Als Mazda 1989 den MX-5 vorstellt, fährt kaum noch jemand offene Zweisitzer - eher Peugeot 205 Cabrio oder Golf I Cabrio mit Überrollbügel, Spitzname „Erdbeerkörbchen“. Sex-Appeal? Fehlanzeige. Bis der kleine Japaner kommt: Für nur 35.500 DM, damals knapp 10.000 Mark weniger als für ein BMW-320i- Cabrio, bietet Mazda einen Roadster an, mit dem man über gewundene Bergstraßen brettern kann und - viel wichtiger - danach vor der Gelateria gewaltig Eindruck hinterlässt. Das Konzept geht auf: Bis heute wurden etwa 950.000 Exemplare verkauft - mehr als von jedem anderen Sportwagen. BMW Z3, Mercedes SLK und Audi TT kamen erst später. 26 Jahre danach steht die vierte Generation in den Startlöchern. Mit einem brandneuen Vorserienmodell fuhren wir zum Gardasee, um im Vergleichstest mit dem Ur-MX-5 dem Roadster-Kult auf den Grund zu gehen.
Video: Das große MX-5-Duell
RUNDE 1: STIL
» 1990: Da steht es und blickt mich aus zwei Klappscheinwerfern an: das Auto, das in den Neunzigern einen wahren Oben-ohne-Hype auslöste. Lange Motorhaube, kurzes Heck, enges Cockpit mit Stoffverdeck - ein Roadster wie aus dem Bilderbuch. Der Innenraum ist puristisch, luxuriöse Spielereien sucht man hier vergebens. Die elektrischen Fensterheber in der Mittelkonsole sind schon das höchste der Gefühle. Doch genau diese lässige Schlichtheit macht den zeitlosen Charme der Roadster-Ikone aus. Und ihrem Augenaufschlag kann niemand widerstehen. Dieses Auto ist einfach Kult.
» 2015: Eine zeitlose Form wie die des MX-5 zu modernisieren ist keine leichte Aufgabe. Mazda-Chefdesigner Ikua Maeda hat sich jetzt erstmals von der alten Formensprache entfernt. Der neue MX-5 wirkt frischer, die bullige Coke-Bottle-Silhouette fast italienisch - aber auch ein bisschen austauschbar. Ein Passant, selbst MX-5-Fahrer, der unseren Testwagen begutachtet, glaubt in den Heckleuchten gar den Jaguar F-Type und in den Lüftungsdüsen den Audi TT wiederzuerkennen. Trotzdem: Das zeitgemäß muskulöse Design dürfte vielen Neukunden gefallen. MX-5-Puristen der ersten Stunde müssen eben umdenken.
FAZIT: Manche Dinge kann man einfach nicht mehr verbessern - der Neue schlägt sich aber recht tapfer. 1 : 0
RUNDE 2: SPASS
» 1990: Fühlt man sich in der geschlossenen Version noch leicht klaustrophobisch, ist das Cabrio-Feeling bei offenem Verdeck umso genialer. In nur etwa zehn Sekunden sitzt man im Freien: zwei Schnappverschlüsse entriegeln, das Verdeck nach hinten werfen, das war’s. Windschott? Wer braucht so was. Ist sowieso viel cooler ohne. Hier kommt man zumindest noch in den Genuss, sich den Fahrtwind durch die Haare wehen zu lassen. Bei höherem Tempo wird das zwar zu einer extrem luftigen Angelegenheit - aber auch das tut dem Fahrspaß im alten MX-5 keinen Abbruch.
» 2015: Als wir an einer Kirchenbaustelle vorbeicruisen, stellen die Handwerker ihre Arbeit an der Marienstatue ein und pfeifen. Nicht für den neuen MX-5, sondern für meine Kollegin. Wenn eine Blondine im Cabrio durch ein italienisches Dorf fährt, ist es egal, in welchem heißen Ofen du nachkommst. Okay, mein Verdeck ist auch geschlossen. Denn was die Kollegin als beengend empfindet, macht im neuen MX-5 richtig Laune: ein eng auf den Fahrer zugeschnittener Cockpit-Kokon ohne Schnörkel. So muss ein Roadster sein. Und das Verdeck? In fünf Sekunden auf, in fünf Sekunden zu. Einhändig. Passt.
FAZIT: Der Alte punktet mit seinem Kultstatus, den der kleine Bruder gekonnt in die Gegenwart übersetzt. 1 : 1
RUNDE 3: SPORT
» 1990: Ein Kraftprotz ist der Youngtimer nicht - doch mit seinem soliden Vierzylinder muss er sich auch nicht verstecken. Dank des niedrigen Gewichts und der kompakten Karosserie fährt er sich sehr direkt und sportlich. In engen Kurven punktet er zudem mit einer präzisen Lenkung. Kleines Manko: Die Federung ist relativ hart, und die 5-Gang-Schaltung könnte geschmeidiger sein. Was den Sound angeht, setzt er auch eher auf Understatement. Aber Eros Ramazzottis Samtstimme aus dem Radio passt eh viel besser zum Gardasee-Feeling als ein protzig aufheulender Motor.
» 2015: Auf dem Papier wirkt der MX-5 brav. Doch in der Praxis holt der Mazda aus seinen Leistungsdaten jede Menge Fahrspaß - und das ohne viel Elektronik: Er ist 100 Kilo leichter als sein Vorgänger, der Motor liegt zur besseren Balance hinter der Vorderachse, und die Karosserie ist sechs Zentimeter kürzer als beim Urmodell. In den engen Kurvenausfahrten um den Gardasee bringt das zusammen mit der knackigen 6-Gang-Schaltung genug Bums für gelegentliche Beschleunigungsorgien. Nette Spielerei: Beim Zünden geht der Motor ein paar Umdrehungen höher, als er müsste. Klingt gut, besonders vorm EiscafØ.
FAZIT: Dass der Neue 25 Jahre jünger ist als sein großer Bruder, spürt man in jeder Kurve - ein klarer Vorteil. 0 : 1
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