Bewölkter Himmel in Gelsenkirchen. Angekommen auf dem leeren Vereinsgelände des FC Schalke 04 merkt man schnell, dass Sommerpause ist. „Glück auf!“, das wäre so ein Gruß, mit dem man sich hier ansonsten auf Schalke gerne mal „Guten Tach“ sagt. Aber nicht an diesem Sonntagnachmittag. Oliver Pillath begrüßt mich mit einem festen Händedruck. Der Rapper aus dem Ruhrpott veröffentlichte vor wenigen Tagen sein neues Album „Ein Onkel von Welt“. Darauf führt er konsequent spitzbübischen Humor in seinen Texten mit den aktuell angesagten groovigen Beats zusammen. Grund genug, um über den Status Quo von Rap zu sprechen.
Playboy: Einer Ihrer neuen Songs heißt „Goldesel“. Rap lief eine ganze Zeitlang nicht so richtig gut. Warum sind Sie plötzlich der Goldesel?
Pillath: Ich war schon immer der Goldesel! Nur in verschiedenen Bereichen. Als ich früher zusammen mit Snaga gerappt habe, waren wir das Goldesel-Tag-Team. Danach habe ich im Vertrieb gearbeitet, da war ich dann vielleicht sogar noch mehr der Goldesel, was den Umsatz angeht, als im Rap. Gut, jetzt grade bin ich Verkaufszahlentechnisch nicht der Goldesel, da müssen wir auch ganz ehrlich sein, aber nichtsdestotrotz bekomme ich sehr viel Zuspruch innerhalb der Szene. Letztendlich war auch einfach die Song-Idee zu gut, um es nicht zu machen. „Goldesel“ hat ja seit zehn Jahren kaum noch wer gesagt.
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Welche Statussymbole braucht es heutzutage im Hip Hop?
Autos. Schmuck tragen die meisten Rapper, glaube ich, gar nicht mehr so viel. Womit du aber Rapper oftmals in Verbindung bringst, sind eigentlich Autos und Frauen. Damit lassen sie sich gerne fotografieren. Wobei ich Frauen nicht als ein Statussymbol reduziere. Ich glaube, das tun andere Rapper auch nicht.
Sie nennen Sich „Onkel von Welt“. Ab wann ist ein Mann denn ein Mann von Welt?
Meiner Meinung nach hat das was mit Erfahrung zu tun. Ich habe die Welt noch nicht gesehen, aber ich würde mich trotzdem als ein Mann von Welt bezeichnen. Ich besitze die Fähigkeit, egal in welcher gesellschaftlichen Situation ich mich grade befinde – ob im Pott an der Straßenecke oder im Ritz Carlton in Paris – mich so zu verhalten, dass man nicht denkt: Oh, das ist aber jetzt ein Fremdkörper hier.
Sie sind in Gelsenkirchen geboren, aufgewachsen und leben immer noch hier. Nie den Wunsch verspürt, mal wegzuziehen?
Jetzt zum allerersten Mal, seitdem ich für einige Videodrehs in Los Angeles und Las Vegas war. Das Ziel in den nächsten zehn Jahren muss es sein, mal irgendwo in Amerika zu leben – zumindest mal für fünf Jahre lang oder so. Außer in Vegas, da willst du nicht leben, da wirst du, glaube ich, geistig behindert.
Sie haben einen Sohn. Was kann man von einem Onkel lernen, was man vom Vater nicht lernen kann?
(lacht) Die ekligen Sachen. Der Vater muss dir natürlich gewisse Werte beibringen. Aber der Onkel und auch der Opa – das ist nämlich der Schlimmste – bringen dir die richtigen Tricks fürs Leben bei.
"Kollegah und Farid Bang haben mit ihrer Line eine Grenze überschritten"
Viele Ihrer Texte glänzen durch Wortgewandtheit und Humor. Allerdings auch durch Lines gegen Mütter und Minderheiten. Sind Sie sich der Verantwortung hinsichtlich Ihrer Texte bewusst?
Die Frage wurde mir jetzt in vielen Interviews so ähnlich gestellt. Wenn du sagst gegen Minderheiten, dann sage ich: Das stimmt so nicht.
Ich mache mich gerne lustig, auch über Minderheiten, aber auch über Mehrheiten. Ich sage zum Beispiel in einem Song „Ich weiß, was dir Made noch fehlt, ein Gucci-Cap für dein Hurensohn-Starterpaket“. Die Anzahl der Leute, die Gucci-Caps tragen ist keine Minderheit, das ist die absolute Mehrzahl. Ich mache mich übrigens auch über mich selbst lustig, das ist ganz wichtig in diesem Kontext. Ich habe mal gerappt „Die ersten Falten sind von meinem Sack in mein Gesicht gewandert“. Mir ist wichtig, dass man keine Grenzen überschreitet. Mit der Kollegah und Farid Bang-Line „Mein Körper ist definierter als von Auschwitz-Insassen“ wurde eine Grenze überschritten. Ich habe auch eine Juden-Line auf meinem Album, aber die ist aus meiner Sicht mit Humor zu sehen. Da wird sich nicht darüber lustig gemacht oder verglichen damit, dass Millionen Leute vergast worden sind. Die Line lautet: „Die Slipper von Coco aus glitzerndem Kroko, aber ich geb‘ nix ab wie Itsak und Shlomo“. Damit mache ich mich bewusst über das Klischee eines Juden lustig, der am Ende des Regenbogens auf dem Goldtopf sitzt und nichts abgibt. Das mache ich nicht nur mit Juden, auch mit Türken, Italienern, Dicken, Dünnen, Alten – alles was mir gerade so einfällt. Mir ist immer wichtig, dass das mit Humor und einem zwinkernden Auge zu sehen ist und das mit Klischees gespielt wird. Ich würde halt nicht sagen ich schieß dir in den Kopf wie ein Auschwitz-Aufseher. Das finde ich dann nicht mehr lustig. Ich will jetzt aber auch Farid Bang und Kollegah nicht – wie es sowieso schon jeder macht – als das Unheil des deutschen Landes und als Miesepeter hinstellen. Die beiden haben eine Zeile gerappt, die nicht in Ordnung war. Dafür haben sie sich entschuldigt und angeboten, was Gutes draus zu machen für diesen Fehler. Das Ding muss dann aber jetzt auch mal durch sein. Und alles, was drum herum passiert, ist scheinheilige Scheiße. Dann geben wir halt alle unsere Echos zurück. Wer hat was davon? Was ändert das?
Ein weiterer Track von Ihen trägt den Titel „Kein bisschen reifer“. Darin rappen Sie darüber, dass Sie zwar älter werden, aber trotzdem dieses Spitzbübische nicht verloren haben. Welche Erwartungen hatten Sie früher ans Erwachsenwerden?
Gar keine. Ich wollte nie erwachsen werden (lacht). Ich will in meinem Leben so viel Spaß wie möglich haben. Du hast nur dieses eine Leben und das ist auch nicht so lang. Es kann immer schnell vorbei sein. Dafür habe ich in den letzten Jahren ein krasses Bewusstsein entwickelt. In den Zwanzigern denkst du da noch nicht so viel drüber nach – da ist Highlife angesagt. Klar, ich bin ein erwachsener Mann und ich muss ein paar wichtige Dinge klären, aber ansonsten will ich den maximalen Spaß in meinem Leben haben.
"Die Leute merken dann schon, ob du noch echt bist oder nicht"
Beim Fußball beendet man ja im Durchschnitt im Alter von 35 Jahren seine Karriere. Hat man als Rapper auch nur eine gewisse Halbwertszeit?
Ich finde es schwer, das grundlegend an einem Alter festzumachen. Ich stimme dir aber zu, dass mit oder in Würde im Hip Hop zu altern, schwierig ist. Für mich hat das bisher nur einer geschafft: Sido. Der hat das in Perfektion gemacht. Das macht ihm so schnell auch keiner nach wie er diese Kurve, vom rotzigen Dreckstyp aus dem Viertel, hin zum salonfähigen, aber trotzdem nicht peinlich wirkenden Rapper hinbekommen hat. Natürlich wird es schwer für einen „Ich-Ficke-Deine-Mutter-Rapper“ mit 45 Jahren und grauen Haaren credibil zu wirken. Am Ende musst du aber als Künstler sagen: Bin das noch ich und habe ich da noch Bock drauf? Wenn du die Frage mit ja beantworten kannst, dann ist das Alter, glaube ich, auch gar nicht so wichtig. Die Leute merken dann schon, ob du noch echt bist oder nicht.
Wenn Sie über etwas reden möchten, das Sie beschäftigt: Zu wem gehen Sie?
Zu meiner Frau.
Wie geht Ihre Frau damit um, dass Sie ein Rapper-Leben führen?
Meine Frau kommt genauso aus dem Rap wie ich. Sie hat, glaube ich, noch früher in ihrer Jugend angefangen, Rap zu hören. Von daher versteht sie das komplett.
Haben Sie trotzdem noch Groupies?
Ob es Frauen gibt, die über mich tuscheln kann ich nicht sagen, aber Groupies habe ich, seit ich mit meiner Frau zusammen bin, natürlich keine mehr.
Was ist das schönste Kompliment, das Sie von einer Frau bekommen haben?
Puh. Ich bin gar kein Typ, der Komplimente braucht. Immer wenn meine Frau mir sagt, dass sie mich liebt, freue ich mich.
Schon mal mit Ex-Bachelor Christian Tews verwechselt worden?
Nicht verwechselt worden, aber ich habe schon oft gehört, dass ich ihm wohl ähnlich sehe. Ich finde, ich sehe viel besser aus als er.
Abschließend noch ein kleines Frage-Antwort-Spiel:
Ihre Verbindung zum Playboy:
Als wir so 13, 14 waren, ging es bei uns immer: Boah, guck mal, Playboy. Ich hatte lange keinen Playboy mehr in der Hand. Du hast mir ja freundlicherweise eine Ausgabe mitgebracht. Relativ viel Text würde ich mal sagen...
Lesen Sie gerne?
Ich lese tatsächlich gerne. Ich mache es nur so gut wie nie. Ich habe immer die Wahl zwischen Familie, Netflix, Playstation oder lesen. Das Letzte, was ich gelesen habe, war die Biografie von Zlatan Ibrahimovic.
Ihre wichtigste Anschaffung bis heute:
Auto und Playstation.
Aus welchem Grund haben Sie sich das letzte Mal so richtig betrunken?
Das war beim letzten Schalke-Heimspiel in dieser Saison. Das war das erste Mal, dass ich in der Saison im Stadion war. Von mittags zwölf bis am nächsten Morgen um fünf habe ich mir ordentlich Bier und Jägermeister gegönnt. Da habe ich aber generell auch das erste Mal in diesem Jahr Alkohol getrunken. Das ist alles viel weniger geworden.
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