Das Herzstück des Chateau Marmont ist ein holzvertäfelter Tresen. Dieses Hotel war schon die Bühne für das ein oder andere Drama. "Blues Brothers"-Star John Belushi erlag hier einer Überdosis. Jim Morrison kletterte aus dem Fenster aufs Dach, um im Drogenrausch die Lichter der Autos besser sehen zu können. Led Zeppelin fuhren mit ihren Motorrädern durch die Lobby - wie auch immer das bei den vielen Stufen und Tritten gehen soll. Und Helmut Newton erlag einem Herzinfarkt am Steuer seines Wagens, als er gerade die Hotelausfahrt verließ. Will man als Normalsterblicher auf Hollywood-Stars treffen, ist das Chateau Marmont der richtige Ort.
Hier steigen und stürzen Tarantino, Clooney und Co. regelmäßig ab. Lindsey Lohan hatte schon an die 50 000 Dollar Schulden an der Rezeption und Brittney Spears erhielt Hausverbot, nachdem sie sich im Restaurant Essen ins Gesicht geschmiert hatte.
Als wir vergangenen Donnerstag dort waren, gab es keine Hausverbote. Cadillac hatte zur großen Pre-Oscar-Party geladen und wir ließen uns natürlich nicht zwei Mal bitten. Dicke Autos und ein legendäres Hotel. Das Chateau hat etwas von der Playboy-Mansion: Schwere Kronleuchter, viel dunkles, edles Holz, weicher Teppichboden und tiefe Polstersessel. Wie sich Amerikaner eben ein altes englisches Schloss einrichten würden. Die geladenen Gäste sind eine Mischung aus Hollywood-Prominenz, Sportstars und Journalisten. Jeder hält Ausschau nach der nächsten Showbiz-Größe, alle finden sich furchtbar nett.
Die Devise dieser exklusiven Party? "Come late, leave early", erzählt ein dickbrilliger Hollywood-Insider zwischen zwei Moscow-Mules. Oscar-Saison heißt nämlich auch Party-Saison. Jeder will überall sein, am liebsten natürlich im Chateau. Zwischendurch kommt die "Germanys Next Topmodel"-Crew vorbei, die zur Drehzeit immer im Chateau residiert. Die Kellner tragen Hemd und Anzugshose und eine Flasche Champagner folgt der nächsten.
Alte Größen - Neue Werte
Untypisch für Hollywood: Schon nach wenigen Stunden wird im überdachten Außenbereich überall geraucht. Eigentlich undenkbar im L.A. der Veganer und Glutenfreien. Hier hängt noch der alte Glanz Hollywoods in der Luft. Aber auch überholte Werte. Grauhaarige Männer vom Typ Prodouzent mit Lila-Brillengläsern und Goldkettchen am Arm fluchen über die #MeToo-Debatte. Auch das ist Hollywood und das Chateau. Einerseits der Ort, an dem Mythen entstehen, Träume gelebt werden. Andererseits auch Schauplatz für ganz reale Dramen und Tragödien abseits der Leinwand.
Wie jede Party in den USA ist auch diese für europäische Verhältnisse früh zu Ende. Um kurz nach 1 Uhr werden die Gäste höflich aber bestimmt in Richtung Shuttle-Service gelotst. Der besteht übrigens aus 426 PS Escalade-Schlachtschiffen, in denen auch gut Platz für eine gesamte Filmcrew wäre. "Very American" - wie könnte es auch anders sein.
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