Als wir am Starttag der Mille Miglia durch die Straßen von Brescia laufen, hat man das Gefühl durch ein Oldtimermuseum zu spazieren. Überall in der Innenstadt parken historische Modelle der Marken Porsche, Ferrari, Maserati, Alfa Romeo, Fiat oder Lancia – 300 SL Flügeltürer oder Raritäten von bereits ausgestorbenen Marken wie OSCA, Cisitalia oder UM stehen hier gefühlt an jeder Ecke. Genauso prominent wie die Autos selbst sind teilweise auch ihre Fahrer.
Allen voran Karl-Friedrich Scheufele, der als Eigentümer des Genfer Uhren- und Schmuckhauses Chopard (das gleichzeitig Hauptsponsor der Veranstaltung ist), bereits seine 30 Mille Miglia mitfährt. Aber auch Hollywood Schauspieler Scott Eastwood, der Sohn der gleichnamigen Schauspiellegende, nimmt an dem Rennen im Porsche 550 Spyder teil, begleitet von dem französischen Rennfahrer Romain Dumas.
Übrigens das gleiche Auto, in dem 1955 James Dean verunglückte. Der australische Designer Marc Newson fuhr in einem Ferrari 857S mit, Porsche Sammler und Stilikone Magnus Walker im schwarzen 300 SL Flügeltürer.
Das Originalrennen in den Jahren 1927 bis 1957 ging übrigens über zirka 1600 Kilometer, daher auch die Bezeichnung Mille Miglia, also tausend Meilen. Damals ging es noch darum, wer die Strecke von Brescia nach Rom und wieder zurück so schnell wie möglich bewältigen konnte. Bereits beim ersten Rennen erzielte der Italiener Ferdinando Minoia eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 77 Kilometer, drei Jahre später lag diese bereits um die 100 km/h. Als absoluter Rekordhalter gilt jedoch nach wie vor der britische Rennfahrer Stirling Moss, der die tausend Meilen in einem Mercedes-Benz 300 SLR in gerade mal 10 Stunden, 7 Minuten und 48 Sekunden absolvierte, mit Höchstgeschwindigkeiten von 290 km/h und einem Schnitt von halsbrecherischen 157,650 km/h. Und das bei fließendem Verkehr. Als es jedoch zwei Jahre später bei einem Unfall, verursacht durch den spanischen Fahrer Alfonso de Portago, elf Personen ums Leben kamen, wurde die Mille Miglia in ihrer damaligen Form eingestellt.
Erst 1977, also 20 Jahre später, wurde das Rennen als klassische Oldtimer-Rallye wiederbelebt. Heute geht es daher nicht mehr um Höchstgeschwindigkeiten, sondern vielmehr um den Spaß am Oldtimer-Fahren entlang der historischen Route. Nicht der schnellste Fahrer gewinnt daher die Rallye, sondern derjenige, der in insgesamt 112 Gleichmäßigkeitsprüfungen bewiesen hat, dass er besonders präzise mit seinem Fahrzeug umgehen kann. Navigationssysteme sind verpönt, allein das so genannte Road Book für die vier Tage, in dem alle Abzweigungen der Route, aber auch Prüfungen und Zwischenstopps verzeichnet sind, ist zwei Telefonbücher stark.
Teilnehmen kann jedoch nicht jeder. Dabei ist die Anmeldegebühr von 8000 Euro (plus Steuer) noch das geringste Problem. Der Betrag ist im Grunde sogar günstig, beinhaltet er nicht nur sämtliche Übernachtungen für zwei Personen an allen Wegpunkten, sondern auch eine exklusiv nur für die Teilnehmer erhältliche Armbanduhr, eine Mille Miglia Competitor’s Edition von Chopard. Diese entspricht sie bis auf eine spezielle Gravur auf der Rückseite einer Mille Miglia 2019 Race Edition, die im Handel bei einer Auflage von 1000 Stück für 6.800 Euro erhältlich ist.
Die viel größere Hürde bei der Teilnahme ist jedoch, das richtige Auto zur Verfügung zu haben. Teilnehmen dürfen nämlich nur Oldtimer aus den Baujahren 1927 bis 1957, deren genauer Fahrzeugtyp auch schon bei einem Rennen der Original Mille Miglia dabei war. Automobile, die diese Bedingungen erfüllen, kosten mindestens 300.000 Euro, liegen aber in der Regel eher jenseits der Eine-Million-Euro-Grenze.
Manche Fahrzeuge wie ein Bentley Blower oder Mercedes 300 SL Flügeltürer, noch einmal deutlich darüber. Trotzdem bewerben sich jedes Jahr um die 1500 Fahrerteams auf die 430 Plätze. Doch wer einen der heiß begehrten Plätze ergattert, kann insbesondere beim Start und in den größeren Städten im Verlauf der Route das Bad in der Menge genießen. Denn es gibt keine geeignetere Veranstaltung weltweit, bei der man seinen Porsche 356, Bugatti Typ 37 oder Jaguar XK 120 besser präsentieren kann.
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