Playboy Classic: Luigi Colani (†) über Unterhosen, die Seele und Frauen

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Im September 2008 sprach Stardesigner Luigi Colani mit uns über Unterhosen und Überschallflugzeuge, die menschliche Seele – und erzählte, warum ein Mann von Frauen fast alles lernen kann. Jetzt ist der Meister der runden Form mit 91 Jahren gestorben. Das Classic-Interview in voller Länge!

Im großen Playboy-Interview spricht Stardesigner Colani über …

Frauen & Sexualität

Herr Professor Colani, was denken Sie als Designexperte: Ist beim weiblichen Körper die Formgebung gelungen?

Ich muss gestehen, der Alte, der diesen Körper entwickelt hat, der verstand was von seinem Business, verdammt und zugenäht! Der wusste genau, was er da tat. Und das war ein Schweinchen, so ganz sauber war der Junge nicht.

Wieso?

Die Frau ist einfach perfekt auf unseren Perzeptionsapparat abgestimmt. Die braucht doch nur die Hose auszuziehen, schon fangen wir Männer an, elektrisch zu werden. Die Frau ist ein Lockgerät, und das stammt noch aus der Urzeit: Da mussten die Weiber so erotisch sein, damit die Kerle da raufsprangen und sie begatteten. Das kann gar nicht besser gemacht werden.

Die Frau als die einzige perfekte Form in unserer Welt?

Die Schönheit, das Lockende: Das sind doch die einzigen letzten Geschenke des Weihnachtsmanns, wenn ein Mann mit einer Frau zusammen ist. Nur die christliche Religion verunglimpft das. Gehen Sie mal nach Japan, da steht in jedem Dorf ein zwei Meter hoher Phallus, aber was für einer! Und an diesen Schwanz kleben die kleinen Mädchen Zettel, um um Nachwuchs zu betteln.

Gäbe es am Menschen etwas, was ein Colani zu überarbeiten hätte, wenn man ihm den Auftrag dazu erteilen würde?

Doch, Colani würde etwas ändern: die Wirbelsäule. Der Mensch ist nicht für den aufrechten Gang konzipiert. Unsere vorderen Gliedmaßen sind etwas verkümmert und die hinteren etwas überproportional. Wir haben eine Vierbeiner-Wirbelsäule. Deshalb ist die beste Begattungsart auch von hinten, weil da die Ejakulationsrichtung des männlichen Gliedes und der Uterus perfekt aneinanderpassen.

Colani rät also aus ergonomischer Sicht von der Missionarsstellung ab?

Ja, die Rückenlage der Frau ist eine Lüge, eine kirchliche Position, die die Unterwürfigkeit der Frau festlegen sollte.

Was also würden Sie ändern?

Das mit den zwei Beinen und dem Becken ist völlig okay. Aber wenn der liebe Gott einen Zweibeiner entworfen hätte, dann hätte er zwei Knochen genommen und die direkt mit den Schulterblättern verbunden. Dann gäbe es keinen Bandscheibenvorfall. Dann könnten die Girls allerdings auch nicht so schön den Hintern rausstrecken . . .

Designer & Design

Herr Colani, warum braucht die Welt überhaupt Designer?

Designer brauchte, ich sage das bewusst in der Vergangenheitsform, brauchte das kapitalistische System, um immer wieder neue Formen zu bringen. Dieser Obsoletismus, also: immer wieder eine Form überflüssig zu machen, zu veralten – das musste erst mal erfunden werden. Alle sechs Monate ein neues Modell, darum geht es. Ein Auto wie der Citroën DS, 25 Jahre unverändert, mit Riesenerfolg: Stell mal heute einem Designer bei BMW oder Mercedes die Aufgabe, ein Auto zu machen, das 25 Jahre lang gebaut werden kann – können Sie sich diese Unmöglichkeit vorstellen?

Jedes Hotel nennt sich heute „Designhotel“, jede Kaufhaus-Klobürste „Designerobjekt“ . . .

... darf ich dazu etwas Böses sagen?

Sie dürfen.

95 Prozent der Menschen, die an so etwas arbeiten, müssten Berufsverbot kriegen! Heute müsste der Titel „Designer“ wie ein akademischer Titel verliehen werden. Dann würde es weniger Scheiße geben. Seitdem es Designer gibt, ist die Welt am Arsch.

Wie würden Sie einem Blinden erklären, wie Colani-Design aussieht?

Dem ist das besonders leicht zu erklären. Der sieht ja mit den Händen. Machen Sie mal die Augen zu, und nehmen Sie so eine Kaffeetasse in die Hand, die ich hier gerade angeschleppt habe: Aus! Antwort! Ende der Durchsage!

Also gestalten Sie eigentlich für Blinde?

Nicht unbedingt für Blinde, aber für Leute, die noch Haptik haben. Wir haben dafür dieses schöne deutsche Wort „begreifen“, das hat mit Hirn nur zweitrangig zu tun.

Bei Ihnen muss alles immer rund sein, weich, fließend. Können Sie überhaupt eine Linie ziehen?

Ich muss das sehr oft bei Konstruktionen. Ich komme ja aus dem Flugzeugbau, und da gehört die Gerade dazu, bedauerlicherweise.

Träumen Sie von einer Welt ohne Ecken?

Nein, aber zum Beispiel das Bauhaus ist ja großes deutsches Erbe. Aber Bauhaus stellt in meinen Augen nur 30 Prozent dar: Die haben das Rechteck super durchgestaltet, von A bis Z. Die gefallene, gerade Linie, also die Pyramide, gibt es schon nicht mehr bei denen. Und Kreis oder Kugel oder Rundung, davon haben die noch gar nichts gehört. Ich sag denen deshalb immer: „Ihr seid nur 33 Prozent!“

Ist das etwas Urdeutsches, die Ecke, das Quadrat? Und das Runde eher undeutsch?

Das ist fast richtig formuliert: Deutschland ist das Land der Supertechniker, fast alle Entwicklungen, alle Motoren kommen aus Deutschland. Wir ha- ben hier die besten Techniker. Aber das Kunstdenken ist hier nie eingezogen.

Eigenkreationen

Herr Colani, welches Colani-Objekt benutzen Sie selbst am meisten?

Diese doofen Tassen hier, da trinke ich im- mer meinen Kaffee draus. Und die Hosen sind von mir, die Schuhe und die Unterwäsche. Ich trage nur eigenes Zeug.

Auch die Unterwäsche?

Ja. Zeige ich jetzt aber nicht.

Müssen Sie auch nicht. Aber verraten Sie uns bitte, was so bequem an Colani- Unterwäsche ist?

Philosophisch aufgedröselt, hängt an der Unterwäsche das gesamte Wohlbefinden des Menschen. Wenn mir in meiner Unterwäsche der Arsch kneift, dann fühle ich mich unwohl. Stellen Sie sich vor, Sie sprechen mit einer Dame, der die Unterwäsche kneift. Sie sitzen dann vor der, zwei Stunden, und es kneift sie. Und die kann sich mit ihrem schönen Kopf gar nicht konzentrieren auf die Dinge, die da sind. Sie verstehen mich?

Wir verstehen. Das wäre schlimm. Man könnte also sagen, dass Sie jetzt, mit 80 Jahren, festgestellt haben, dass die Welt an der Unterhose hängt . . .

... wir sollten das nicht verlächer- lichen! Wir sollten das bitterernst neh- men. Unterwäsche ist ein nicht unwichtiger Faktor.

Sie arbeiten gerade an einer neuen Version des Pierce-Arrow – jenes legendären amerikanischen Automobils der 30er-Jahre . . .

Colani: Ja, ich habe mir die Rechte an diesem Namen gekauft. Das wird eine Weltsensation werden! Ein Hyperautomobil!

Was ist, bitte schön, ein Hyperautomobil?

Na, mehr als ein Superautomobil! Ich will dem automobilen Wahnsinn ein Ende bereiten mit einem geradezu idiotischen Auto. Da kommen zwei allerschärfste Zwölfzylindermotoren rein, eine Viscokupplung und dann ein riesiges amerikanisches Getriebe auf die Hinterachse. Und wir bauen ein Chassis für über 500 Stundenkilometer.

Übertreiben Sie’s da nicht ein bisschen?

Ja, weil Colani dem Automobil die Narrenkappe aufsetzen möchte. Das wird „the car that ends all motorcars in the world“! Immer fettere, immer schnellere, immer größere Motoren: Ich habe dieses Idiotenrennen satt.

Gibt es eigentlich irgendetwas, das Sie noch nicht entworfen haben?

Nein. Es gibt nichts, was ich nicht schon gemacht hätte, von der Damenunterwäsche bis zum Überschallflugzeug. Ich habe Archive, die mir bis zum Hals stehen. Und wenn ich die aufmache, dann sind für 20 Jahre Patente da drin, wahnsinnsblödsinnige Ideen an allen Ecken und Enden.

Auf welchen Entwurf von all den vielen Dingen sind Sie am meisten stolz?

Gibt es gar nicht. Schön sind eigentlich alle Dinge, und vor allem die letzten sind immer die liebsten Kinder.

Was war Ihr größter Flop?

Als Flop müsste ich fast alle meine Sachen bezeichnen, weil sie der generellen Denkrichtung oft zehn Jahre vorauseilen. Hier steht zum Beispiel ein Cockpit vom Airbus, da hat der Colani ein sphärischverformtes Armaturenbrett eingebaut. Damit der Pilot mit einer Augeneinstellung ermüdungsfrei alles ablesen kann, ohne einmal den Kopf zu bewegen. Aber jetzt hat der 380er-Airbus – von Idioten konstruiert – wieder ein gerades Blech drin. In 20 Jahren, wenn die ersten Großabstürze kommen wegen Ermüdung der Piloten, werden die da wieder drauf zurückkommen.

Flops gibt es bei Ihnen gar nicht?

So ist das eben immer: Millionen investiert, brillante Idee – Idioten bauen den Scheiß von heute weiter, und es heißt: Colani hat einen Flop gelandet.

Es gab da etwa den Ruder-Achter 1972, den Sie so sehr strömungsoptimiert haben, dass er im Wasser abgesoffen ist . . .

Nein, das ist eine Lüge! Da ist eine Rolle in einem Sitz kaputtgegangen, ein Teil für 25 Euro. Aber die Journalisten schreiben dann: „abgesoffen“. Der hängt in England, in Henley, im Mekka der Ruderer. Um den ist ein Museum herumgebaut worden. Ich bekam seinerzeit eine Einladung der Queen, die sich dafür bedankte, diesen Meilenstein der Sportgeschichte ausstellen zu dürfen. Und in Deutschland werde ich dafür verscheißert!

In Ihren voll verglasten Lkw-Fahrerhäuschen sind die Fahrer angeblich fast verdampft . . .

Ist doch logisch, wird ja immer heißer hier! Wenn der in Finnland fährt, würde keiner meckern. Wir sind eine Bastelbude mit brillanten Ideen. Wenn eine Firma wie Mercedes oder MAN das übernähme, dann würden da richtige Klimaanlagen eingebaut. Das sind immer nur so hämische Journalisten . . .

. . . wie wir . . .

... die dem Colani am Zeug flicken. Aber die kann ich auf Abriss kaufen, diese Würstchen. Ende der Durchsage!

Was war denn das Objekt, an dem Sie am meisten Geld verdient haben?

Die Sanitärkeramik, die hat heute noch Kultcharakter und ist nie überholt worden. Wenn man heute die Wannen und Waschbecken ansieht, das ist alles so flach und eckig. Wenn du da mit seifigen Füßen ausrutschst, reißt du dir das halbe Maul weg, wenn du an die Dinger drankommst. Geräte, mit denen der Mensch unbekleidet in Berührung kommt, eckig zu machen, also Gefahr zu erzeugen: Das Wort „kriminell“ reicht dafür nicht aus! Die Welt ist doch krank geworden! Die hat ein Ding an der Feige! Die stimmt nicht mehr!

Privates

Ist es nicht anstrengend, wenn man seiner Zeit immer so weit voraus ist?

Jetzt kommt ein Satz von aller- schwerster Schwere: Wir sind eine geistige Diktatur geblieben, eine knallharte Diktatur. Wer da nicht mitmacht – und ich bin einer, der vollkommen gegen die deutsche Denkrichtung arbeitet –, der wird ausgesondert.Wenn heute Bücher gedruckt werden, ich will ja keine Verlage nennen, über die fünfziger, sechziger, siebziger, achtziger Jahre: Da ist kein Stück von Colani drin. Dabei war ich der Oberstar dieser Zeit!

Arbeitet Colani am Mac oder am PC?

Überhaupt nichts, ich habe null, weder Handy noch Laptop noch sonst was Elektronisches

Warum?

Weil ich dagegen bin. Ich kann an einem schlechten Nachmittag zeichnend im- mer noch einen Computer schlagen – weil ich denken kann. Der Chip ist eine eindimensionale Geschichte, eine flache, jämmerliche Platte. Meine Birne ist rund. Wenn der Chip ein dreidimensionaler Block wäre, mit Colani-Hefe angerührt – dann hätte er eventuell eine Chance, aber so?

Der Computer ist zu dumm für Colani?

Der ist viel zu dämlich, um mir Paroli zu bieten.

Sie haben erst mit Mitte 60 geheiratet. Wie kam’s?

Das war ein leichtes Muss: Ich lebte damals in Japan, mit einer Mitarbeiterin, und dort durfte man damals nicht im Konkubinat leben. Ich war ja eine berühmte Person in Japan. Also haben wir in der Botschaft geheiratet.

Was sind Sie für ein Ehemann?

Ein sehr treuer. Ich habe viele Frauen, mit denen ich zusammen sein könnte. Aber ich bin ein Mann, der eine Beziehung von der Tiefe her aufbaut. Und ich lerne von den Frauen, und zwar enorm viel.

Was lernen Sie von den Frauen?

Alles, mein ganzes Metier, mein ganzes Sein. Frauen sind ja von der Natur her wesentlich besser konstruiert dafür, Managementaufgaben zu übernehmen. Die Männer haben doch gar nicht die zerebrale Konfiguration, um Konzerne zu lenken. Frauen haben das viel besser.

Was lernen die Frauen denn von Ihnen?

Ein paar lustige Stellungen. Und schöne erotische Spiele und Sanftheiten. Und das Männliche, was eine Frau eben sucht.

Herr Colani, Sie laufen komplett in Weiß herum. Warum?

Ich mache das seit ewigen Zeiten. Ich schleife jeden Tag, arbeite an Kunststoffteilen oder an Gips, da fällt ständig was Weißes auf mich drauf. Dann schüttle ich mich einmal, das ganze Zeug fällt ab und puff! Dann bin ich wieder sauber und kann nette Leute wie Sie empfangen.

Wir wissen das sehr zu schätzen.

Ich will doch nicht schwarz angezogen sein wie die anderen dusseligen Designer, die da rumkrauchen!

Apple bringt seine Produkte jetzt ja auch in Weiß auf den Markt ...

... ja, mittlerweile haben alle be- griffen, dass Weiß die meisten Farben sind. Ich wusste das als Erster, schon seit ewigen Zeiten.

Aber ist nicht Schwarz die eigentlich männliche Farbe?

Schwarz ist eine Farbe des Todes, eine arm- selige Farbe. Es ist ein sehr schwerer chemischer Vorgang, etwas schwarz zu machen. Wer schwarz trägt, hat Pickel am Kopf, der tickt nicht ganz sauber.

Diese dunkle Mähne – ist die eigentlich echt?

Ich habe graue Haare, jede Menge, schauen Sie – hier!

Sie färben also?

Ein bisschen.

Ein bisschen?

Ja.

Weil?

Weil der Elan, mit dem ich zurzeit lebe, noch nicht reif ist für graue oder weiße Haare. Ich bin noch zu jung dafür.

Mit 80?

Meine Mutter ist weit über 100 geworden. Und ich werde versuchen, diesen Rekord zu schlagen. Die Designwelt hat also Pech, den Colani wird sie so schnell nicht los. Die beiden letzten Jahre waren die erfolg- reichsten meines Lebens, von 78 bis 80.

Inwiefern?

Große Ausstellungen, internationale Ehrungen. Ich bin ja der absolute Weltmeister in Automobilen, der absolute Weltmeister im Design, der absolute Weltmeister in Amerika, der absolute Weltmeister in Frankreich und in England. In China sowieso. Russland ist auch noch dran.

Merken Sie denn in keiner Situation, dass Sie älter werden?

Nein, ich fliege im Schnitt zweimal pro Monat um die Erde. Aber ich kenne keinen Jetlag. Ich esse nie im Flugzeug, trinke zwei, drei Gläser Wasser. Dann steige ich nach einem Flug von 14 Stunden aus dem Flugzeug, frisch wie ein Gänseblümchen, und gehe an die Arbeit.

Sie wurden als Lutz geboren. Wie wurde daraus Luigi?

Einer meiner Onkel heißt Luigi. Nach dem sollte ich benannt werden. Unter den Nazis musste man aber verdeutschte Namen haben. Als der Laden zu Ende war und als ich anfing, mich im Design breitzumachen, nannte ich mich Luigi.

Unterschreiben Sie irgendwo mit „Lutz Colani“?

Ich unterschreibe mit „L. Colani“. So umgehe ich diese Problematik.

Kommt man als Designer in Deutschland besser an, wenn der Name italienischer klingt?

Das ist mit ziemlicher Sicherheit der Fall. Zu der Zeit, als ich meine Namensänderung vollzog, war das italienische Design weltbeherrschend. Jetzt sind die ja total ausgeblutet.

Stimmt es eigentlich, dass Ihnen der Führerschein auf Lebenszeit entzogen worden ist?

Ach, wegen Lappalien haben sie mir den entzogen. Nicht für immer, aber für lange Zeit. Ich bin ja ein wohlhabender Mann, also habe ich mir damals einen Rolls-Royce gekauft, mit englischer Nummer dran und einer englischen „driving licence“. Und den deutschen habe ich irgendwann wiederbekommen.

Damals ging es um Probleme mit der Geschwindigkeit, oder?

Ich lebe zwischen 200 und 300 Stundenkilometern. Heute noch! Das ist eine der Sünden, denen ich mich gern hingebe. Ich fahre wie ein Weltmeister!

Wie ein Weltmeister?

Ich bin ja Inhaber vieler Weltrekorde auf dem Salzsee. Und ein Fex wie ich, der Autos macht, setzt sich da schon mal rein und lässt es richtig brummen. Wenn noch wer im Auto ist, fahre ich sehr zivilisiert, sehr weiblich, sehr zart. Aber ich fahre wie ein Hammer, wenn ich allein bin. Wo eine Lücke ist, da bin ich drin!

Wir haben gelesen, dass Sie an Reinkarnation glauben. Als was würden Sie denn gern widergeboren werden im nächsten Leben?

Ich habe das anders gemeint. Ich habe viele Menschen sterben sehen in meinen Armen und dabei bemerkt, dass die Seele etwas früher verschwindet als der Körper. Ich hege die Vermutung, dass die Seele eine infinitesimal kleine elektromagnetische Auswirkung hat. Und die lagert sich in der Schicht oberhalb der Erdatmosphäre ab, da bildet sich die größte Schallplatte der Welt.

Wie meinen Sie das?

Da oben sind die ganzen Seelen, man müsste das mal melken! Alle gedanklichen Emanationen sammeln sich da: Hannibal über die Alpen, die Flüstereien von Kleopatra, auch meine Flüche und meine Stöhner – das alles hängt da oben.

Alles? Auch die E-Mails?

Ich hege die Vermutung, dass der liebe Gott da eine Bremse macht und die ganze SMS-Scheiße nicht herauflässt. Das wäre vielleicht eine Überlagerung.

Apropos Flüche, warum schimpfen Sie immer so über alle?

Das tue ich nicht.

Doch, Sie reden immerzu über Deppen, Vollidioten . . .

... aber das sind doch keine Kraftausdrücke! Seitdem ich in Asien bin, bin ich Buddhist geworden, ich fluche nicht mehr.

Aber gerade haben Sie doch ...

Na ja, das ist halt die italienische Seite in mir.

Und wie geht das zusammen – fluchender Italiener und sanfter Buddhist?

Passt nie zusammen, das ist ja die Scheiße!

Müssen Sie eigentlich zu allem Ihren Senf dazugeben? Oder ist Colani auch mal still?

Ich bin eigentlich einer, der überhaupt nie spricht, wenn irgendwo was gequatscht wird. Ich bin der Einzige in der Runde, der dann die Schnauze hält – ein sehr, sehr wenig Sprechender. Es gibt Mitarbeiter, mit denen bin ich seit 45 Jahren zusammen, und mit denen habe ich in 45 Jahren nicht so viel gesprochen wie jetzt in diesem Interview.

Sie haben sich für Ihre Arbeiten immer von der Natur inspirieren lassen. Wer ist eigentlich der bessere Designer – die Natur oder Colani?

Die Natur natürlich! Ich beobachte das ja ständig, ich tauche wie ein Weltmeister, verbringe ein Drittel meines Lebens unter Wasser, im Pazifik.

Wären Sie gern ein Fisch?

Ja, wenn ich unter Wasser bin, dann sehe ich mich armes Schwein dort, und jedes Fischlein überholt mich. Ich sitze dann wie ein Depp an meinem Felsen und habe so ei- nen Schlauch in der Schnauze, lasse die Mantas um mich rumschwimmen und denke: „Gott, was sind wir kleine, doofe Saurier!“

Welcher Fisch wären Sie denn gern?

Ein Haifisch. Das ist die absoluteste Stromlinienform, die es überhaupt gibt. Ich habe mal nach dieser Form ein Flugzeug gebaut – fliegt wie der Teufel, das Ding.

Haie sind aber gefährlich ...

... überhaupt nicht! Der Hai braucht nur seine 250 Gramm Fleisch am Tag, die muss er eben haben. Wir fressen viel mehr, wir kleinen Menschen von 1,80 oder 1,70.

Sie verteidigen den Hai?

... weil ich in seinem Element nichts zu suchen habe. Wenn ich da unten bin, dann bin ich so artig und angepasst, wie ich hier oben nie sein würde. Da halte ich die Schnauze – aber wie! Und bete, dass mir keiner in den Hintern tritt. Denn die hätten jederzeit das Recht, mir den Arsch abzubeißen, aber hundertprozentig.

Ende der Durchsage?

Ende der Durchsage!