Sieben Jahre ist es her, dass Jaguar den F-Type einführte – quasi als Nachfolger des legendären E-Type aus den 1960er-Jahren. Und wenn 2020 offiziell nur von einem Facelift die Rede ist: Die im Frühling erschienene Erneuerung des Fahrzeugs umfasst definitiv mehr als nur die Optik. Um die aufgefrischte Generation der britischen Wildkatze artgerecht auf ihre Wendigkeit und Sprinteigenschaften zu testen, fahren wir auf eine östlich der portugiesischen Stadt Porto gelegene Straße namens N222 – laut einer Datenanalyse des Autovermieters Avis die schönste und beste Straße der Welt. Ob sie diesem Superlativ wirklich gerecht wird, sei einmal dahingestellt, aber mit ihren zahlreichen Kurven und der atemberaubenden Kulisse (das Douro-Tal wurde von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt) macht sie fahrtechnisch wie landschaftlich einen durchweg positiven Eindruck. Zur Auswahl stehen uns drei Motorvarianten: ein 300 PS starker Vierzylinder sowie zwei Achtzylinder mit entweder 450 oder 575 PS – jeweils als Coupé oder Cabrio. Der im Vorgänger noch erhältliche Sechszylinder wurde, vermutlich aus Abgasgründen, gestrichen. Wir entscheiden uns – Überraschung! – für das Top-Modell: den F-Type R Coupé (entspricht dem vorherigen F-Type SVR Coupé).
Doch bevor wir ins Fahrzeug einsteigen, starten wir erst mal einen kleinen historischen Exkurs für alle, die nicht mit der Vergangenheit des F-Type vertraut sind. Wichtig ist zu wissen, dass die Einführung des Sportwagens im Jahr 2013 für Jaguar nichts weniger als eine Revolution war. Denn die Marke mit der zum Sprung ansetzenden Großkatze hatte zu dem Zeitpunkt eher den Ruf einer zahmen Hausmieze. Limousinen wie der Jaguar XF oder XJ mit ihrem britischen Landadel-Charme und Intarsien aus Wurzelholz galten zwar als gediegen und bequem – neue Rekorde auf der Nordschleife stellten sie aber eher selten auf. Mit so einem Jaguar rollte man in der Londoner Bond Street von Boutique zu Boutique oder setzte die Gemahlin vor der Oper ab. Von der einstigen Sportlichkeit und dem legendären Design des vor knapp 40 Jahre eingestellten Jaguar E-Type war man Meilen entfernt. Erst der indische Industrielle Ratan Tata, dessen Gruppe 2008 die Marken Jaguar und Land Rover übernommen hatte, wollte das Jaguar-Image aufpolieren und beauftragte den damaligen Chefdesigner Ian Callum (dem wenige Jahre zuvor mit dem DB7 bei Aston Martin ein großer Wurf gelungen war), einen würdigen E-Type-Nachfahren zu erschaffen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Mit dem neuen F-Type gab es endlich wieder ein Auto in der Produktpalette der Briten, das den Namen Sportwagen wirklich verdiente und mit seinen schlanken Proportionen an das Design und die Dynamik des E-Type anknüpfte.
Auch das heutige neue Modell orientiert sich am klassischen „Lange Schnauze und knackiges Heck“-Look des legendären Urahns. Im Vergleich zum direkten Vorgänger sind jedoch die Scheinwerfer einen Tick schlanker und der Grill einen Tick größer geworden – was das Auto insgesamt noch mal deutlich aggressiver erscheinen lässt. Die Rückansicht hingegen ist eleganter geworden: Der bullig wirkende fest montierte Heckspoiler beim V8 musste einem elektrisch ausfahr-baren Exemplar weichen. Noch moderner wird es im Innenraum: Ein frei konfigurierbarer 12,3-Zoll-Monitor hinter dem Lenkrad sowie ein Touchscreen in der Mitte – inklusive aller heutzutage üblichen Connectivity-Standards und Over-the-air-Update Möglichkeiten – katapultieren den F-Type ins moderne Digitalzeitalter.
Doch kommen wir zum Wesentlichen: dem Motor. Drückt man zum ersten Mal den Start/Stopp-Knopf in der Mittelkonsole des Wagens, fühlt es sich zunächst an, als würde man seinen Kopf zwischen die Zähne einer brüllenden Großkatze stecken. Der Motor heult mit einem derartigen Getöse auf, dass man sich unwillkürlich umsieht – in der Erwartung, überall die entnervten oder vielleicht auch respektvollen Blicke der Menschen in der Umgebung auf sich zu ziehen. Wie einer der Ingenieure später erzählt, war dies wohl ein häufiges Problem, insbesondere unter Nachbarn von F-Type-Besitzern. Aus diesem Grund spendierte man dem neuen Modell auch eine sogenannte Quiet-Start-Funktion. Einmal aktiviert, sorgt sie dafür, dass die elektronisch gesteuerten Bypass-Ventile des hinteren Schalldämpfers beim Start geschlossen bleiben und sich erst ab einer gewissen Geschwindigkeit automatisch öffnen. Das Kätzchen kann also auch ganz leise losschnurren.
Zumindest so lange, bis man das Pedal rechts unten durchdrückt. Dann beschleunigen nämlich die acht Brennkammern unter lautstarkem Fauchen, Knurren und Sprotzen in satten 3,7 Sekunden auf Tempo 100, während sich das Gesicht des Fahrers unwillkürlich in das einer Dauergrinsekatze verwandelt. Schluss ist erst bei einer elektronisch limitierten Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h, aber auf den engen Serpentinen der N222 kratzen wir ohnehin nur selten an der 200er-Marke. Zu bemängeln bleibt nur, dass für einen Motor mit Kompressor das maximale Drehmoment (700 Newtonmeter) erst relativ spät bei 3500 Umdrehungen erreicht wird. Zum Vergleich: Die gleiche Beschleunigung holt die Konkurrenz aus Zuffenhausen aus einem 125 PS schwächeren 911 Carrera S auch heraus, denn hier erreicht man das maximale Drehmoment von 540 Newtonmeter bereits bei 2300 Umdrehungen.
Doch die Vorzüge des Jaguar liegen ohnehin mehr in den Kurven als in der Geraden. Dank der steifen Aluminiumkonstruktion, der flüssigen 8-Gang-Automatik und dem überarbeiteten Fahrwerk liegt der F-Type nahezu perfekt auf der Straße. Selbst als wir auf einem leicht nassen Streckenabschnitt probehalber das elektronische Stabilititätsprogramm (ESP) ausschalten, krallen sich die Reifen des Jaguar, seinem Allradantrieb sei Dank, in den Asphalt wie Spikes ins Eis eines zugefrorenen Sees. Der Anschub mit allen vier Rädern ist allerdings nur den V8-Modellen vorbehalten (beim 450-PS-Modell optional, beim 575-PS-Modell ausschließlich). Wer den günstigen Vierzylinder wählt, muss sich mit Heckantrieb begnügen.
Am Ende muss man festhalten: Der F-Type ist wie schon sein Vorgänger das, was man im Englischen als Driver’s Car bezeichnet. Also ein Auto, das niemand benutzt, um von A nach B zu kommen, sondern eines, das auf der Rennstrecke oder einer kurvigen Landstraße ausgefahren werden will. Damit steht der F-Type eindeutig in der Tradition seines legendären Urahns, des E-Type. Ein Jaguar ist eben per Definition ein Raubtier, das jagen will.
Unser Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.
Geschwindigkeit
300 km/h
Leistung
575 PS
Drehmoment
700 NM
0–100 km/h
3,7 Sekunden
Hubraum
5000 ccm
Gewicht (DIN)
1743 kg
Preis
125.600 Euro
Alle Artikel