"In den Vorständen der Unternehmen hat sich noch nicht so viel getan in Sachen weibliche Präsenz. Neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das nach wie vor auch eine Kulturfrage."

Credit: Playboy Deutschland

Tina Müller gibt dem Playboy ihr letztes Interview als Opel-Marketing-Chefin. Die Top-Managerin wechselt zum 1. November als Chefin zur Parfümeriekette Douglas. Ein Gespräch über Sexiness bei Autos, Umparken im Kopf und warum Frauen in der Automobilbranche noch immer unterrepräsentiert sind.

Playboy: Herzlichen Glückwunsch zum Titel „Auto der Vernunft 2017“ in der Kategorie SUV für den Mokka X! Haben Sie sich gefreut?

Tina Müller: Ja, sehr. Mich würde es aber noch mehr freuen, wenn er auch noch zum sexiesten Auto gekürt worden wäre.

Ist Sexiness beim Auto nicht das Gegenteil von Vernunft?

Ich glaube, beim Autokauf sind das genau die beiden Pole. Man wird erst mal emotional angesprochen, aber dann fängt man natürlich an zu denken und zu rechnen.

Wie sähe das ideale Auto heute aus, das beide Kriterien erfüllt?

Das sehen wir im Moment am Trend zum stylisheren SUV: Man will das SUV-Gefühl haben, dieses Freiheitsgefühl in einem Auto, mit dem ich auch einfach querfeldein fahren könnte, in dem ich etwas höher sitze. Aber in der Stadt möchte man zugleich auch ein wendiges, sparsames und nicht zu großes Auto, mit dem man gut in Parkplätze reinkommt.

Fährt man mit solchen Kompromiss-SUVs den Besserverdiener-Marken nicht hinterher?

Nein, der Mokka X und der Adam haben mit über 50 Prozent der verkauften Neuwagen die höchste Eroberungsquote in unserem Portfolio. Und dazugekommen sind erst kürzlich der Crossland X sowie der Grandland X, der kürzlich auf der IAA seine Weltpremiere gefeiert hat. Das sind die Autos, die die meisten Kunden von anderen Marken abziehen und auf Opel umsteigen lassen.

Credit: Opel AG

Gemäß Ihrem neuen Slogan „Die Zukunft gehört allen“ will Opel ja neue Trends und Technologien für die breite Masse erschwinglich machen. Bleibt es nach der Übernahme durch den PSA-Konzern bei dieser Positionierung?

Ja, bleibt es. Da gibt es auch gar keine Diskussion. PSA hat immer deutlich gemacht, dass wir eine eigenständige Marke mit eigener Positionierung bleiben. Und der neue Claim steht einfach hervorragend für das, was Opel ausmacht. Opel war immer schon dafür bekannt, Innovationen zu demokratisieren, also allen zugänglich zu machen. Opel hat schon sehr früh neue Technologien in der breiten Masse eingeführt, ob das der Katalysator war, der Airbag oder die Klimaanlage. Wir haben diesen Weg in den letzten Jahren fortgeführt und zum Beispiel in unserem Astra das erste LED-Matrixlicht in der Kompaktklasse eingeführt. Und wir haben mit unserem Online- und Service-Assistenten „OnStar“ in unserem Segment das erste umfassende digitale Assistenzsystem eingeführt. „OnStar“ beinhaltet sogar einen Concierge-Service, den es normalerweise nur in der Luxusklasse gibt. Das alles bringt „Die Zukunft gehört allen“ zum Ausdruck. Und ganz wichtig: Wir sind nach wie vor deutsch, und wir betonen auch ganz offensiv unsere Herkunft. PSA-Chef Carlos Tavares nennt das übrigens sehr charmant „Germanitude“.

"Wir sind nach wie vor deutsch, und wir betonen auch ganz offensiv unsere Herkunft"

Sie sind vor vier Jahren mit dem Slogan „Umparken im Kopf“ angetreten. Woran können Sie festmachen, dass Opel jetzt imagemäßig auf einem anderen Parkdeck steht?

Wir messen tagesaktuell die Veränderungen. Gerade auch im Vergleich zum Wettbewerb sieht man sehr schön, dass die soziale Akzeptanz der Marke wieder sehr stark zugenommen hat. Dafür stehen auch unsere Innovationen. Wir rücken bei jedem neuen Modell eine Kerntechnologie in den Vordergrund, aktuell ist das beim Crossland X die 360-Grad-Rückfahrkamera. War vor vier Jahren zwischen uns und unseren Konkurrenten ein teilweise doch signifikanter Abstand – und zwar eigentlich bei jeder Eigenschaft eines Autos –, so zeigen die neuesten Ergebnisse der Marktforschung, dass wir bei den Image-Items riesige Schritte gemacht haben.

Credit: Opel AG

Welche Rolle spielt das Design?

Design ist der emotionale Kauffaktor. Man darf auch nicht vergessen: Wir sprechen beim Neuwagenkauf noch immer über eine Zielgruppe, die im Durchschnitt 52 Jahre alt ist. Diese Menschen haben einen guten Teil des Lebens bereits hinter sich und wissen auch ziemlich gut, was sie wollen. Und es sind immer noch die Männer, die den Autokauf dominieren. Da spielt der Zugang zum Auto über ein sportliches oder formschönes Design immer noch eine entscheidende Rolle.

"Wir sind keine Luxusmarke. Wir sind eine Marke, die allen gehört"

Vor 50 Jahren hat Opel mit dem GT ein legendäres Sportcoupé entwickelt. Fehlt nicht genau solch ein Männerauto in der aktuellen Modellpalette?

Natürlich würde ein Sportwagen das Image der Marke weiter stärken. Andererseits wäre es auch ein bisschen tradiert. Heute entwickelt sich vor allem das SUV-Segment. Viele, die gestern in einem Sportwagen saßen, sitzen heute in einem SUV. Außerdem: Wir sind keine Luxusmarke. Wir sind eine Marke, die allen gehört, eine demokratische Marke, und da ist das Geld im Moment besser in anderen Segmenten investiert. Wenn ich dann noch Geld übrig hätte, würde ich es natürlich gern auch in so einen schicken GT stecken (lacht).

Credit: Opel AG

Ist das also eine Absage an den Sportwagen?

Nein, der nächste Opel-Sportwagen heißt Insignia GSI und wurde im September auf der IAA vorgestellt. Die sportlichste Version unseres Flaggschiffs ist wirklich ein Kracher, der auf der Nordschleife sogar den leistungsstärkeren Vorgänger Insignia OPC klar hinter sich lässt.

Opel Insignia GSI

Mit dem Ampera-e halten Sie im Vernunft-Segment der Elektroautos mit mehr als 500 Kilometer Reichweite pro Batterieladung einen Rekord: Aber sexy ist natürlich was anderes . . .

Das Fahrgefühl im Ampera-e! Sie drücken aufs Pedal, und das ist ein bisschen wie Autoscooter-Fahren. Es geht sofort ab – in gut sieben Sekunden ist der Ampera-e bei Tempo 100. Er hat uns technologisch einen Vorsprung in diesem neuen Markt verschafft. Das ist ein Riesenvorteil.

Credit: Opel AG

Sind Sie eigentlich eher eine gemütliche Fahrerin oder eher eine sportliche?

Ich mag es schon gern sportlich, passe aber natürlich auf, dass ich es nicht übertreibe – auch um das Punktekonto in Flensburg nicht zu strapazieren . . .

Wie viele Punkte sind es momentan?

Nicht mehr viele, ich diszipliniere mich streng. Ein, zwei Pünktchen dürften es mittlerweile noch sein.

"Bei der weiblichen Präsenz muss sich noch einiges tun"

Spüren Sie nach vier Jahren in der Opel-Geschäftsführung noch Vorbehalte als Frau in einer männer-dominierten Branche?

In den Vorständen der Unternehmen hat sich tatsächlich noch nicht so viel getan in Sachen weibliche Präsenz. Neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das sicher nach wie vor auch eine Kulturfrage. Und das ist in der Automobilindustrie vielleicht noch etwas stärker ausgeprägt als in anderen Branchen. Da muss sich noch einiges tun.

Sie sind es gewohnt, beruflich am Steuer zu sitzen. Sind Sie im Auto ein guter Beifahrer?

Nein, ein ganz schlechter! Das liegt aber auch daran, dass viele, mit denen ich Auto fahre, sich in modernen Autos nicht besonders gut auskennen. Es gibt ja heute so viele Assistenzsysteme. Ich habe da natürlich einen Wissensvorsprung.

Braucht man ein Studium, um moderne Autos bewegen zu können?

Nein, man braucht ein paar gute How-to-Videos (lacht). Aber es stimmt: Wenn man sieht, welche Ausstattungsmerkmale heute ein Auto hat, dann ist das schon im Vergleich zu früher eine andere Welt.

Es heißt ja, Männer könnten besser einparken. Was können Frauen besser beim Autofahren?

Auto fahren und sich gleichzeitig die Lippen schminken (lacht).