Wenn die vier Motoren die Propeller mit insgesamt 10.000 PS zum Warmlaufen bringen, tritt dichter Rauch aus den Triebwerken. "Das ist normal bei einer alten Dame wie dieser Douglas DC6B", erklärt Philipp Haidbauer, einer der Piloten der Maschine. Und mit alt, meint er richtig alt.
Die DC6B ist Baujahr 1958, das wäre schon für ein Auto ein wirklich stattliches Alter. Flugzeuge, die weit strengeren Sicherheitsvorschriften gerecht werden müssen, werden im Normalfall nach 30 bis 40 Jahren endgültig ausgemustert und verschrottet.
Die Red Bull DC6B war die vorletzte Maschine ihrer Baureihe, die aus dem Douglas-Werk in Long Beach, Kalifornien, vom Band gelaufen ist – und hat eine eindrucksvolle Geschichte zu erzählen. Der jugoslawische Diktator Marschall Josip Broz Tito schaffte sich die Maschine als sein persönliches Präsidentenflugzeug an, um dem Sozialismus die internationale Note zu verleihen, die er im Kalten Krieg so dringend benötigte.
Und was machte man als guter Ostblock-Diktator mit dem Spielzeug (oder den Waffen), das man nicht mehr brauchte? Richtig. Man gab es weiter in die sogenannte Dritte Welt. Zambias Staatschef Kenneth Kaunda machte die DC6B zu seinem Luxusliner und ließ seine VIP-Gäste damit hofieren.
Nachdem auch Kaunda das Interesse an der Propeller-Maschine verlor, fristete sie ein liebloses Dasein auf einem namibischen Flugplatz bis schließlich im Jahr 2000 der Österreicher Siggi Angerer auf das Flugzeug stieß. Angerer war Pilot der Red Bull Fliegerstaffel "Flying Bulls" und flog die DC6B dann nach Salzburg, wo sie von 2001 bis 2004 in Kleinarbeit mühsam restauriert wurde.
Doch die lange Restaurationsphase hat sich gelohnt. Schon beim ersten Schritt in den Flieger versinkt man im zentimeterdicken Teppichboden. Wer so reist, dem geht es nicht darum schnell von A nach B zu kommen –schließlich ist die alte Dame deutlich langsamer unterwegs als ihre neueren Linien-Nachfolger – hier dreht sich alles um Exklusivität.
Auch deshalb wurde die Maschine mit einem komplett neuen Interieur ausgestattet, erhielt neue Motoren und die neuste Bordelektronik. Sie ist seitdem in besserem Zustand als sie es 1958 ab Werk war. Statt ehemals 108 Sitzplätzen, finden heute nur noch privilegierte 35 Passagiere Platz.
Die Chromoptik von außen erinnert an die goldenen Zeiten des Fliegens und wenn man den Innenraum betritt, erwartet man hinter der nächsten Ecke Don Draper mit Whiskey und Zigarette. Rauchen ist aber natürlich strengstens untersagt, wie die zwei hübschen Stewardessen gleich zu Beginn der kurzen Sicherheitseinweisung erklären. Macht nichts, denkt man sich und nippt an seinem Prosecco-Glas, das man sich zuvor an der handgearbeiteten Bar bestellt hat.
Die blaubezogenen Ledersitze sind nicht nur bequemer wie jeder First-Class-Liniensitz, sondern lassen sich auch noch um 360 Grad drehen. Vorbei sind die Zeiten in denen man sich für einen Flirt mit der Sitznachbarin noch den Hals verrenken musste. Die ausladende "Sitzecke" am im Bug des Flugzeugs reicht sogar, um eine ganze Klasse Azubi-Stewardessen um sich zu scharen.
Das Highlight ist aber ohne Frage die Toilette, die auf den ersten Blick als solche überhaupt nicht zu erkennen ist. Muss man doch erst den Sitz hochklappen, um die eigentliche Klobrille zu erkennen. Nirgends kann man dem "Mile-High-Club" leichter und komfortabler beitreten als hier.
Für weitere (und andere) Höhepunkte sorgen dann aber auch die Piloten. In 200 Metern Höhe über die portugiesische Atlantik-Küste fliegen und die Sicht aus dem Cockpit genießen – diese Chance bietet sich nicht alle Tage. Eine halbe Stunde fliegen die Piloten diesen Schlenker als wir auf dem Weg von Salzburg nach Porto sind – zur Feier des Tages, normalerweise fliegt die DC6B nur selten so lange Strecken.
Als wir landen ist die Flughafen-Belegschaft in heller Aufregung. Es gibt keinen Mitarbeiter, der nicht sein Handy im Anschlag hält und dieses Unikat und Relikt aus vergangenen, den großen, Tagen der Luftfahrt, filmt. Der beste Anblick des Tages aber sind die Gesichter der Piloten und Ingenieure, die die DC6B an diesem Tag gelenkt haben. Eine Mischung aus Konzentration und Dauergrinsen: diese Männer leben ihren Kindheitstraum.
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