stuntfrau geworden. Meinen Unfall hatte ich mit einem Helikopter, und mein Lebenspartner stirbt bei einem Helikopterabsturz. Unglaublich. Wir Menschen machen das gerne, dass wir zurückschauen und sagen, wäre das nicht gewesen, dann wäre das andere auch nicht passiert. Und hätte ich da mal anders reagiert, dann hätte ich das vermeiden können. Ich habe aber damit aufgehört, weil es so ist, wie es ist. Und ich kann es nicht mehr ändern.
Das klingt sehr abgeklärt.
Ich war bei dem Stunt tatsächlich nicht wirklich bei der Sache, und das hat meinem Ego schon sehr wehgetan. Mir schoss in den Kopf, das kann doch nicht sein, schließlich stehst du doch für Kontrolle! Und jetzt machst du auch noch bei einem Stunt, der nicht unbedingt der schwierigste für dich ist, so einen fatalen Fehler und verlierst dadurch die Grundlage deines Berufes. Das hat schon sehr viel mit mir gemacht und mir auch gezeigt, wie labil ich als Mensch bin.
Es war ein tragischer Unfall. Und doch hattest du das Gefühl, versagt zu haben?
Ja genau. Ich war zu dem Zeitpunkt zehn Jahre lang unfallfrei Stuntfrau. Als Profi musst du genau wissen, wo deine Grenzen liegen. Aber an dem Tag war ich mit meinen Gedanken woanders. Mich hat an dem Tag alles genervt – auch der Kunde. Ich hätte trotz allem wach sein müssen. Aber schlussendlich muss ich das akzeptieren, ich bin auch nur ein Mensch.
Du warst durch den Unfall wochenlang an den Rollstuhl gefesselt. Zwischenzeitlich war unklar, ob du jemals wieder würdest laufen können. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, starb kurze Zeit später dein Verlobter, der erfahrene Kunstflug-Pilot Hannes Arch, bei einem Hubschrauberabsturz. In deinem Buch beschreibst du die dunkelsten Stunden deines Lebens mit eindrücklichen Worten: „Ich habe komplett die Kontrolle über mein Leben verloren. Alles ist weg. Meine Gesundheit, meine Selbstbestimmung, meine Berufung, mein Job, mein Hannes, meine Träume, meine Zukunft. Alles verloren, einfach weg, nichts mehr da.“ Woher hast du dennoch die Kraft genommen, nicht aufzugeben, sondern weiterzumachen?
Es ist das Fatale, dass du in dem Moment wirklich meinst, alles ist kaputt. Ich konnte zu dem Zeitpunkt auch nichts Schönes mehr sehen. Und das passiert ausgerechnet mir – einem Menschen, der voller Lebensfreude war, voller Energie, der mit Vollgas durchs Leben ging. Ich war plötzlich auf allen Ebenen gescheitert, finanziell, beruflich, privat. Dass ich jemals so tief abstürzen könnte, hätte ich zuvor niemals gedacht. Es gibt dann auch nicht diese eine Sache, nicht das eine Licht am Ende des Tunnels, das dir die Richtung weist und dazu führt, dass du wieder losläufst.
Sondern?
Es beginnt mit einem absoluten Infragestellen von dir, deiner Existenz und auch deinem Leben. Es ist nichts mehr da, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Ich habe nichts mehr gesehen. Und sagte dann doch zu mir: Du warst immer schon eine Kämpferin und gibst jetzt wirklich auf? Willst du für immer in dieser Opferrolle bleiben? Schlussendlich trägt jeder selbst die Verantwortung dafür, wer er sein will.
Du schreibst, Kämpfen sei deine größte Stärke. Bist du eine Kriegerin?
Wir sind doch alle Krieger. Ich bin in Wirklichkeit auch nicht stärker als alle anderen da draußen. Wir kommen auf die Welt und müssen vom ersten Tag an lernen zu überleben. Wirklich etwas zu wollen, dafür auch alles zu geben und zu lernen, sich auf sich verlassen zu können, ist genau das Fundament, auf dem ich heute stehe. Natürlich gibt es Menschen um dich herum, die dir helfen, dir unter die Arme greifen. Aber auch die größten Unterstützer werden irgendwann müde und hören irgendwann auf, dir zu helfen, wenn du nicht wirklich für deine Ziele kämpfen willst. Deswegen kommt es auf dich an. Es beginnt immer bei dir.
Wie ist es dir gelungen, dir dein Leben zurückholen?
Das, was mir in der Situation am meisten geschadet hat, waren Stille und Stillstand. Dieses Zuhausebleiben, nicht aufzustehen, mich zu verkriechen, das Handy auszumachen, nichts und niemanden mehr an mich heranzulassen. Plötzlich war mir klar, ich muss einfach nur die Tür aufmachen und rausgehen, und schon habe ich ein Gespräch. Schon lerne ich wieder etwas und kann auch etwas bei anderen Menschen bewirken. Ich bin ja nicht sofort wieder aus Flugzeugen gesprungen, sondern hab erst mal nur die Tür aufgemacht und bin im Rollstuhl einmal ums Haus gefahren. So habe ich angefangen.
Während der Corona-Zeit hast du acht Monate auf Bali verbracht. Und auch dort kamst du wieder in eine Extremsituation. Beim Surfen bist du beinahe in meterhohen Wellen ertrunken. Du brachst dir eine Rippe, dein Trommelfell riss. Wie oft willst du noch dein Schicksal herausfordern?
Auch hier wieder: Spielball der Naturkräfte zu sein, war wieder so ein lehrreiches Erlebnis für mich. Natürlich drängt sich da die Frage auf: Warum suchst du die Gefahr? Die Antwort ist: Ich suche nicht die Gefahr, ich suche das Leben.
“Jeder trägt selbst die Verantwortung dafür, wer er sein will
Heute springst du nicht mehr aus Flugzeugen, sondern sprichst vor Tausenden von Menschen auf großer Bühne. Warum ist das zu deiner Lebensaufgabe geworden?
Gerade trotz all der schrecklichen Tiefschläge will ich meinem Leben einen Sinn geben. Natürlich ist es sehr anstrengend, in meinen Vorträgen immer wieder von den dunkelsten Momenten meines Lebens zu erzählen. Aber das tue ich ja, um mich wirklich aufzumachen, nahbar zu sein und zu zeigen, dass ich heute an dem Punkt bin, wo ich wieder kraftvoll bin und andere Menschen inspirieren und ermutigen kann. Ich selbst habe ja genau nach solchen Menschen gesucht, als es mir damals so schlecht ging. Das ist mein Antrieb: der Mensch zu sein, den ich damals gebraucht hätte.
Vor Kurzem hast du deine Liebe zu dem TV-Moderator Roland Trettl öffentlich gemacht. Kann man der Liebe seines Lebens mehrmals begegnen?
Ja. Ich habe immer gedacht, es gibt nur diese eine große Liebe. Hannes war damals genau der richtige Mann an meiner Seite, und wir hatten eine wunderschöne Beziehung. Aber dann geht es auch weiter. Solange ich in der Lage bin, mich für die Liebe zu entscheiden, desto mehr kommt auch zurück. Und das ist zu jeder Zeit möglich. Ja, ich glaube, es gibt mehrere Lieben.
Kannst du von dir sagen, dass du heute glücklich bist?
Ja, es war richtig viel Arbeit, sehr viel Arbeit. Es waren Jahre des Kampfes, Jahre des Heilens, Jahre des Verstehens, des Akzeptierens, des Loslassens. Bis zu dem Moment, als ich einfach nur zu Hause saß und gedacht habe, ja – jetzt ist wirklich alles in Ordnung. Ich habe diese innere Ruhe und diesen Frieden gefunden, und ich definiere Glück heute auch anders. Früher habe ich immer gedacht, Glück bedeutet, immer in Bewegung zu sein. Ich bin im Nachhinein glücklich für diese Augenblicke, aber das sind für mich Glücksmomente. Das sind Peaks, die wir durch tolle Erlebnisse spüren. Aber Glück ist für mich heute – und das ist etwas, was ich nie zuvor gespürt habe – eine innere Zufriedenheit.