Ben Affleck nuckelt an einer Cola-light Dose, die Beine in schwarzen Jeans übereinandergeschlagen, die Wildlederjacke trotz Hochsommertemperaturen nicht abgelegt. Er ist braun gebrannt, glatt rasiert, frisch frisiert. Eine beinahe normale Interview-Situation. Beinahe, denn dieses Interview-Treffen findet nicht wie tausend andere in einem Luxushotel statt, sondern in einem kühlen Konferenzraum der Quixote Filmstudios in Hollywood. Eine Umgebung, die nicht zu persönlichen Fragen einladen soll. Wir sind hier „all business“, sagt das Interieur.
Das ist so gewünscht, denn Afflecks Business befindet sich zurzeit in einer Aufwärtskurve. Wieder einmal – und jetzt vielleicht in der steilsten, in der es sich je bewegt hat. In „The Accountant“ spielt der 44-Jährige
einen gewissen Christian Wolff, ein Mathematikgenie mit Asperger-Syndrom, das, als biederer Buchhalter getarnt, kriminellen Kartellen in aller Welt bei der Geldwäsche hilft. Gelegentlich auch als Auftragskiller. Der Film hat die körnige Textur und Atemlosigkeit eines 70er-Jahre Thrillers, und Affleck ist noch besser als in – tja, fügen Sie hier bitte den Titel Ihres liebsten Affleck-Films ein. „Good Will Hunting“? „Gone Baby Gone“? „Gigli“ wird es wohl nicht gewesen sein.
Vielleicht ist „The Accountant“ die beste Performance seiner Karriere. Da soll jetzt kein Interviewer alte Fässer aufmachen. Affleck hat schon viele Komplimente gehört. Und auch manche Schmähung. Daher nimmt er das Lob für seine Wolff Darstellung zurückhaltend an. „Vielleicht“, antwortet er, „ist Wolff der erste autistische Superheld.“
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Und dann, als fiele ihm ein, dass dieses Zitat politisch unkorrekt klingen könnte: „Natürlich kann man nicht alle Autisten über einen Kamm scheren. Ich habe für meine Recherchen einige getroffen, und sie sind so verschieden wie du und ich. Mich interessierten ihre Beziehungen zu anderen Menschen. Ein Mann zum Beispiel erklärte mir, er hätte mal eine Freundin gehabt. Das heißt, sie waren ein paarmal miteinander im Kino. Und dann nicht mehr. Da war Schluss.“ Ben Affleck lacht. „Autismus ist mir immer noch rätselhaft. Aber ich habe selten so faszinierende Persönlichkeiten getroffen.“
Vielleicht wird „The Accountant“ für Affleck sogar, was Jason Bourne für Matt Damon wurde. Ein Erfolg in Serie. Ein Franchise, das ihn nicht mehr abstürzen lässt. Schon nach den ersten Screenings verlangte das
Testpublikum nach einer Fortsetzung. Weil dieser Wolff, einsam und zu smart für diese Welt, ein Held ist, der
einen nicht mehr loslässt. Wenn der Biedermann mit Schlips und weißem Hemd wie im Rausch Zahlenreihen an die Plexiglaswände einer Bürozelle schreibt, hat das etwas von einem Tanz.
„Jemanden mit einer außergewöhnlichen Begabung zu spielen“, erklärt Affleck, „ist unheimlich schwer, weil man Talent nicht imitieren kann. Ich orientierte mich an der Eleganz brillanter Athleten. Wolff kann über mathematische Kalkulationen in Ekstase geraten. Ich wollte das Gefühl vermitteln, das man erlebt, wenn man einem
Genie bei der Arbeit zuschaut.“
Und wie Affleck sich so in Fahrt redet, wird klar: Er meint es ernst, sehr ernst mit dieser Rolle...
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