Lernen von den Schlauen, Folge 2

Credit: Playboy Deutschland

Er war „nur“ der zweite Mensch auf dem Mond. Seitdem kämpft er um Anerkennung. Ein Gespräch über die Bürde, ein Held zu sein, den Umgang mit Niederlagen und Pinkelpausen auf fernen Himmelskörpern.

Interview: Moritz Aisslinger

20 Minuten nach Neil Armstrong betrat er am 21. Juli 1969 (MEZ) den Mond – und gilt seitdem als ewiger Zweiter. Buzz Aldrin, der Co-Pilot der Apollo-11-Mission, wurde nie der Respekt entgegengebracht, den er verdiente. Am Stigma des Unvollendeten trug er schwer. Doch er kämpfte sich immer wieder zurück.

PLAYBOY: Mr Aldrin, Sie leben ein Leben, das auf zwei Stunden reduziert wird – zwei Stunden, die Sie auf dem Mond verbrachten. Ist es schwer, Buzz Aldrin zu sein?

ALDRIN: Klar ist es hart, wenn sich dein Leben auf einen einzigen Augenblick konzentriert. Was wusste ich schon, als sich mir plötzlich, mit gerade mal 40 Jahren, ein komplett neues Leben auftat?

PLAYBOY: Sie wurden zu einer Legende. Welche Nachteile hat es, der Held einer ganzen Nation zu sein.

ALDRIN: Ich hatte auf einmal keine Privatsphäre mehr. Wenn deine Welt immer gläserner wird, kann das einiges erschweren.

PLAYBOY: Nach Ihrer Rückkehr wurden Sie alkoholabhängig, arbeitslos, ließen sich scheiden. Wie haben Sie es dennoch geschafft, immer wieder aufzustehen?

ALDRIN: Der schlimmste Feind, den du haben kannst, bist immer du selbst. Und du besiegst ihn nur, indem du dir helfen lässt, dir Rat holst und die Menschen um dich herum in dein Leben lässt.

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PLAYBOY: Wären Sie lieber bei einer späteren Mission dabei gewesen?

ALDRIN: Um ganz ehrlich zu sein: Damals sagte ich meiner ersten Frau, dass es wahrscheinlich besser sei, bei einer der folgenden Missionen mitzufliegen. Ich hätte spannendere Aufgaben gehabt und wäre nicht ein solcher Sklave der Öffentlichkeit geworden.

PLAYBOY: Sie waren das einzige Crew-Mitglied von Apollo 11, das öffentlich über seine Ängste und Niederlagen berichtete. Wie kann ein Mann souverän über seine Gefühle sprechen?

ALDRIN: Wir leben in einer Welt des Wettbewerbs, in der viele Menschen versuchen, dem Umfeld ausschließlich ihr Sonnengesicht zu zeigen. Doch Gesichter haben auch Schattenseiten. Wenn ich diese Seiten verberge, bin ich nicht nur unehrlich zu anderen, sondern zugleich mir selbst gegenüber. Deshalb ist es wichtig, aufrichtig zu sein, sodass Freunde und Familie mich als Ganzes kennen lernen können.

PLAYBOY: Ist das die schwerste Aufgabe im Leben eines Mannes – ehrlich zu sein?

ALDRIN: Ich glaube, die größte Herausforderung besteht darin, dazu beizutragen, dir und deiner Familie das bestmögliche Dasein zu ermöglichen mit all den Hindernissen, die dir in den Weg gelegt werden. Es scheint interessant, darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist im Leben. Vielleicht tatsächlich mit deinen Erfahrungen zu helfen, die Welt ein Stück weit besser zu machen.

PLAYBOY: Sie versuchten dies durch die Mondlandung. Dabei wurden Sie mit einer Rakete ins All geschossen, die so viel explosive Stoffe an Bord hatte, dass sie mit der Wucht von einer halben Million Kilo TNT hätte explodieren können – und Ihr Bordcomputer war leistungsschwächer als jedes Handy. Trotzdem hatten Sie einen Puls von nur 100 Schlägen pro Minute. Wie konnten Sie so cool bleiben?

Aldrin: Ich habe meinen Kameraden vertraut. Das genügte.

PLAYBOY: Es heißt, Sie sollten eigentlich als erster Mensch den Mond betreten, doch einige Monate vor dem Start wurde Neil Armstrong dafür auserkoren. Warum ließen Sie ihm den Vortritt?

ALDRIN: Dazu gibt es zahlreiche Gerüchte. Ich glaube nicht, dass, wie oft vermutet, Neil gewählt wurde, weil er nie beim Militär war und ich schon. Neil war einfach der geborene Kommandeur und einer der besten Piloten, den die Nasa je gesehen hat. Worüber man streiten kann, ist die Aufgabenverteilung während unserer Reise. Als Co-Pilot hätte mehr unter meiner Kontrolle sein müssen. Wie dem auch sei, der erste Schritt auf den Mond wurde als ein so bedeutendes Ereignis betrachtet, dass der Kommandeur damit betraut wurde. Rückblickend finde ich es befremdlich, dass alle Welt diesem Schritt so viel Beachtung schenkte statt dem viel wichtigeren Markstein dieser Mission: das Modul auf der Mondoberfläche zu landen. Zudem glaube ich, für Neil wäre es hart gewesen, mich aus dem Fenster zu beobachten, wie ich diesen riesigen Schritt für die Menschheit mache. In Amerika zählt immer nur der erste Platz, für die Zweit- oder Drittplatzierten interessiert sich niemand.

PLAYBOY: Dafür waren Sie der erste Mensch, der auf dem Mond pinkelte. Gutes Gefühl?

ALDRIN: Sehr angenehm. Und wenn man vorsichtig war, ging auch nichts daneben.

PLAYBOY: Für Ihren Trip zum Mond erhielten Sie von der Nasa eine Reisekostenabrechnung von 33,31 Dollar. Ein bisschen knauserig, oder?

ALDRIN: Oh ja, obwohl die Abrechnung nicht ganz ernst gemeint war. Generell finde ich aber, dass wir alle, die wir bei den Raumfahrtprogrammen dabei waren, unverhältnismäßig entschädigt wurden. Genauso ist es mit den Veteranen beim Militär, denen zu wenig Respekt und Anerkennung entgegengebracht wird in Bezug auf die Risiken, die sie auf sich nehmen. Aber so ist das nun mal.