Alles im Leben hat zwei Hälften, und nicht nur die Ehe hat eine bessere. Außer beim Tennis ist meist die zweite etwas schlechter, was daran liegt, dass wir am Anfang immer versuchen, alles besonders gut zu machen: Enthusiastisch nimmt man sich zum Jahreswechsel vor, weniger von all den Dingen zu tun, die gesellschaftlich als „nicht gut“ gelten. Chips fressen: nicht gut. Wild in der Gegend herum vögeln: nicht gut. Fleisch essen: Mörder!
Zum Glück gibt es also gute Vorsätze, denn damit ist man – Simsalabim! – ab Januar ein neuer Mensch. Vegan sowieso. Und kann in den Wochen davor noch mal entsprechend hinlangen. Gänsebraten, Spekulatius, dazu einen Klaren und Opas Weltkriegsgeschichten: „Wir hatten ja nichts!“ Ja, vor allem nicht den Knebelvertrag von der Fitness-Bude, wo die Völlerei ab Januar in Selbstgeißelung umschlägt. Auf geht’s, der Wille ist stark – auch wenn das Einzige, das im neuen Jahr langsam abnimmt, der Kontostand ist. Der Rest bleibt adipös.
Und nach vier Wochen beginnt für den Vorsätzler auch schon die zweite Jahreshälfte. Im Februar kommt die Einsicht, dass Chips und Fleisch zwar nicht gut sind, aber gut schmecken. Die hochgesteckten Jobziele stressen. Die Sache mit dem Alkohol sollte man also nicht so eng sehen, und zu viel Sport ist auch nicht so dolle für die Gesundheit. Die Lebensqualität gewinnt ihren berechtigten Vorrang vor dem Vorsatz zurück. Wer will schon Sportverletzungen oder einen Burnout riskieren? Und so geht’s in der zweiten Jahreshälfte, gemessen an den Vorsätzen, mit uns bergab: Man muss sich aus dem Fitness-Vertrag rausklagen, ständig ist das Bier alle, und die Weltpolitik kriselt ebenfalls.
Merke: Ohne gute Vorsätze lebt es sich einfach besser.