Tank vorn, Motor hinten, Zündschlüssel links. Auf diese einfache Formel lassen sich alle 911er-Modelle bringen, seit Ferdinand Alexander Porsche, Spitzname Butzi, das Auto im Jahr 1963 erstmals der Öffentlichkeit präsentierte. Damals übrigens noch unter der Typenbezeichnung 901. Diese musste jedoch in 911 geändert werden, nachdem man herausfand, dass sich die Marke Peugeot sämtliche Rechte an dreiziffrigen Typenbezeichnungen mit der Null in der Mitte hatte schützen lassen.
Jetzt geht die Legende aus Zuffenhausen in die achte Generation – und wir testen den neuen Elfer, Typenbezeichnung 992. Nicht irgendwo, versteht sich, sondern auf einer Rennstrecke. Genauer: auf dem Circuit Ricardo Tormo in der Nähe von Valencia. Doch für die Kulisse haben wir keine Augen. Nur für ihn – und dabei fällt uns gleich auf, dass nicht viel auffällt.
Die Evolution des neuen Elfers
Von außen hat sich der 911er auf den ersten Blick im Vergleich zum Vorgänger kaum verändert. Evolution statt Revolution. Das durchgehende Leuchtenband am Heck erinnert an den Typ 964 (dritte Generation) und die Vertiefung der Fronthaube an das G-Modell (zweite Generation). Die Türgriffe fahren erstmals zum Öffnen elektronisch aus und versenken sich für eine bessere Aerodynamik wieder im Blech der Karosserie.
Und nur aufmerksameren Beobachtern fällt auf, dass das gesamte Fahrzeug vorn um 45 Millimeter breiter geworden ist, während man hinten die größere Karosserie der Allradmodelle übernommen hat. Dies war auch nötig, steht das Auto doch erstmals auf unterschiedlich großen Rädern: Vorn haben die Ingenieure 20-Zoll-Felgen, hinten 21-Zoll-Felgen aufgezogen. So will man nach Angaben der Porsche-Ingenieure eine bessere Ausbalancierung des Gewichts erreichen.
Digitale Displays statt analogen Anzeigen
Im Innenraum dagegen dominiert nach wie vor der klassische Zwei-plus-zwei-Aufbau – wobei die beiden Notsitze hinten vermutlich wie schon im Ur-911er in den seltensten Fällen genutzt werden. Ansonsten beherrschen große Displays und moderne Materialien von Alcantara bis Carbon das Innenleben – selbst bei den klassischen fünf Rundinstrumenten hinter dem Lenkrad ist nur noch der Drehzahlmesser in der Mitte analog geblieben, die anderen vier Anzeigen mussten digitalen Displays weichen.
Die Zündung bleibt der Tradition treu
Gezündet wird wie in allen Porsche-Fahrzeugen traditionell links vom Lenkrad, auch wenn es im Zeitalter von Keyless-Go-Systemen natürlich keinen richtigen Zündschlüssel mehr gibt. Um das Erbe zu bewahren, hat man den Typ 992 mit einem zündschlüsselförmigen Drehschalter ausgestattet, mit dem er sich starten lässt. Das Zündschloss war im Elfer übrigens links angebracht, so sagt es der Mythos, damit Rennfahrer bei einem Le-Mans-Start (bei dem die Fahrer erst zum Auto hinrennen müssen und nicht hinterm Lenkrad aufs Startsignal warten) gleichzeitig mit der einen Hand den Motor starten und mit der anderen Hand den Gang einlegen konnten. Eine Tradition, die im Zeitalter von Lenkrad-Schaltwippen und Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) nur noch wenig Sinn ergibt. Die beiden ersten Modelle der neuen Generation, der Carrera S und der Carrera 4S, werden ohnehin zunächst nur mit 8-Gang-PDK erhältlich sein, erst deutlich später im Jahr 2019 soll eine Variante mit Handschaltung folgen.
Auf 100 km/h in 3,7 Sekunden
Unverändert auch: der Sound des 450 PS starken 6-Zylinder-Boxermotors. Zumindest im Vergleich zu den unmittelbaren Vorgängermodellen. Dem Sound eines luftgekühlten Motors (der bis in die vierte Generation verbaut wurde) kann dieser Wasserkühler, man verzeihe das Wortspiel, natürlich nicht das Wasser reichen. Es ist trotzdem ein emotionaler Moment, als er in der Boxengasse zu wummern beginnt – wie wenn ein Kind zum ersten Mal „Papa“ sagt. Auch der jüngste Elfer-Spross kann sprechen – und verspricht dabei einiges: Dank der zusätzlichen 30 PS schafft er den Sprint auf 100 km/h jetzt in 3,7 Sekunden, also 0,4 Sekunden schneller als sein direkter Vorgänger und satte 5,3 Sekunden schneller als das Urmodell.
Die 200-km/h-Grenze ist nach 12,4 Sekunden erreicht, Schluss ist erst bei 308 km/h. Ansonsten wenig Überraschendes: Der neue Elfer fährt sich auf der Rennstrecke überragend – ganz wie man es vom – laut Porsche – „besten Sportwagen der Welt“ erwarten würde. Also wechseln wir mal auf den Nass-Parcours am Rande der Rennstrecke, um das Fahrverhalten im neuen, sogenannten Wet-Modus zu testen.
Wasser Marsch! Sicher wie auf Schienen
Dieser neue Modus soll den 911 so sicher machen wie nie zuvor. Auch wenn er schon lange keine klassische Heckschleuder mehr ist, kann es gerade beim Carrera S, der Variante ohne Allradantrieb, durchaus passieren, dass bei zu viel Gas oder sehr nasser Fahrbahn das Hinterteil ausbricht. In die Modelle der ersten Generation hatten sich bei schlechter Wetterlage deshalb nur versierte Fahrer gesetzt.
Sieben Generationen und zahlreiche Traktions- und Assistenzsysteme später bereitet eine nasse Fahrbahn heute längst nicht mehr so viele Kopfschmerzen wie damals. Um aber ganz auf Nummer sicher zu gehen, haben sich die Ingenieure aus Zuffenhausen etwas Besonderes überlegt:
Ultraschalldetektoren in den vorderen Radkästen erfassen das Geräusch, das durch Wasser auf der Fahrbahn erzeugt wird, und warnen den Fahrer vor überhöhter Nässe – verbunden mit dem Vorschlag, in den Wet-Modus zu wechseln. Bestätigt der Fahrer dies, passt der Wagen automatisch Gasannahme, Spoilerposition sowie ABS und Traktionskontrolle an die veränderten Bedingungen an. Und siehe da: Obwohl wir uns alle Mühe geben, den Wagen so stümperhaft und unkontrolliert wie möglich in die Kurve zu drücken, verlieren wir das Heck maximal nur um ein paar Millimeter. Sicher wie auf Schienen dreht der Elfer seine Runden – auch wenn der Fahrspaß in diesem Hyper-Sicherheits-Modus ein wenig zu wünschen übrig lässt.
Alles in allem ist der neue 911er ein würdiger Nachfolger. Und dank Wet-Modus theoretisch sogar für Fahranfänger geeignet (sofern sie ihn sich leisten können). Elfer-Puristen finden solche Systeme natürlich verzichtbar. Aber die werden ohnehin noch zwei Jahre warten – bis die ersten GT3- und Turbo-Modelle vom Typ 992 erscheinen.
Unser Autor reiste auf Einladung von Porsche nach Spanien.
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