Neulich hat mein Notebook den Geist aufgegeben. Die Reparaturkosten würden die Kosten eines neuen Geräts bei Weitem übersteigen, sagte man mir. Gezielt lief ich also in die Notebook-Abteilung beim Media Markt und nahm mir vor, erst zu ruhen, wenn ich mit einem neuen Gerät unter dem Arm hinauslaufe.
Vor mir lagen 122 Notebooks, dazu kamen 53 Ultrabooks und ein knappes Dutzend Netbooks, 18 Macs und 66 Tablets. Ausgestat- tet mit i3-, i5- oder i7-Prozessoren, mattem oder spiegelndem Full HD, eines mit Gorilla Glass (ich hätte lieber Schimpanse!), mit und ohne Turbo-Boost-Technik, ultraflach und hammerleicht, verdreh-, verstell-, auf- und abbaubar. Wo sollte ich anfangen?
Vielleicht erst mal ein Wasser kaufen im Supermarkt nebenan. Mineralwasser. Classic? Es gab aber auch medium, naturell und sanft. Verdammt!
Wir scheitern am Entscheiden, weil wir stets das Optimum wollen
Wir leben in einer Multioptionsgesellschaft. Entscheiden kann ich mich oft trotzdem nicht. Ich gehöre zur schorlizierten Hugo-Generation. Von allem etwas, aber nichts richtig. Ausgehen oder zu Hause bleiben, Sex oder Liebe, Orangen- oder Apfelsaft? Auf der Suche nach der optimalen Entscheidung scheitere ich sogar an den kleinen Fragen des Alltags.
Männer neigen übrigens stärker zum Optimieren als Frauen. Psychologen vermuten, dass die Ursache dafür noch immer in alten Rollenbildern liegt: Bei Frauen ist bescheidenes Auftreten erwünscht, Männer sollen nach dem Optimum streben. Scheitern ist in unserem Lebenslauf etwa so vorgesehen wie ein Tropensturm in der Antarktis.
Die ungeheure Zahl an Optionen und das unausgesprochene Verbot zu scheitern sorgen dafür, dass wir nervöse, gierige Perfektionisten werden und entsprechend mehr Reue erleben, weil uns im Grunde nichts mehr genügen kann.
Wer aber immer alles richtig machen will, wird am Ende zu einer Person ohne Persönlichkeit, zu menschlichem Magerquark. Selbstzufrieden in der Belanglosigkeit des makellos Optimierten. Wie kann man dieser Entwicklung Einhalt gebieten?
Vier hilfreiche Grundregeln
1. Nie wieder Reue! Falsche Entscheidungen sind besser als gar keine. Wer Fehler zulässt, kann später bessere Entscheidungen treffen. Denn gute Intuition ist Wiedererkennung, und die kann nur schulen, wer Erfahrungen macht.
2. Sich in Zufriedenheit üben. Habe ich ein Shampoo, ein Deo, ein Res taurant oder einen Job gefunden, mit dem ich zufrieden bin, kann ich die Suche nach Alternativen einstellen und mich daran erfreuen, meinen Platz gefunden zu haben.
3. Erwartungen herunterschrauben. Wer optimale Entscheidungen treffen will, um ein perfektes Leben zu führen, hat ein Problem: Es nden sich immer Gründe, warum sie nicht ganz optimal waren.
4. Sich das Vergleichen abgewöhnen. Ich gestatte mir selbst nur noch drei Produkttests, die ich lese, bevor ich etwas kaufe. Dann frage ich Freunde oder Bekannte, denen ich vertraue.
So fiel auch die Notebook-Entscheidung. Ich bin dem Tipp eines Freundes gefolgt, der mir eines empfohlen hatte. Nächste Woche werde ich ihn fragen, ob er mir auch ein gutes Haarshampoo empfehlen kann. Er ist da Experte: Er trägt Glatze.
Florian Schroeder ist Autor des Buches „Hätte, hätte, Fahrradkette – die Kunst der optimalen Entscheidung“ (rororo, 9,99 Euro) und als Kabarettist auf der Bühne zu sehen. Termine: www.florian-schroeder.com
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