Sie sind so typisch für Kuba wie Fidel Castro, bunte Oldtimer und Mojito. Zugleich aber sind die Habanos, die handgerollten Zigarren aus Havanna und Umgebung, ein weltweit begehrtes Luxusprodukt. Warum eigentlich? Womit haben sie sich ihren Ruf verdient? Wie wird aus einer Tabakpflanze dieses international verstandene Rauchzeichen, das für höchste Ansprüche und eine bestimmte regionale Herkunft steht wie Champagner aus der Champagne oder Uhrwerke aus der Schweiz?
Wir haben uns auf einer kubanischen Tabakplantage und in der Manufaktur der Marke Romeo y Julieta erkundigt – und uns dabei von Tabakbauern, Torcedores sowie den Machern der Schweizer Uhrenmarke Zenith beraten lassen, die hier eine geschichsträchtige Kooperation pflegen. Wenn schon forschen, dann gründlich.
Der Anbau
Wir starten unsere Recherche auf einer Plantage in der traditionellen Anbauregion Partido. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts werden hier Deckblätter für kubanische Zigarren produziert. Es begrüßt uns Aurelio Reyes Santiesteban, er ist Ende 70, hat seine erste Zigarre mit 18 Jahren geraucht und arbeitetet seit Jahrzehnten auf dieser Plantage. Sie liefert Tabakblätter an namhafte Marken wie Cohiba und Romeo y Julieta. Wie er uns erklärt, gibt es zwei unterschiedliche Arten, wie Tabak angebaut wird: Tabakblätter, die als äußeres Deckblatt dienen, werden wie hier im Halbschatten unter luftigen Baumwolltüchern gezüchtet.
Durch die geringere Sonneneinstrahlung werden die Blätter größer, milder im Geschmack und sind somit ideal als äußerste Lage der Zigarre geeignet. Der Tabak, der im Inneren der Zigarre für den Geschmack sorgt, wächst unter direkter Sonneneinstrahlung und ist somit intensiver im Aroma. Egal, welche Art man anpflanze, sagt Aurelio Reyes Santiesteban, die Arbeit habe sich bis heute kaum geändert. Seit Jahrzehnten und Jahrhunderten ist das Vorgehen das gleiche.
Das Wissen um Feinheiten wachse zwar. Das Wichtigste aber ist die Basis: Die Pflanzerde Kubas besteht aus fruchtbarem Schwemmland und luftigen Sandböden – ideal für den Tabakanbau. An kaum einem anderen Ort der Welt gedeiht er besser. Rund vier Monate vergehen vom Auspflanzen bis zur Ernte der Blätter, wobei fast ausschließlich mit der Hand gearbeitet wird. Die Pflanzen sind sehr sensibel und müssen daher in einem Stück geerntet werden.
Nachdem die Felder im März abgeerntet sind, folgen zwei elementare Schritte: Nach drei Wochen Lagerung, bei der das Material Wasser verlieren soll, ohne trocken oder faulig zu werden, wird die Ernte fermentiert. Dazu werden die gebündelten Blätter zu großen Ballen aufgeschichtet und mit schweren Decken abgedeckt. Etwa 45 bis 60 Tage sind nun nötig, bis sich durch chemische Prozesse das ideale Aroma entwickelt. In der gesamten Zeit wird peinlichst genau auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit geachtet. Dass dies im Karibikklima nicht einfach ist, erklärt die besondere Sorgfalt der kubanischen Tabakproduzenten. Nach diesem Prozess werden die Blätter in die Manufakturen der unterschiedlichen Zigarrenmarken gebracht.
Die Rollerinnen
Eines der bekanntesten Habanos- Häuser ist Romeo y Julieta. Die Manufaktur liegt im Stadtteil Centro Habana. Werden hier, wie Mythen besagen, besonders begehrte Exemplare auf den Oberschenkeln von Jungfrauen gerollt? Nein, aber ein Funken Wahrheit steckt in der Geschichte. Bis heute arbeiten vornehmlich Frauen als sogenannte Torcedores, Zigarrenrollerinnen, an hölzernen Werkbänken. Und die Arbeit ist weniger eintönig als vielmehr leidenschaftlich: Jeder Handgriff erfordert eine Menge Geschick und Know-how. Allein die Grundausbildung dauert neun Monate.
Bis zu 100 Zigarren produziert eine Rollerin pro Arbeitstag – obwohl schon die Zusammenstellung der Blätter eine kleine Wissenschaft ist. Drei Arten von Tabakblättern, die die Bezeichnungen Volado, Seco und Ligero tragen, gibt es, die im Bau einer Zigarre unterschiedliche Aufgaben haben. Die Blätter im Inneren werden gerollt und anschließend gepresst, damit sie ihre Form behalten. Zum Abschluss werden sie in das Deckblatt, das aus zwei halben Tabakblättern besteht, eingerollt und auf die entsprechende Länge gekürzt.
Es folgt die Markierung mit einer Bauchbinde, auf der Name und Marke der Zigarre stehen. Die fertigen Zigarren werden anschließend nach Farben in die Zigarrenschachteln einsortiert. Auch hier kommt keine Maschine zum Einsatz, sondern Augenmaß, Leidenschaft und Expertise.
Die Geschichten
Die Marke Romeo y Julieta ist eine der ältesten Zigarrenmarken Kubas und neben Cohiba eine der bekanntesten. Ihren Namen verdankt sie dem berühmten Shakespeare-Drama. In den Manufakturen werden noch heute Texte von den sogenannten „lectora de tabaquería“ vorgetragen, um den Torcedores die Arbeit unterhaltsamer zu gestalten. „Romeo und Julia“ fand seinerzeit solch einen Anklang bei den überwiegend weiblichen Torcedores, dass die 1875 gegründete Marke nach der tragischen Liebesgeschichte benannt wurde.
Die Philosophie
Das moderne Kuba zwischen Kommunismus und Kapitalismus ist ein Land der Gegensätze. Immer wieder werden Dinge des alltäglichen Lebens wie Seife oder Nahrungsmittel knapp, doch gute Habanos gönnt sich jeder in den Straßen Havannas gern. Seit Fidel Castros Tod im Jahr 2016 wird der Wandel immer spürbarer. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit der Zigarrenmarke Romeo y Julieta mit der Schweizer Uhrenmanufaktur Zenith. Schon länger pflegen die beiden Qualitätsmarken mit den so unterschiedlichen regionalen Identitäten ihre Kooperation.
Zum 145. Geburtstag erscheint nun ein limitiertes Uhrenset, angelehnt an die Geschichte von Romeo und Julia. Julien Tornare, CEO von Zenith, erklärt die Philosophie des Zusammenschlusses so: „Uhren und Zigarren haben viel gemeinsam. Sie werden per Hand gemacht. Es erfordert jede Menge Wissen, Geschick und Leidenschaft, um auch nur eine davon herzustellen. Und sowohl Uhren als auch Zigarren sind Luxusprodukte. Niemand braucht eine Uhr oder eine Zigarre – man will es! Es geht darum, sich etwas zu gönnen, sich etwas Gutes zu tun.“
Rome y Julietta
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