Playboy: Ihr Film wird zur Premiere der European Outdoor Film Tour gezeigt. In einem Interview haben Sie kürzlich gesagt, dass Sie einen Film machen wollten, der Ihre Idealvorstellungen von einem Snowboardfilm möglichst nahekommt. Ist es Ihnen gelungen?
Elias Elhardt: Meiner persönlichen Auffassung, ja. Ich hatte da meine ganz eigenen Vorstellungen von Bildkomposition und Atmosphäre und das haben wir gut umgesetzt. Contraddiction ist für mich eine Herzensangelegenheit, weil der Film so ehrlich ist. Er zeigt Snowboarding in all seiner Schönheit, thematisiert aber auch andere Seiten, die der Sport mit sich bringt.
Als Profi-Snowboarder haben Sie es geschafft, von Ihrer Passion leben zu können. Für viele bleibt das für immer ein Traum. In Contraddiction setzen Sie sich allerdings kritisch mit diesem „Traum“ auseinander.
Ich wollte in Contraddiction diese gewisse Dissonanz thematisieren. Profi-Snowboarder zu werden, war mein Traum. Und es ist auch toll, das erleben zu dürfen. Dafür bin ich nach wie vor sehr dankbar. Doch mit dem Älterwerden kommen auch noch andere Dinge in dein Leben, die wichtig sind. Es stellt sich unweigerlich die Frage, was danach kommt. Wie geht es weiter? Wie bringt man Snowboarding und den Rest des Lebens in Einklang?
Erzählen Sie uns ein bisschen von den Protagonisten in Contraddiction.
Die Akteure im Film sind gute Freunde und langjährige Wegbegleiter von mir. Besonders mit Arthur Longo bin ich schon vor über 10 Jahren Contests gefahren. Wir haben unsere Karrieren parallel gestartet. Er in Frankreich und ich in Deutschland. Diese langjährigen Freundschaften waren mir gerade auch bei dieser Grundthematik von Contraddiction sehr wichtig. Ich wollte, dass es im Film nicht nur um mich geht, sondern dass auch andere zu Wort kommen und somit Dialoge geschaffen werden. Kein typischer Snowboard-Film eben.
In typischen Snowboard-Filmen sind die Akteure meist auch um einiges jünger. Mit Mitte 30 zählt man da in gewisser Weise schon zum alten Eisen, oder?
Die Snowboard- und Funsport-Branche beruft sich ja auf diese „ewige Jugend“. Und natürlich macht man sich mit Anfang Zwanzig noch keine Gedanken darüber, wie es später einmal so ist. Ich bin ja nun schon einige Jahre in Szene unterwegs und kam irgendwann an den Punkt, wo ich mich darin nicht so ganz wiederfinden konnte.
Einer der Protagonisten im Film ist Kevin Boys, der erst jenseits der 40 mit dem Snowboarden angefangen hat. Er wirkt sehr ruhig, reflektiert und erfahren – keineswegs wie jemand, der krampfhaft versucht, ewig jung zu bleiben.
Kevin ist 64 und begeisterter Snowboarder. Er kam erst relativ spät zu diesem Sport und er ist ein perfektes Beispiel dafür, dass man Snowboarder sein und trotzdem Verantwortung im Leben übernehmen oder sich gesellschaftlichen Fragen stellen kann. Letztlich geht es doch darum, was der Sport einem jeden von uns gibt, gleichgültig wie alt man ist.
Also die Dissonanz Alter versus Snowboarding versus Verantwortung?
Im Grunde dreht sich alles um Verantwortung. Dass man sich beim Älterwerden diesen sorglos verspielten Zugang zum Leben bewahrt, aber eben auch anfängt, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Und dann merkt man schnell, dass sich da gewisse Widersprüche auftun. Natürlich ist das Bestreben da, nach diesen gewissen Werten zu leben, das wird so im Film ja auch gezeigt. Aber das gelingt natürlich auch nicht immer. Ich habe das Gefühl, dass unsere Gesellschaft nicht gut darin ist, mit Widersprüchen umzugehen, sie auszuhalten und als Anstoß für Veränderung zu nutzen.
Im Film hinterfragen Sie auch den Wintersport in seiner Gesamtheit und wie wir die Berge und die Natur schützen und bewahren können. Doch ist nicht gerade die Wintersport-Industrie mit ihren Pro-Events und zahlreichen Marken mitunter Schuld daran, dass in den letzten zehn Jahren massiver Raubbau an der Natur betrieben wurde?
Natürlich ist man selbst ein Teil des Problems. Das sollte man bei jeder Überlegung in diese Richtung auch gleich mal voranstellen. Gleichzeitig kann man dadurch aber auch zur Lösung dieses Problems beitragen. Was die Skigebiete betrifft: Das Thema Nachhaltigkeit ist so groß und so viel geht über die Wintersportthematik hinaus. Ich denke, man sollte vor allem die logistischen Facetten als erstes angehen. Sprich: Wie kommen die Leute überhaupt in die Skigebiete und wie kann man das umweltfreundlicher gestalten. Was man sich in der fragen kann: Muss es denn unbedingt gleich Japan sein, damit man gute Bedingungen zum Boarden oder Skifahren hat? Könnte man stattdessen auch nicht einfach in die heimischen Skigebiete fahren.
Das fällt allerdings leicht zu sagen, wenn man bereits mehrfach zum Boarden in Japan gewesen ist…
Das stimmt. Für mich war das damals auch eine Offenbarung. Als wir dort unsere Videos machten, wusste ich, dass wir öffentlich das Bild vermitteln, unbedingt nach Japan fliegen zu müssen. Das hat mir im Nachhinein total leid getan. Heute müssen wir ein neues Narrativ finden, hinter dem alle stehen können. Eines, das aber auch mit unserem Leben vereinbar ist. Die Leute machen das ja auch nicht aus bösem Willen, wenn sie in solche Skigebiete fliegen.
Aber auch nicht, wenn sie sich jede Saison eine neue Jacke oder ein neues Board kaufen, weil das die Marken ihnen auf Instagram & Co so kundtun….
Viele Firmen bieten inzwischen Repair-Services an. Und auch wenn das vielleicht manchmal mehr Marketing als sinnvoll ist, so rückt es zumindest das Thema und dessen Prägnanz mehr in den Vordergrund. Die Denkweise bezogen auf Konsum hat sich schon jetzt positiv verändert. Es ist plötzlich wieder cool, seine Sachen reparieren oder flicken zu lassen, anstatt sich gleich etwas Neues zu kaufen.
Das wäre in der Tat noch vor zehn Jahren ziemlich uncool gewesen…
Und genauso sehe ich auch die "Fridays For Future"-Bewegung. Natürlich ist das zu einem gewissen Grad, so muss man es einfach sagen, Trend. Doch ich finde das großartig. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, die völlig unpolitisch war, in der nicht über derartige Probleme gesprochen wurde. Und das verändert sich gerade. Jetzt fangen die jungen Leute wieder an, über Umweltpolitik zu sprechen und sich damit auseinanderzusetzen. Es wird wieder diskutiert. Das finde ich super.
Im Film stellen Sie sich die Frage, was nach der Profi-Karriere kommt, wie es weitergeht. Was ist Ihr Plan?
Ich habe das große Glück, durch meine Rolle als Profi-Snowboarder meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Für die Zukunft möchte ich mich aber auch mehr mit dem Filmischen auseinandersetzen. Die Profi-Karriere läuft aber natürlich weiter, auch Contests stehen an. Mein persönlicher Fokus liegt dennoch klar beim Filmen.
Den neuen Film “CONTRADDICTION” von Elias Elhardt können SIe noch bis Februar auf der European Outdoor Film Tour sehen! Infos, Programm und Karten gibt's hier: EOFT-Website