Playboy: Herr Maurer, die Red Bull X-Alps starten Mitte Juni. Mal Hand aufs Herz: Warum tut man sich eine solche Tortur freiwillig an?
Chrigel Maurer: Was eine Tortur ist, definiert jeder für sich anders. Für mich ist es zugegeben ab dem zweiten oder dritten Tag schon eine Tortur, doch die Faszination, das Ziel Mittelmeer zu erreichen, ist motivierend genug. Für mich steht das Erlebnis an erster Stelle. Die Erkenntnisse, die ich für mich erfahren und für andere weitergeben kann. Für mich steht das Abenteuer zusammen mit den Kollegen im Vordergrund.
Welche Grundvoraussetzungen muss man haben, um bei diesem Rennen teilzunehmen?
Für mich gelten fünf Faktoren als elementar: Körperliche Fitness, sehr gute Kenntnisse vom Gleitschirmfliegen, Know-How im Bereich GPS und sehr gute Orientierung, die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, ein engagiertes, vertrautes Supporter-Team sowie das genaue Studieren der Reglements. Und natürlich sollte man auch den Gleitschirm beherrschen, denn große Strecken in der Luft zu bewältigen, wenn das Wetter es zulässt, bringen einen schneller voran.
Dennoch müssen Sie in diesem Jahr eine Gesamt-Distanz von 1.138 Kilometern zurücklegen, und das am besten schneller als Ihre Kontrahenten. Bei Ihnen waren es in den letzten Jahren meistens 10 Tage. Wie viel Schlaf- und Ruhepausen hat man da im Durchschnitt?
Meist komme ich um 22- 22:30 beim Nachtlager an. Dann folgt die schnelle Routine: Waschen, Nachtessen und ab ins Bett. Wenn ich den Tag voll ausnutzen möchte, klingelt um 04:50 Uhr auch schon wieder der Wecker. Aus taktischen Gründen konnte ich jedoch auch schon über 6 Stunden schlafen.
Insgesamt sind es fünf Disziplinen, die Sie während dem Rennen meistern müssen: Laufen, Trail-Running, Bergsteigen, Klettern und Gleitschirmfliegen. Welche davon ist Ihre gefürchtetste?
Für mich sind es eigentlich sechs Disziplinen, da man, ähnlich wie beim Schach, ständig überlegen muss, was taktisch gesehen in welcher Situation am besten ist. Wir müssen ständig überlegen, welche Züge wir machen, um danach optimal aufgestellt zu sein. In Kombination mit dem Wettkampfdruck und der permanenten Müdigkeit ist das nicht immer toll. Erschwerend hinzu kommt, dass diese Entscheidungen auch meine Gesundheit betreffen. Ansonsten habe ich grossen Respekt vor dem Strassenlaufen, meine Beine und Füsse werden oft überbelastet und die Endzündungen sind verdammt schmerzhaft.
Mit welchen Gefahren müssen die Athleten rechnen?
Ganz klar Selbstüberschätzung und die unterschiedlichen Witterungsbedingungen.
Die Konditionen bezogen auf Witterung und Temperatur während des Rennens sind mit 40 Grad Unterschied extrem. Wie wichtig ist da Improvisation?
Anhand der heutigen Genauigkeit der Wetterprognosen können wir zum Glück relativ gut planen. Wichtig denke ich ist, dass man auch immer einen Plan-B in der Hinterhand hat. Reserven müssen eingeplant werden. Wer gut vorbereitet ist, kann besser improvisieren.
Als Extremsportler und Hike & Fly Athlet leben Sie gefährlicher als jemand, der den ganzen Tag im Büro sitzt. Erst vor kurzem sind drei weltberühmte Bergsteiger tödlich verunglückt. Haben Sie sich vor diesem Hintergrund auch schon mal selbst Gedanken über die eigene Endlichkeit gemacht?
Das ist in der Tat ein schwieriges Thema. Ich möchte diese Gefahren auch nicht abstreiten oder leugnen, denn ich bin mir diesen durchaus bewusst. In meinen 20 Jahren Flugerfahrung hatte ich auch schon häufig grosses Glück und es blieb bisher "nur" bei einem gebrochenen Bein. Andererseits hatte ich gerade beim Fliegen schon Erfolgs- und Glücksmomente, die ich im Büro niemals haben würde.
Wir gehen davon aus, dass Sie auch in diesem Jahr wieder den Sieg für sich beanspruchen möchten. Haben Sie einen Masterplan dafür in der Tasche?
(Lacht) Ich mag Masterpläne. Je besser ich mich vorbereitet fühle, um so größer wird meine Vorfreude auf das Unbekannte. Mein Ziel ist es, eine Strategie für jede Situation und jedes Gebiet zu haben, damit ich im Rennen bestmögliche Flexibilität habe.
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