Ilona "Cicciolina" Staller im Interview: "Pornografie ist sauberer als Politik"

Es gibt Lebensläufe, die kann man nur schwer glauben. Der von Illona Staller beispielsweise ist genau so einer. 1951 in Budapest geboren und besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Cicciolina, machte sie in den 70er-Jahren erst als Porno-Darstellerin, später als Politikerin und schließlich als Frau und Muse des US-amerikanischen Objektkünstlers Jeff Koons Karriere. Ihre Auftritte, bei denen Sie sich gerne freizügig zeigte und Sittenwächter verstörte, sorgten regelmäßig für Schlagzeilen. Andere sehen in der ungarisch-italienischen Aktivistin hingegen eine Kämpferin für Freiheitsrechte. Wir haben mit der heute 69-Jährigen gesprochen.

Frau Staller, Sie führen ein sehr ereignisreiches Leben. Sie waren als Model, Pornodarstellerin und Politikerin tätig. Stimmt es, dass Sie auch für den ungarischen Geheimdienst gearbeitet haben?

Ich habe ein paar Monate im Geheimdienst gearbeitet, weil mir klar war, dass mein Leben in Gefahr sein könnte. Ich erinnere mich, dass ich mit einigen geheimen politischen Missionen für Ungarn beauftragt wurde. Ich darf bis heute nicht sagen, worum es ging, weil sie streng geheim waren. Ich hätte Angst, dass man mich umbringen könnte, würde ich sie enthüllen.

Teil Ihrer Auftritte war es, Ihre Brüste zu entblößen. Was haben Sie damit ausdrücken wollen?

Während des Wahlkampfes mit der Partito Radicale (deutsch: radikale Partei) 1987 stellte ich meine Brüste öffentlich zur Schau. Meine Brüste repräsentierten das Symbol des Begehrens zusammen mit dem Victory-Zeichen von Sir Winston Churchill.  

Als Politikerin haben Sie sich für Menschen- und Tierrechte, gegen den Hunger in der Welt und gegen Atomenergie eingesetzt. Als Sie im Parlament saßen, führten Sie weiterhin Ihre Pornoshow "Perversion" auf. Wie stehen Sie zu Pornografie und Politik?

Ich bin überzeugt, dass Pornografie sauberer ist als Politik. Die Pornografie stellt sich selbst bloß, die Politik tut das nicht. Wie John Lennon, der für Frieden, Liebe und gegen den Krieg predigte, bin auch ich davon überzeugt, dass meine Menschen- und Tierrechtsgesetze eines Tages zum Gesetz für die ganze Welt werden. Alle Lebewesen haben das Recht, in Frieden, Liebe und Freiheit zu leben.

Sie haben immer gegen Prüderie gekämpft. Wie prüde ist unsere Gesellschaft im Jahr 2020?

Die Gesellschaft des Jahres 2020 ist individualistisch, und jeder versucht, auf einfache Weise reich zu werden. Sie hat die Grundwerte der Vergangenheit verloren und ist seelenlos und egoistisch geworden. Ich habe politisch gekämpft, weil ich glaubte, dass die Gesellschaft in der Zukunft besser sein könnte, aber noch heute machen Staaten Geschäfte mit der Rüstungsindustrie. 

Nachdem Sie die Pornoindustrie verlassen hatten, heirateten Sie den Künstler Jeff Koons. Aber die Ehe wurde bald wieder geschieden. Wie beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Jeff Koons?

Mit Jeff Koons habe ich unseren Sohn Ludwig Maximilian Koons, der heute 28 Jahre alt ist. Ein wunderschöner junger Mann und zeitgenössischer Künstler. Mit Jeff Koons habe ich seit etwa 30 Jahren keine Beziehung mehr. Ich war es, die ihn einst berühmt gemacht hat.

Warum haben Sie nach der Geburt Ihres Sohnes die Vereinigten Staaten verlassen – und wie kam es dazu, dass Sie heute nicht in die USA einreisen dürfen?

Ich liebte Amerika, aber ich bin mit meinem 13 Monate alten Sohn aus den Staaten weggelaufen, weil ich mich mit Jeff Koons nicht mehr verstand. Als ich mit meinem Sohn aus Amerika nach Italien floh, erließ die New Yorker Gerichtsbarkeit einen Haftbefehl gegen mich, den das FBI hätte ausführen sollen.

Medienberichten zufolge ist der Haftbefehl gegen Sie erneuert worden, obwohl der Streit um das Sorgerecht für Ihren Sohn beigelegt sein soll. Wie erklären Sie diese Umstände? 

Ich habe wieder Justiz-Probleme mit den Vereinigten Staaten und bin wegen der Entführung meines Sohnes im Jahr 1993 wieder in den internationalen Schlagzeilen. Der Bezirk New York hat den Fall wieder aufgenommen, obwohl er als abgeschlossen galt. Ich habe den berühmten Anwalt Luca Di Carlo mit der Verteidigung beauftragt, sie nennen ihn "des Teufels Advokat". Er verteidigte auch Michael Jackson, den King of Pop. Er wandte sich im Anschluss an die Erneuerung des Haftbefehls auch in einem Schreiben an die Regierung und den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, mit der Bitte um die sofortige Aufhebung des Haftbefehls.

Was denken Sie über Donald Trump? Haben Sie ihn jemals getroffen?

Donald Trump ist ein großer Geschäftsmann. Melania und Ivanka Trump sind wunderschön. Wir trafen uns 1993 in New York im Trump Tower, wo ich oft mit meinem Hund namens Bigiù vorbeiging.

Was halten Sie von seinem Rivalen Joe Biden?

Ich kann ihn nicht beurteilen, weil ich den Inhalt der Kampagne nicht kennen.

Wer, glauben Sie, wird die Wahl gewinnen?

Wenn ich ein Zauberer wäre, könnte ich das wohl sagen.

Anfang des Jahres berichteten die Medien, Sie wollten wieder in die Politik zurückkehren?

Ich habe eine Partei namens DNA für Italien gegründet. DNA bedeutet Demokratie, Natur, Liebe. Ich schließe ein DNA-Engagement und meine Kandidatur auch für die Vereinigten Staaten von Amerika nicht aus. Schließlich stelle ich auch meine Gemälde in Museen auf der ganzen Welt aus.

Was möchten Sie in Ihrer Heimat Italien ändern? 

Italien ist ein großartiger Staat, der zu Gunsten armer Menschen regiert werden sollte. Aufgrund der bisherigen internationalen Politik und des Terrors von Covid 19 herrscht dort zunehmend Armut.