Vor dem Shop für „Recreational Marihuana“ in Venice, Los Angeles, steht ein Security-Mann mit Waffe im Holster. Drinnen erwartet mich ein Mitarbeiter mit einer Marke am Revers, die aussieht wie ein Sherrifstern, den Kinder an Fasching tragen. Die Räumlichkeiten erinnern an eine Arztpraxis. Als ich frage, ob es hier Gras zum Spaß gibt, sagt der sehr ernst dreinblickende Mann: „Ja, aber dafür bräuchte ich Ihren Ausweiß“. Ich zeige ihm meinen Führerschein. Den kann er nicht annehmen, er braucht den Pass. Habe ich nicht dabei, sage ich. Pech gehabt, sagt der Gras-Sherrif.
Legalisierung nur Symbolcharakter
Marihuana ist in Kalifornien seit Beginn diesen Jahres auch zum Genuss-Konsum legalisiert worden. Medizinisches Cannabis ist seit einem Volksentscheid 1996 erlaubt. Die Rezepte werden mittlerweile für 40 Dollar am Straßenrand ausgestellt und sind nur noch bloße Bürokratie. Jeder der Kiffen will, kann sich ein Rezept holen, ganz ohne Beschwerden. Der Arztpraxen-Vergleich im Cannabis-Store kommt also nicht von Ungefähr. Daher hat die völlige Legalisierung in Kalifornien auch nur Symbolcharakter. Dafür aber im doppelten Sinne. Mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, der in Kalifornien höchst umstritten ist, haben sich die Einwohner in einem Volksentscheid auch für die Legalisierung entschieden. Nun kann jeder über 21 Jahren bis zu 28,3 Gramm Cannabis besitzen.
Bevor ich von diesem Entscheid profitieren kann, muss ich also erstmal zurück ins Hotel meinen Pass holen und schauen, wo die nächste Genuss-Abgabestelle ist. Es gibt nämlich in Los Angeles nur wenige Shops, verglichen mit der Einwohnerzahl. Auf knapp 12 Millionen Einwohner kommen ungefähr 15 Läden, in denen Gras als Genussmittel verkauft wird.
Gras gibt's nur mit Pass
Vor dem nächsten Shop stehen die Kunden schon Schlange. Vor mir steht ein Banker im Anzug, der seinen Feierabend-Vorrat aufstocken will, wie er mir verrät. Als ich an der Reihe bin wird mein Pass eingescannt. „Wir müssen das tun, das ist Gesetz“, erklärt mir die Dame an der Theke. Außerdem sei das ja ganz nützlich, dann wisse ich beim nächsten Mal noch meine Sorte - und der Staat, dass ich kiffe. Sorten gibt es unzählige. Allein in diesem Geschäft um die 30. Es wird grob in Indica, entspannend und schmerzlindernd und Sativa, belebend und kreativitätssteigernd, unterschieden.
Als ich dann von der Rezeption an die Ladentheke selbst gerufen werde, muss ich wieder erst meinen Namen angeben. Im System wird geschaut, ob ich auch angemeldet bin. Bin ich. Also geht die Beratung los. Besser gesagt: Ich sage dem Verkäufer: „Ich rauche gerne Sativa, was kannst du mir empfehlen?“ Er greift wortlos unter die Ladentheke, zieht die teuerste Filmdose mit Gras hervor und lässt mich riechen. Ich bin überzeugt. Der Banker vor mir übrigens auch. Verlässt den Laden frohen Mutes und wird von der Rezeptionistin noch mit den Worten "Bis nächste Woche, Frank" verabschiedet.
Teuer Spaß
Ein Gramm kostet mit Steuern 31 Dollar. Kein Schnäppchen. Daher vielleicht auch die Banker-Klientel. Auch die Billigeren Sorten kosten circa 20 Dollar pro Gramm. Kein Vergleich zu Amsterdam, wo man ab 5 Euro pro Gramm fündig wird. Marihuana ist ein Business an dem der Staat ordentlich mitverdient. Rund eine Milliarde Dollar an Steuereinnahmen bei sieben Milliarden Umsatz erwartet sich Kalifornien von der Legalisierung.
Auch der Shop hat nichts von Hippie-Romantik. Er erinnert eher an ein gut eingerichtetes Schnellrestaurant. Man wird vom einen zum anderen Mitarbeiter gelotst, immer mit einem Zettel in der Hand, auf dem die Bestellung vermerkt ist. Alles geht sehr flott. Cannabis ist in vielen Staaten der USA bereits legalisiert worden. Unter anderem Colorado, Alaska oder Washington. Los Angeles ist dabei aber das attraktivste Ziel für Touristen. Der Amsterdam und Cannabis-Tourismus Vergleich liegt also nahe.
An der Kasse erklärt der Verkäufer, dass das Gras von Lokalen Bauern bezogen wird. Dann packt er meine grüne Filmdose in eine braune Tüte, ähnlich derer, die in den USA auch um die Alkoholflaschen gepackt werden und tackert sie zu. Nicht medizinisches Cannabis darf übrigens auch nicht in der Öffentlichkeit geraucht werden.
Die Cannabis-Kultur in Los Angeles hat mindestens genausoviel Tradition wie die in Amsterdam. Alle Westcoast-Rapper besingen das Cali-Kush. Alle Hip-Hop-Hymnen auf das grüne Kraut haben irgendeinen Bezug zu Los Angeles oder zumindest Kalifornien. Palmen, Strand, Sonne – warum auch nicht, passt ja. Doch der Verkauf ist völlig anders als in Amsterdam. Keine zwielichtigen Shops zwischen Bordellen und Porno-Kinos. Keine Junggesellenabschiede, die den Fehler machen Alkohol und Cannabis zu vermischen und dann die Straßen vollkotzen. Sondern kontrollierte Abgabe aus kontrollierten Quellen (im Gegensatz zu Amsterdam), hohe Preise und – wie ich später merke – beste Qualität.
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