Früher war alles besser. War früher alles besser? Oder eben nur früher? Soviel steht fest: Unsere Autos sind über die Jahrzehnte immer fetter geworden. Und sie werden noch immer immer fetter. Warum eigentlich? Zeit für eine kleine Tirade.

Fett­sucht, die – Substantiv, feminin, übermäßige Vermehrung oder Bildung von Fettgewebe; krankhafte Fettleibigkeit; Adipositas

Neulich wieder im Parkhaus gewesen. Horrorspiel. Einfahrten und Parkplätze sind einfach zu klein geworden für moderne Autos. Denn alles wurde nach uralten Bauvorschriften angelegt. Als Autos einfach viel kleiner waren. Wer je versucht hat, mit einem Porsche Panamera oder einem Range Rover woanders einzuparken als auf der heimischen Kiesauffahrt, der weiß, was ich meine. Oder Aussteigen aus einem Peugeot RCZ. In einer normalen, mitteleuropäischen Parklücke kaum möglich. Das Ding hat Türen, die sind länger als das ganze Auto.

Fetter ist das neue Besser

Warum muss alles immer größer, dicker, breiter, höher, länger werden? Klar, die modernen Sicherheitsvorschriften, ich kenne die Argumente. Selbstverständlich würde ein 70er-Jahre-Golf nicht mehr den neuen Standards genügen. Natürlich wären sämtliche Dachholme zu spargelig, die Türen zu dünn (Seitenaufprallschutz, ja ja). Und überhaupt: kein Platz für all die Airbags. Ja doch, ich weiß. Trotzdem.

Vergleichen wir nur mal: Ein moderner Golf ist einen halben Meter (!) länger als einer aus dem Jahr 1974. Und zwanzig Zentimeter (!) breiter. Aber der Innenraum fühlt sich kleiner an als früher. Wie kommt das? Und wollen wir das? Der Kofferraum ist gerade mal 60 Liter größer als damals. Schwache Leistung.

Man müsste doch annehmen, dass bei all der äußeren Fettleibigkeit auch drinnen ein bisschen was davon ankommt. Ist das zuviel verlangt?

Nehmen wir den Dodge Charger. Früher war das mal ein cooles Muscle-Car, heute ist es ein viertüriges Limousinen-Monster. Keine Spur mehr vom coolen Auftritt, von Hollywood-Glamour gar. Unvergessen die Verfolgungsjagd 1968 im Film „Bullitt“ mit Steve McQueen.

 

Heute wäre das undenkbar. Wer heute sagt, der fährt ’nen Charger, der kann Bullitt gleich fahren lassen.

Dann der Chevrolet Camaro. Auch so ein Kandidat. Früher flach und breit und cool wie die Sau, heute der fiese Riese aus einer anderen Welt. Seine Schulterlinie ist so hoch wie eine Ankleidekommode. Wenn man drin sitzt, schaut gerade mal der Kopf raus. Kann sich irgendjemand vorstellen, damit nach Las Vegas zu reiten, die Sonne putzen? Immerhin: Der Camaro ist ein Zweitürer geblieben. Rettet aber auch nichts.

 

Oder Mini: Aus dem einstigen Raum-Wunder ist ein raumgreifender, von den Ausmaßen her ganz normaler Kompaktwagen geworden. It-Girls und solche, die es gern wären, finden ihn cool. Das allein muss uns schon zu denken geben, Jungs. Immerhin: Die Werbung hat was. Aber der Film "Italian Job" war im Original eben auch viel schöner als die Kopie. Oder gar die Kopie von der Kopie.

Und vom VW Beetle will ich hier gar nicht sprechen. Was ist nur aus dem guten, alten Käfer geworden!

 

Auch vor Italien macht der fiese Trend nicht halt. Der Maserati Ghibli etwa. Das war mal ein elegantes Coupé, zierlich fast, und doch imposant. Zwei Türen, einfach schick. Leider nur bis 1973. Und heute? Der aktuelle Ghibli (die zweite Wiedergeburt nach einem Comeback 1992-1997) wird seit 2013 ebenfalls als Viertürer gebaut. Aber halt, werden Sie sagen, warum denn nicht? Eine Limousine hatte Maserati ja eh schon im Programm, den Quattroporte. Elegant sogar. Und auch der viertürige Ghibli ist ziemlich elegant. Aber die Frage ist doch: Warum müssen sie ihm diesen klagvollen, historisch aufgeladenen Namen geben. Darf das alte, das schöne, das graziöse Coupé nicht in Frieden ruhen? Gibt es keine anderen Winde mehr, nach denen man den Neuen benennen könnte?

Fiat 500 – Platz für zwölf Personen!

Bleiben wir in Italien. Fiat 500 – vielleicht das fieseste Beispiel von allen. Geboren als kultige Asphaltblase mit minimalsten Ausmaßen. Keiner flitzte besser durch die engen Gassen italienischer Städte. Und heute: ein aufgeblasener Pseudo-Kleinwagen, und das schon in der Standardversion. Manche sagen, er fahre sich, verglichen mit dem Uropa, wie ein Rolls-Royce. Und als ob das nicht genug wäre, gibt es noch unsägliche Auswüchse wie die Modellvariante 500 L. Ein Bus! Für zwölf Personen! Ein Trauerspiel. Dass dieses Riesenviech den Namen Fiat 500 tragen darf, dafür sollte man in Turin irgendjemanden mit Tiefkühlpizza steinigen. Oder nein, mästen!

So, genug geschnaubt. Ich steige jetzt in meinen Lincoln Continental. Der kann nicht mehr fetter werden.