Jimmy Page: "Wir waren die Lautesten"

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Grammys und Platin-Alben pflastern seinen Weg: Jimmy Page hat mit der Band "Led Zeppelin" in elf Jahren neun Alben aufgenommen, die sich weltweit über 300 Millionen Mal verkauften und den Hardrock mitbegründeten. Im Playboy Classic Interview spricht er mit uns über über perverse Sex-Mythen, harte Drogenzeiten und guten HipHop.

Für einen, der alles gesehen, probiert und überlebt hat, ist James Patrick Page in Bestform: Stämmig, frische Gesichts- züge, dandyweißes Haar – so empfängt er in der Bibliothek des Londoner „Gore“-Hotels, in den 60ern Treffpunkt der Rock-Aristokratie. An der Bar stürzten schon Jimi Hendrix und Keith Richards ab.

Playboy: Herr Page, worin bestand das Geheimnis von Led Zeppelin?

Page: Im Groove. Der war unschlagbar. Und hat dafür gesorgt, dass zu unseren Konzerten nicht nur hässliche, langhaarige Typen erschienen sind, sondern auch jede Menge hübscher Frauen, die allesamt getanzt haben. Also ins Publikum zu schauen und all diese aufregenden Bräute zu beobachten, die völlig hin und weg waren: Das ist doch alles, wovon ein Musiker träumt!

Wie exzessiv waren Sie, was Sex und Drogen betrifft?

Längst nicht so wild, wie behauptet wird. Wir waren ja alle verheiratet, und zwar glücklich. Warum sollten wir riesige Orgien gefeiert haben? Klar ist es ab und zu passiert, dass man sich mit Groupies eingelassen hat. Einfach weil man einsam war oder Heimweh hatte. Aber das meiste ist frei erfunden. Vor allem von Richard Cole, unserem damaligen Tourmanager, der uns zig Geschichten angedichtet hat, nur um irgendwelche Mädels ins Bett zu bekommen. Nach dem Motto: „Ich bin der Schlüssel zur Band, Schätzchen.“

Im Song „Royal Orleans“ vom 1976er-Album „Presence“ landet ein Bandkollege immerhin versehentlich mit einem Transvestiten im Hotelzimmer ...

(lacht) Das war ich nicht.

Und der zweite Teil des Textes besagt, dieselbe Person sei mit einem glühenden Joint auf dem Bett eingeschlafen und habe für ein stattliches Feuer gesorgt.

Also, das würde ich nicht hundert- prozentig ausschließen. Aber was den Transvestiten betrifft: Den kannte ich ziemlich gut. Er gehörte zum Freundeskreis unseres Tourmanagers. Und natürlich wusste ich, dass er ein Kerl war. Die Verwechslung hat es aber wirklich gegeben – nur dass es ein anderes Bandmitglied war. Was ich jetzt nicht weiter ausführen möchte.

Kaum eine andere Band prägte den Hardrock so sehr wie Led Zeppelin.
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Außerdem waren Led Zeppelin die erste Rockband mit eigenem Flugzeug, einer Boeing 720 namens „The Starship“.

Am Anfang sind wir mit einem klapprigen alten Auto durch Amerika getourt, was schrecklich war. Dann reisten wir im Greyhound-Bus, anschließend mit Linienflügen. Ich meine, wir haben es komplett falsch gemacht – nämlich so, dass es wehtat. Und als wir es uns endlich leisten konnten, im Privatjet zu reisen, war uns klar: Das hätten wir von Anfang an so machen sollen. Was natürlich nicht geht.

Über die Ereignisse an Bord kursieren die wildesten Gerüchte.

Und das soll auch so bleiben. Im Sinne von: Ich kommentiere das nicht – nicht einmal die haarsträubendsten Sachen. Also die, die unmöglich passiert sein können, weil sie viel zu abgedreht klingen.

Wie perverse sexuelle Spiele mit Fischen und jungen Damen?

Ja, das ist doch krank, oder? Aber ich werde mich nicht hinstellen und das dementieren.

Warum?

Weil es wichtig ist, dass es Geheimnisse und Mythen gibt. Gerade in Bezug auf eine Rock’n’Roll-Band. Das ist es, was die Leute fesselt. Wäre alles ganz unspektakulär, hätte es doch keinen Reiz. Und deswegen grinse ich nur. Es ist, als wären wir Superhelden gewesen und hätten wer weiß was angestellt. Aber hey, vielleicht haben wir das ja auch. Ich meine, unser Ziel als Band war schließlich die Stratosphäre. Es war Stratosphonic Rock!

Und ohrenbetäubend laut.

Das kann schon sein. Als wir 1969 im Pariser Olympia aufgetreten sind, waren wir definitiv die lauteste Band, die je dort gespielt hat. Aber der springende Punkt ist: Unsere Auftritte waren vielmehr eine Übung in Sachen Dynamik. Also von einem Flüstern zu einem Schreien – und wieder zurück. Weil wir das spannend fanden. Und weil es das in der Form noch nicht gegeben hatte. Wir haben die Türen für sämtliche Extreme geöffnet, durch die viele Leute gegangen sind.

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Jimmy Page war Gitarrist, Gründer und Produzent der britischen Hard-Rocker.

Demnach sind Sie so etwas wie die Großväter des Hardrock?

Ich sage mal ja, obwohl ich mit dem Begriff Großväter nicht wirklich glücklich bin. Aber okay, irgendwie trifft er die Sache. Wir sind der Nukleus, so viel ist sicher.

Wie wichtig waren in diesem Zusammenhang die Drogen? Dienten sie der Steigerung des kreativen Prozesses?

Das ist ein weiterer Mythos. Drogen machen dich kein bisschen kreativer. Du bist nur einfach nicht da. Das ist alles. Und ich möchte Drogen auch nicht glorifizieren. Weil ich genug davon hatte – und froh bin, endlich davon los zu sein.

Aber mal ehrlich: Was wäre die Geschichte von Led Zep ohne Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll?

Ich schätze, wir waren einfach sehr jung. Was jetzt keine Ausrede sein soll, aber: Wir waren in unseren 20ern und haben es voll ausgekostet. Wie das wohl jeder tun würde – und sollte. Ernsthaft: Mach es, solange du kannst!

Mitte der 70er flüchteten Sie ins Heroin – ein Mittel gegen Stress?

Wenn man bedenkt, dass „Presence“ in gerade mal drei Wochen entstanden ist und „In Through The Out Door“ – also unser letztes Studioalbum – in allerhöchstens vier, dann war es schon sehr schwierig, fokussiert und bei der Sache zu sein. Das ging nicht ohne Drogen. Nur: Ich mag das „H“-Wort nicht, das Sie gerade benutzt haben. Einfach weil ich nicht stolz darauf bin – und weil ich mir nicht nachsagen lassen möchte, dass ich Drogenmissbrauch propagiere. Das tue ich nicht. Einfach weil eine Menge Leute daran gestorben sind.

»Wir haben es voll ausgekostet. Wie das wohl jeder tun würde – und sollte. Ernsthaft : Mach es, solange du kannst!«

2007 haben Led Zeppelin ihr letztes Konzert gespielt – vor 18.000 Zu- schauern in der Londoner O2-Arena, wofür es 20 Millionen Ticket-Anfragen gab. Wie sind Sie damit umgegangen?

Für mich ist es eigentlich dasselbe, ob ich vor zehn oder zehntausend Leuten spiele. Ich versuche immer nur, der Musik gerecht zu werden. Ich weiß, dass das wie ein Klischee klingt, aber es ist wirklich das Wichtigste. Der einzige Druck besteht darin, dass du weißt, sie sind aus allen Teilen der Welt angereist, haben monatelang dafür gespart und wollen auf keinen Fall enttäuscht werden. Die Musik muss immer korrekt gespielt werden. Man kann sie sich nicht so aus dem Ärmel schütteln, sonst klingt sie scheiße.

Hand aufs Herz: War es das jetzt für Led Zeppelin? Sind die "Remasters" Ihrer neun Studio-Alben der berühmte letzte Vorhang?

Ich fürchte, ja. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass wir noch mal etwas zusammen machen. Ich meine, man sollte niemals nie sagen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass da noch was passiert.

Sie haben am Ende also kein Mittel gegen den Krebs gefunden, was Ihr erklärtes Lebensziel war. Aber doch etwas anderes – sind Sie zufrieden?

(lacht) Ich bin nie Biologe geworden, wie ich es als Kind werden wollte. Aber ich habe trotzdem etwas geschaffen, das als Arzneimittel durchgehen könnte.

„Es gibt nur zwei Arten von Musik – gute und schlechte“

Wäre denn eine Band wie Led Zeppelin 2014 überhaupt noch möglich?

Eher nicht. Was daran liegt, dass im Grunde alles ausgeschöpft ist und es kaum noch echtes Neuland gibt. Außer dass sich die technischen Hilfsmittel verändern, dass es auf Grund der Technik immer leichter wird, ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Das stimmt mich aber nachdenklich, weil das Handwerkliche, also das musikalische Können, dadurch immer weiter in den Hintergrund tritt.

Playboy: Was hören Sie selbst gern?

Es ist, wie Duke Ellington gesagt hat: „Es gibt nur zwei Arten von Musik – gute und schlechte.“ Das gilt für alle Bereiche, wahrscheinlich sogar für Techno und Trance (lacht). Aber im Ernst: Heute muss man schonbeine Menge schlechte Musik ertragen, um etwas Gutes zu entdecken. Aber wenn, dann ist es meistens richtig gut – egal, ob HipHop oder Bluegrass. Es gibt in letzter Zeit auch wieder viele interessante Rockgruppen. Mehr als in den 90ern und 80ern. Etwa die Foo Fighters, die Arctic Monkeys oder The Answer. Die gefallen mir, weil sie bodenständig und ehrlich sind und Eier haben, wenn Sie wissen, was ich meine.