Playboy: Frau Eckhart, Sie haben unzählige Verehrer. Ein Foto von Ihnen auf Instagram, und schon ist der Teufel los. Wie empfinden Sie das?
Eckhart: Das ist ein völlig natürlicher Reflex. Ich wäre zu Tode gekränkt, wenn mich Männer nicht als sexuelles Wesen wahrnehmen würden. Natürlich sind meine Auftritte auch auf Erotik angelegt. Das empört viele. Ich erhalte auch wüste Zuschriften von Frauen, die mir Pornografie statt Kabarett nahelegen. Diese völlige Trennung von Gut und Schön halte ich für sehr bedenklich.
Und wenn Sie beides zeigen, ist das Publikum überfordert?
Das überfordert selbst mich manchmal. In der einen Situation reduziere ich mich auf den Körper, in der anderen auf den Geist. Ich wusste schon immer, dass ich eine Bühne brauche, hatte aber zuerst nichts feilzubieten als meinen Kör- per. In Paris lief ich durch die Stadt und suchte nach Menschen, die mich nackt sehen wollen (lacht). Das war damals die einzige Form der Darstellung, die ich beherrscht habe. Ich hatte in der Jugend eine Blauäugigkeit, die wie Pfefferspray
gewirkt haben muss. Da hat es selbst Perverse gegruselt, es ist nie was passiert! Als ich in Berlin nackt Gedichte vorgetragen habe, war die bittere Erkenntnis: Okay, wenn ich Geld verdienen will, muss ich mich anziehen. Nackt hören mir die Leute nicht mehr zu.
Die Kommentare auf Instagram sind oft plump und reichen von „Schlank ist geil“ bis „Endlich mal wieder ein Stückchen lecker Fleisch nach den Bildern von Tönnies“. Was denken Sie darüber?
Ist doch schön! Das schließt ja nicht aus, dass sie schätzen, was ich sage. Was schleicht sich denn bei dieser ganzen Body-Positivity wieder für eine Körperfeindlichkeit ein? Der Körper ist wohl doch etwas Böses geblieben, wenn er als schön empfunden wird von jemand anderem. Da wird der Blick sofort toxisch, und es heißt, ich würde als Objekt behandelt. Das Objekt aber ist in unserem Warenfetischismus nichts Geringes. Problematisch ist, wenn Objekte, zum Beispiel Autos und Uhren, wie Frauen behandelt werden.
Würden Sie sich für den Playboy ausziehen?
Ja! Aber erst (lacht) wenn die Buchverkäufe einbrechen. In einem halben Jahr also mit Freuden! Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich dieses Potenzial noch nicht verschleudern.
Zugleich pflegen Sie aber eine gewisse Aversion gegen die von Ihnen so genannten „Körperkultler“. In Ihrem neuen Roman „Omama“ heißt es: „Dem Nudisten ist die Burka das Kleid der Hure Babylons.“
Ja, am FKK-Strand zum Beispiel gibt es nichts Sexuelles. Die Nacktheit dort hat zwar einen Reiz für sich, erotisch aber ist sie nicht. Schamlosigkeit tötet das Begehren. Man nimmt die Kleidung weg, und plötzlich ist nichts mehr da. Plötzlich verschwindet auch das Echte, welches vom Schleier erst geschaffen wird.
Das müssen Sie bitte erklären.
Da gibt es diese wunderbare Geschichte vom Wettbewerb zwischen zwei antiken Malern: Der erste malt Trauben, die so echt aussehen, dass Vögel herbeifliegen und versuchen, sie zu fressen. Der zweite hingegen malt einen Vorhang, der wiederum so echt aussieht, dass ihn sein Wettstreiter bittet, endlich das Bild hinter dem Vorhang zu zeigen. Wir soll- ten also nicht alles enthüllen, weil die Hülle alles ist. Wir sollten den ganzen Tag Vorhänge malen.
Wäre es also indiskret, wenn wir jetzt auf rasierte Muschis zu sprechen kommen?
Das finde ich gar nicht indiskret. „Sich die Scham zu rasieren“ ist ja ein sehr aussagekräftiger Ausdruck. Dahinter lauert etwas sehr Aseptisches, Asexuelles. Die Scham als Schleier erschafft erst die Erotik und die Perversion, hinter der Schamlosigkeit jedoch verschwindet die Lust. Ich wäre immer für den Schleier und die Schambehaarung.
Und aufgehellte Brustwarzen?
Aufgehellte Brustwarzen? Ich kenne nur Anal Bleaching. Es ist ja ein grundsätzliches Thema, ob man einen Brust- oder einen Gesäßfetisch hat. Ich würde mich immer eher mit Brüsten auseinandersetzen. Unsere Kultur aber scheint sich mehr mit dem Gesäß zu befassen, weil es mehr der Leistungsgesellschaft entspricht, denn das Gesäß ist ein Muskel, die Brust Schicksal.
Sie sind eine Frau des Wortes. Was halten Sie von Dirty Talk?
Ich finde Dirty Writing interessanter. Meine erste Pornografie, de Sade, war schriftlich, nicht visuell. Meinen Geschmack, was Männer betrifft, kann man auch deshalb am „Fluch der Karibik“ aufschlüsseln: Im ersten Teil war ich in Orlando Bloom, im zweiten in Johnny Depp und im dritten in Geoffrey Rush verliebt.
Rush hat de Sade in einem Film gespielt. De Sade war für mich als Jugendliche reine Pornografie und damit Masturbationsvorlage. Damit stieß ich an der Universität auf totales Unverständnis. Aber was gibt es Schöneres, als de Sade nicht nur philosophisch zu sehen, sondern ihn erst zu lesen, zu masturbieren, wieder zu lesen und dann eine wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben?
In Ihrem Roman sagen Sie, Liebe zu heucheln sei nicht zwangsläufig lieblos. Ist das ein Plädoyer für den gefakten Orgasmus?
Nein, das ist ein Plädoyer fürs Durchbeißen. Frauen, die den Orgasmus faken, sind maßgeblich an der männlichen Überheblichkeit, die sie anprangern, beteiligt. Das „Manspreading“ würde vielleicht aufhören, wenn Frauen keine Orgasmen mehr vortäuschten. Ich habe den weiblichen Orgasmus auch nie als die alleinige Aufgabe des Mannes betrachtet; auch da bin ich für Eigenverantwortung. Was ich amüsant finde beim gefakten Orgasmus, ist, dass niemand vom Gegenteil spricht: dass uns auch die Macht innewohnt, einen Orgasmus zu verheimlichen. Ich liebe es am weiblichen Körper, dass er keinerlei Auskunft gibt. Der weibliche Körper ist quasi ein verlängertes Pokerface (lacht).
Was denken Sie über die vielfach geforderte Umbenennung von Schamlippen in „Vulvalippen“ – weil wir uns schließlich nicht für sie schämen?
Ich sehe nicht, was man durch diese Entmystifizierung gewinnen könnte. Das Geheimnisvolle verleiht Frauen doch eine unfassbare Macht! Die Ambivalenz von Heiliger und Hure aufzugeben würde einen enormen Verlust für uns Frauen bedeuten. Weshalb will man unbedingt herabsteigen vom Thron des höheren Wesens? Für einen sachten Aufprall, wenn wir einmal fallen sollten? Ich würde das nicht wollen. Ich bin lieber alternierend Unter- sowie Übermensch als einfach nur Mensch.
Männlichkeit hat zurzeit keine so gute Lobby, richtig?
Neulich wurde eine Ausstellung über Sexismus, sexuelle Belästigung und Gewalt mit dem schönen Universalwort „Männerwelten“ betitelt. Es erscheint mir als unfassbar gefährlich, wenn es heißt, jeder Mann sei Sexist. Nicht nur dass Männer, die keine Sexisten sind, inkriminiert werden, sondern auch weil Männer sagen könnten: Nun, wenn wir sowieso Sexisten sind, dann sind wir es eben jetzt beherzt! Natürlich gibt es sexuelle Belästigungen, aber man muss sich hüten vor inflationärem Gebrauch der Kritik. Sonst glaubt dir keiner, wenn es wirklich mal ernst wird.
Sind Sie schon mal sexuell belästigt worden?
Ja. Zum Beispiel durch „Upskirting“. Folgende Situation: In einem Kaufhaus nahm mich ein Wachmann beiseite und geleitete mich in einen Raum, in dem fünf Männer über ein Smartphone gebeugt standen, auf dem Fotos meiner Unterwäsche zu sehen waren. Erst nach einer Weile bemerkte ich ein kleines Männlein, ein Häuflein Elend, das mir gegenüber in der Ecke saß. Die Situation war uns offenbar beiden gleichermaßen peinlich. Er tat mir leid, er hatte mir heimlich unter den Rock fotografiert und seinen infantilen Scherz getrieben. Die Männer vom Wachdienst aber offenbarten sich als die wahren Sexisten – aufgrund der Art und Weise, wie sie über meine Dessous diskutierten. Anschließend wurde ich noch einem Psychologen überantwortet. Man hat mir aber keine Gewalt angetan und auch meiner Familie kein Ohr abgeschnitten. Nein, es will mir nicht gelingen, mich wegen so etwas in meinen Grundfesten erschüttert zu sehen.
Schicken Männer Ihnen eigentlich auch Dick Pics?
In der inhaltlich sehr wichtigen Ausstellung „Männerwelten“ wurden, um alltäglichen Sexismus zu dokumentieren, unter anderem Schwanzfotos gezeigt, die der Schauspielerin Palina Rojinski und ihren Freundinnen von unbekannten Männern über Social Media geschickt worden waren. Auf kommerziellen oder ich-verseuchten Unsinn wird mit Unsinn reagiert. Es gibt halt eine unveränderliche Ökonomie der Dummheit, aber niemand ist verpflichtet, sich dem auszusetzen. Die auf einem Plakat inszenierten Brüste einer Frau gelten als Zeichen von Ohnmacht, wohingegen dem Dick Pic eine immense Macht zugesprochen wird? Nein, nur das Gemächt zu zeigen zeugt von devoter Schüchternheit. Ich selbst erhalte keine Dick Pics, wohl aber Porträts. Das verstört mich! Ich sehe in diesen Augen Träume von einem gemeinsamen Leben. Bitte tut das nicht, schickt mir eure Gemächte, reduziert euch auf das bisschen Fleisch, damit ich den hoffenden Blick aus dem Kopf bekomme!
Spielt vor allem Plumpheit eine Rolle bei Anmache im Netz?
Ja, sie ist plump und vulgär, wie gefühlt alles im Netz, aber wie Voltaire schon sinngemäß sagte: „Ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass man das schreiben darf.“ Es ist doch auch irgendwo ein Kompliment. Und ein Eingeständnis von Schwäche. Der tut dir nichts, Pupperl! Ich freu mich eher, dass ich nicht nur auf die Sprache reduziert werde. Dadurch, dass ich mir meines Geistes gewiss bin, kann man mich da nicht so schnell verunsichern. Viele unappetitliche Dinge, Frauenfeindlichkeit auch, werden aus Furcht vor der Frau geboren, nicht etwa aus dem Glauben an ihre Minderwertigkeit.
Weshalb wehren Männer sich nicht dagegen, auf solche Stereotype reduziert zu werden?
Männer hätten allein schon die körperliche Kraft, sich zu wehren. Ich deute es als Zugeständnis, dass sie es nicht machen. Außerdem ist es doch nur eine Minderheit der Frauen, die so gut wie alle Männer des Sexismus bezichtigt. Das sind Frauen, die sich wie in einer Echokammer vorwiegend mit Männern umgeben, die das klassische Männlichkeitsbild ablehnen, das ja auch nur ein Korsett ist.
Mit den Männlichkeitsbildern ist es wie mit Craft Beer. Am Anfang gab’s nur eins, und plötzlich überfluten Tausende den Markt. Wohin soll das führen?
Zu vielen neuen Rollenangeboten. Mögen die Männer doch spielen! Wenn es sie in eine neue Verzweiflung stürzt, ist das natürlich schlecht. Uns Frauen war die Maskerade immer gegeben. Frauen waren immer Drag, wir sind in viele Rollen geschlüpft. Ich bin sowieso keine Freundin der essenzialistischen Geschlechter, des typisch Männlichen und typisch Weiblichen. Wenn sich Männer aber in einer überholten Männlichkeit wohlfühlen, ist das auch legitim. Auch das Anachronistische muss in der Diversität seinen Platz haben, auch weil manche Frauen es wünschen. Feministische Männlichkeit ist nicht von allen gewollt.
Sie würden sich nicht als Feministin bezeichnen?
Nein, weil der Zauber dann vorbei wäre (lacht). Jeder, der hinsieht, merkt aber, dass ich ein zutiefst feministisches Projekt hege. Was mir als Misogynie ausgelegt wird, ist in Wahrheit Ausdruck einer tiefen Liebe zu Frauen. Sonst würde ich mich nicht so intensiv mit ihnen beschäftigen.
Mit welcher Form von Weiblichkeit halten Sie dagegen?
Dagegen? Ich biete etwas an und gehe nicht nur mit einer Fahne durch die Gegend. Ich bin nicht martialisch eingestellt. Ich kann mich nicht für Männerhass erwärmen. Von Jugend an war ich immer gern verliebt, Weiblichkeit zu inszenieren empfinde ich als extrem lustvoll und souverän. Wenn jemand das in „lecker Fleisch“ übersetzt, weiß ich: Bei dem habe ich die Zügel in der Hand.
Ein paar Flirt- und Höflichkeitslektionen könnten Sie aber schon noch erteilen, oder?
Auf jeden Fall! Ich schätze es, wenn Männer schwer zu haben sind. Es verdirbt mir das Spiel, wenn ich nur einsammeln muss. Was meine amourösen Erfahrungen betrifft: Am Anfang sollte man sich siezen! Das sofortige Duzen ist für mich der rhetorische FKK-Strand, das hat die Fallhöhe eines Melkschemels. Lust bis zur Unerträglichkeit zu steigern, auch sich zu zieren wäre ratsam. Kurzum: der Wille zum Spiel – und ein bisschen gefährlich leben!
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