Um die Weiten Afrikas zu erkunden, gibt es kein passenderes Fahrzeug als den Land Rover Defender. Schon Ernest Hemingway ging damit hier auf Großwildjagd. Kein Wunder. Wegen seiner Robustheit und einfachen Wartung hatte sich der Defender, 1948 als Fahrzeug für die Landwirtschaft konzipiert, schon zu Beginn seines 68-jährigen Produktionszeitraums zu Afrikas beliebtestem Geländewagen entwickelt.
Weder Felsen, Sand noch hohe Temperaturen konnten ihm etwas anhaben. Er schien, 1973 besungen von Paul McCartney im Song „Helen Wheels“, als Maschine wie Legende unsterblich zu sein. Doch gegen einen Widersacher hatte er am Ende keine Chance: die moderne europäische Bürokratie. Im Jahr 2016 wurde die Produktion des Dinosauriers eingestellt, weil seine brachiale Form nicht mehr den aktuellen EU-Richtlinien zum Thema Fußgängerschutz entsprach.
Eine Legende am Ende? Nein, vier Jahre später folgt jetzt die Fortsetzung. Land Rover präsentiert einen Nachfolger. Und wir blättern ein neues Kapitel auf mit der spannenden Frage: Kann der Neue mit seinem legendären Vorfahren mithalten? Um das herauszufinden, begeben wir uns auf eine Expedition in den Nordwesten Namibias.
Zusammen mit einer Handvoll anderer Journalisten und einigen Mitarbeitern von Land Rover werden wir über 800 Kilometer querfeldein durch das afrikanische Land fahren – von Opuwo über den Van Zyl’s Pass zur Skeleton Coast und wieder zurück. In drei Etappen wollen wir herausfinden, wie gut der Neuling mit steilen Felsen, Sand, Matsch und Wasserdurchfahrten zurechtkommt.
Mit einer Höhe und Breite von jeweils zirka zwei Metern erinnert er an die legendäre Brotkasten-Silhouette seines Vorgängers. Allerdings mit deutlich runderen Formen – eine Verwandtschaft mit seinem Brudermodell Discovery ist nicht zu leugnen. Nostalgiker werden die harte Kante des Vorfahren vermissen, alle anderen dagegen, insbesondere Fußgänger, dürften dem neuen Design wohlwollender gegenüberstehen.
Richtig ungewohnt ist im Grunde nur der Blick in den Innenraum: Hier dominieren Touchscreen-Displays, digitale Tachos und USB-Anschlüsse. Mit einem Wasserschlauch ausspritzen lässt er sich aber trotzdem noch – zumindest wenn man die richtigen Ausstattungsoptionen geordert hat.
Unsere erste Etappe starten wir in einem Defender 110 D240 – also der Diesel-Variante mit langem Radstand und 240 PS. Die erste Herausforderung: der Van Zyl’s Pass, benannt nach einem holländischen Forscher, der Namibias steilsten Passweg in den 1920er-Jahren in einem Ford Model T und mit der Hilfe von rund 100 Einheimischen des Himba-Stammes meisterte. Fitzcarraldo auf afrikanisch. Mit Steigungswinkeln von bis zu 35 Grad und einem Höhenunterschied von 600 Metern gilt er als der anspruchsvollste Pass weit und breit, seine Fahrbahnoberfläche besteht hauptsächlich aus losem Geröll, tiefen Löchern und bisweilen medizinballgroßen Felsbrocken.
Ich schalte in den Modus „Rock Crawl“, aktiviere das Untersetzungsgetriebe und hebe mithilfe der Luftfederung die Karosserie auf das Maximum von 291 Millimeter Bodenfreiheit an. Vorsichtig manövriere ich das Fahrzeug in Schrittgeschwindigkeit an Steinen und tiefen Löchern vorbei. Immer wieder schaltet sich im Hintergrund ohne mein Zutun bei besonders kniffligen Situationen das elektronische Sperrdifferenzial in der Mitte und auf der Hinterachse hinzu, sodass ich selbst als ungeübter Offroad-Fahrer die harte Steinpiste wie ein Profi meistere. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Alle paar Kilometer sehe ich an den Abhängen links und rechts von uns Überreste anderer Fahrzeuge, die den Van Zyl’s Pass nicht überlebt haben. Zweieinhalb Stunden brauchen wir für gerade einmal zwölf Kilometer.
Die zweite Etappe am nächsten Tag führt uns durch eine weitläufige Stein- und Sandwüstenlandschaft. Wer den Film „Mad Max: Fury Road“ gesehen hat, weiß, wovon ich spreche. Große Teile des Films wurden hier gedreht. Damit auch bei uns ein bisschen Mad-Max-Feeling aufkommt, wechseln wir in den Defender 110 P400, den mit 400 PS am stärksten motorisierten Benziner in der neuen Defender-Familie (insgesamt gibt es zwei verschiedene Fahrzeuggrößen sowie vier unterschiedliche Motoren). Trotz seiner 2,3 Tonnen schafft der Koloss damit den Sprint auf 100 km/h in 6,1 Sekunden bei einem maximalen Drehmoment von 550 Newtonmetern und einer Höchstgeschwindigkeit von 191 km/h (mit speziellen 22-Zoll Felgen sind sogar 208 km/h drin).
Als ich gerade die 150 km/h erreiche, lässt ein lauter Knall mich hochschrecken. Hat jemand auf uns geschossen? In Gedanken bin ich wohl noch bei Mad Max, doch es ist nur der vordere linke Reifen geplatzt. Nach einem Reifenwechsel setzen wir unsere Reise fort. Dann 15 Minuten später noch ein Knall. Dieses Mal hat es den linken hinteren Reifen erwischt, zum Glück haben wir einen zweiten Ersatzreifen auf dem Dach. Trotzdem wird mir ein bisschen mulmig. Wenn jetzt noch ein Reifen platzt, wird es langsam eng.
Ich fahre vorsichtiger, und nach einer halben Stunde verändert sich die Stein- in eine Sandwüstenlandschaft. Ich schalte in den Modus „Sand“ und drifte sanft wie in einem Luftkissenboot über die Dünen. Das Fahren auf Sand fühlt sich ein bisschen wie Tiefschneefahren an. Wobei die wichtigste Regel lautet: Niemals bergauf sein Momentum verlieren. Sonst heißt es aussteigen und mit der Schaufel die Reifen freibuddeln.
Die dritte und letzte Etappe führt uns durch die Namib-Wüste an die im Osten des Landes gelegene Skeleton Coast. Ein Name, der von den über 1000 Wracks jener Schiffe stammt, die hier im Lauf der Zeit gestrandet sind. In einem halb ausgetrockneten Flussbett wollen wir den Wagen auf seine Matsch- und Wassertauglichkeit testen. Auch ein Defender kann zwar nicht übers Wasser fahren, aber solange es nicht tiefer als 90 Zentimeter ist, kann er es zumindest durchqueren.
Im Modus „Mud“ drifte ich mit knapp 120 km/h durch die tiefen Pfützen des Flussbetts. Alle paar Sekunden muss ich das Heck durch heftiges Gegenlenken wieder einfangen. Aus den Augenwinkeln erkenne ich den einen oder anderen Giraffenhals, der hinter den Büschen am Ufer hervorragt. Strauße, Springböcke und Oryxantilopen machen sich einen Spaß daraus, am sicheren Ufer mit unseren durchs Wasser watenden Defendern um die Wette zu laufen. Dann muss ich plötzlich heftig auf die Bremse steigen. Ein Elefant versperrt den Weg. Sichtlich unbeeindruckt beäugt er unsere Defender, bis er schließlich nach knapp einer Viertelstunde das Interesse verliert und von dannen zieht.
Je weiter wir kommen, desto tiefer wird das Wasser. Bis wir schließlich eine Stelle erreichen, die von einem Ranger unserer Begleiter-Crew als „Test of Courage“, also als Mutprobe, bezeichnet wird: Zwischen zwei hohen Felsen befindet sich eine Art kleiner See. „Du musst an dieser Stelle Vollgas geben, sonst bleibst du mitten im Wasser stecken“, sagt der Begleiter. „Aber pass auf: Durch das hochspritzende Wasser wirst du so gut wie nichts sehen können.“ Etwas nervös atme ich zwei- bis dreimal tief durch, dann trete ich das Gaspedal voll durch. Obwohl der Scheibenwischer auf Maximum steht, sehe ich nach ein paar Sekunden tatsächlich nichts mehr außer Wasser. Trotzdem beschleunige ich weiter in der Hoffnung, nicht wie eines der Schiffe der Skeleton Coast an den Felsen zu zerschellen. Nach zehn Sekunden Blindflug erreiche ich, vollgepumpt mit Adrenalin, die andere Seite der Felsenschlucht. Danach verlassen wir das Flussbett und treten unsere Heimreise zurück zum Startpunkt in Opuwo an.
Spätestens an dieser letzten Station im Härtetest bin ich an meine Grenzen gelangt. Nicht so der Defender. Weder felsige Steigungen noch Sanddünen oder Wasseruntiefen brachten ihn auch nur ein bisschen ins Straucheln. Er ist in jeder Hinsicht ein würdiger Nachfolger des Originals und das perfekte Auto für eine Expedition durch unbekanntes Terrain.
Unser Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.
Geschwindigkeit
191 km/h
Leistung
400 PS
Drehmoment
550 NM
0–100 km/h
6,1 Sekunden
Hubraum
2996 ccm
Gewicht (DIN)
2343 kg
Preis
68.900 Euro
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