„Es gibt alte Typen, denen ist alles scheißegal. Aber mir nicht“

Credit: ROBYN BECK

Er ist Rocky, Rambo - und wollte doch immer mehr sein: Sylvester Stallone, der Künstler. Erfolg und Demütigung liegen für ihn eng beieinander. Und er? Macht weiter. Actionfilme. Ein Gespräch über gute Narben, Hollywoods Hölle und das Matriarchat in seinem Haus

Noch bevor Sylvester Stallone den Raum betritt, ist er schon zu hören. Im Badezimmer der Interviewsuite betätigt er die Klospülung. Nicht, dass er kein Recht auf eine Pinkelpause hätte. Aber von einer Ikone des Actionkinos würde man einen anderen Einmarsch erwarten, anstatt sich Fragen zu stellen wie: „Wäscht er sich auch die Hände?“ Was er tut.


Playboy: Wie alt fühlen Sie sich, Mr Stallone?
Stallone: Das hängt davon ab, ob Sie meinen Körper oder meinen Geist fragen.

Playboy: Okay, zuerst den Körper...
Stallone: Ich komme mir wie ein ausgedienter Sportler vor. Junge Leute kapieren das nicht - aber kaum schaust du dich dreimal um, bist du schon 60. Alle Knochen tun mir jetzt weh. Jedes Mal, wenn ich was berühre - peng, breche ich oder reiße ich mir etwas. Vor ein paar Monaten habe ich mit Schwarzenegger „The Tomb“ gedreht. Schauen Sie sich das mal an. (Er zieht sein Hosenbein hoch und zeigt eine wulstige Narbe auf seinem säulenhaften Unterschenkel.) Das habe ich mir da geholt. 70 Stiche, unglaublich. Aber ich bin auch ganz froh drüber. Das bringt Glück. Jedes Mal, wenn ich einen Film drehe, ohne mich zu verletzen, wird der furchtbar.

Playboy: Eigentlich müssten Sie sich das nicht mehr antun. Sie haben doch längst Ihre Schäfchen ins Trockene gebracht.
Stallone: Aber da kommt mein Geist ins Spiel. Oder um es mit Rocky zu formulieren: „Das Letzte, was altert, ist dein Herz.“ Man könnte auch sagen: deine Seele. In mir drin fühle ich mich noch 25. Voll im Ernst. Es gibt

alte Typen, die haben’s verloren, denen ist alles scheißegal. Aber mir nicht.

Playboy: Aber Sie hatten es doch schon verloren. Wollten Sie nicht mal ganz aufhören?
Stallone: Klar. Ich war fertig. Ich konnte ja nicht mal mehr einen Job bekommen. Ich war der vierte Hauptdarsteller in „Spy Kids“! Wenn du so weit bist, dann bist du durch. Nichts gegen den Regisseur Robert Rodriguez, ich liebe den Mann, aber von da herzukommen, wo ich herkam - Sie wissen schon, was ich meine. Das war einfach nichts mehr.

Playboy: Das war ja kein böses Schicksal, sondern hausgemacht.
Stallone: Will ich gar nicht bestreiten. Ich habe mir die klassischen Fehler geleistet und nur Sachen des Geldes wegen gemacht. Zum Teil habe ich auf schlechte Ratgeber gehört, aber hauptsächlich war das meine Verantwortung. Mit so einer Einstellung kommen nur schlechte Filme heraus. Am meisten hat mich gewurmt, dass ich bei „Rocky V“ nicht selbst Regie geführt habe. Ich habe überhaupt nicht mehr auf den Film aufgepasst. Wie alle dachte ich: Klar, „Rocky“, das ist eine sichere Nummer. Und danach landete ich in der Vorhölle, wie wir in Hollywood sagen. Da, wo nichts mehr weiterging.

Playboy: Sie haben aber dann doch noch „Rocky VI“ gedreht und Ihre Karriere gerettet.
Stallone: Weil ich das mit dem fünften Teil nicht vergessen konnte. Ich fühlte mich selbst wie ein Boxer, der sich in der Nacht vor dem großen Meisterschaftskampf besäuft und verliert - obwohl er normalerweise gewonnen hätte. So etwas bereust du für den Rest deines Lebens. Ich dachte mir: Wenn ich noch eine Chance in diesem Business bekomme, um alle Rechnungen zu begleichen und dann auszusteigen, dann mit „Rocky“. Als ich dann den Film plante, machten sich die Leute natürlich darüber lustig. Meine Güte, wurde ich da gedemütigt. Aber ich sagte: Da geht’s nicht mehr um Boxkämpfe, sondern um Gefühle, das ist praktisch meine Lebensgeschichte. Deshalb dachte ich mir auch, dass das funktionieren könnte.

Playboy: Warum hat es eigentlich nie echte Nachfolger für Sie gegeben?
Stallone: All die jungen Typen werden von der Technologie behindert. Die heutigen Actionstars sind von digitalen Effekten eingesperrt. Die können nie sie selbst sein, weil sie immer bestimmte Markierungen treffen müssen. In meiner Schule lief das komplett anders. Wir haben uns die Sachen einfach einfallen lassen. Bei „Shootout“ lief das ähnlich. Wir hatten nicht viel Geld, aber wir wollten eine Kampfszene, bei der den Leuten die Haare zu Berge stehen. Und was ist primitiv und Furcht einflößend? Äxte! Davor hat jeder Angst.

Playboy: Ihr alter Rivale Arnold Schwarzenegger zieht ja inzwischen am gleichen Strang wie Sie . . .
Stallone: Ja, wer hätte sich vorstellen können, dass wir zusammen mal drei Filme hintereinander drehen?

Playboy: Wie kam es damals zu diesem Konkurrenzkampf?
Stallone: Mit uns wurde der moderne Actionfilm geboren. Wir erschienen eben gleichzeitig auf der Bildfläche, und ich sah dieses Monster und dachte mir: Ich muss mich noch besser in Form bringen. Und er schaute mich an und kapierte: Ich muss meinen Akzent verlieren.

Playboy: Gab’s damals echte Reibereien zwischen Ihnen?
Stallone: Wir kamen miteinander klar - aber nur oberflächlich. Ich sagte meistens nicht viel mehr als „Wie geht’s?“. Er dagegen ging mehr aus sich heraus. Da war er sehr gut. Er war eben schon damals ein Politiker. Ich habe gesehen, wie sich die Rädchen in seinem Kopf drehten. „Oh, das war zu schlimm mit deinem letzten

Film. Der lief doch nicht gut, oder?“ - so etwas bekam ich von ihm zu hören. Ich konterte dann: „Und wie war’s mit deinem ’Junior’? Der hat auch nicht so viel gemacht.“ Dieser Bullshit lief die ganze verdammte Zeit ab. Er war gut darin, mich zu reizen, und ich habe das Gleiche bei ihm gemacht. Aber er beherrschte das Spiel von Hollywood besser als ich, denn er wusste, wie er einen anderen Typ Regisseur kennen lernt. Meine Stärke war das nicht.

Playboy: Aber wollte nicht einmal Tarantino mit Ihnen drehen, und Sie haben ihm abgesagt?
Stallone: Das war für „Grindhouse“ - die Rolle, die dann von Kurt Russell übernommen wurde. Würden Sie so etwas spielen? Ich weiß noch, wie ich mich mit meiner Frau darüber unterhielt. Dieser Typ nimmt Mädchen im Alter meiner Töchter, schlägt ihnen die Köpfe ein, und dann weidet er sie aus. Das war eine Grenze, die wollte ich nicht überschreiten. Es ist schlimm genug, wenn du dir so etwas anschauen musst.

Playboy: Was halten Ihre drei Töchter davon, dass ihr Vater einer der größten Actionhelden Hollywoods ist?
Stallone: Das beeindruckt sie nicht. Wenn du Töchter im Teenager-Alter hast, dann bist du passé. Sie sagen zu mir: „Könntest du mich bitte nicht bis zum Schuleingang fahren, sondern mich ein paar Häuser davor absetzen?“ - Ich habe versucht, sie zu überzeugen: „Ihr habt doch Rocky und Rambo als Vater, alle in eurer Schule lieben mich.“ Aber sie sagen nur „Uuuh“. Ich bin ihnen peinlich. Also habe ich es aufgegeben. Wenn ich zu Hause mal die Stimme erhebe, verliere ich genauso. Denn sie schreien noch lauter. Sie haben vor mir keine Angst. Die Jungs, die mit ihnen ausgehen, tun mir jetzt schon leid. Diese Mädchen fürchten sich vor gar nichts.

Playboy: Vielleicht sollten Sie den potenziellen Verehrern ein paar Tipps geben.
Stallone: Das werde ich auch. Aber meine Töchter bringen echt nicht gern Jungs mit nach Hause.

Playboy: Sie meinten doch, sie hätten vor Ihnen keine Angst.
Stallone: Ja, es gibt keinen Grund. Ich würde sowieso nichts sagen. Aber die Jungs sind es, die sich fürchten. Keiner lädt meine Mädchen zu einem Date ein. Ich schwöre es Ihnen.

Playboy: Warum?
Stallone: Angeblich sagen die Jungs: „Dein Vater wird mich mit einem Pfeil erschießen.“ Ich konnte es nicht glauben: „Das behaupten die in echt?“ - „Ja, die sind nervös.“ - „Das ist doch bloß ein Film!“

Playboy: Dann müssen Sie wohl den Kuppler spielen...
Stallone: Da hätte ich nichts dagegen. Ein paar nette wunderbare Geeks - die wären perfekt für meine Töchter.

Playboy: Moment mal, finden Sie die trainierten Sportlertypen nicht besser?
Stallone: Ich würde definitiv die Geeks wählen. Die Jungs mit den Muskeln sind normalerweise nicht so erfolgreich.

Playboy: Und was ist mit Ihnen?
Stallone: Wenn Sie mich zu Hause erleben, würden Sie sehen, dass ich viel mehr ein Geek bin, als Sie

glauben. Ich schreibe, ich male. Ich bin nicht wie diese Typen, die den anderen in den Arsch treten, die Bier saufen und auf ihren Motorrädern in die Wüste fahren. Ich bin stolz auf meine Bibliothek - da sind alle Bücher in Leder gebunden. Meine Filmcharaktere und mich sollten Sie nicht verwechseln.

Playboy: Wie kommen Sie dann dazu, nur solche Typen zu spielen?
Stallone: Für meine Eltern spielte das Geistige keine Rolle - zu keinem einzigen Zeitpunkt. Mein Vater hat mich körperbetont erzogen, und das meine ich nicht positiv. Und irgendwann gewöhnst du dich an so etwas. Aber ich möchte meinem Vater auch keinen Vorwurf machen. Kinder wurden eben früher so von ihren Eltern behandelt.

Playboy: Mussten Sie den Überlebensgeist, den Sie in Ihren Filmen zeigen, mal in realen Bedrohungsszenarien einsetzen?
Stallone: Nein, nie. Ich habe meine ganzen Gefahrensituationen nur beim Filmemachen erlebt. Dem habe ich meine Krankenhausaufenthalte zu verdanken. Ich wurde auch nie bedroht oder musste mich prügeln - nicht jedenfalls, dass ich mich erinnern könnte.

Playboy: Und wie es in Ihrem eigenen Haus ist, haben Sie ja gerade schon erzählt: Da können Sie sich nicht behaupten...
Stallone: Da herrscht eben das Östrogen. Meine Frau, drei Töchter. Wir haben auch nur Haushälterinnen. Und unsere fünf Hunde sind alle kastriert.

Playboy: Ihre Frau ist also auch stärker als Sie?
Stallone: Keine Frage. Ich habe für „Reach Me“ eine Szene geschrieben, in der ich sage: „Männer bekommen, was sie wollen, indem sie mit purem Willen alle Hindernisse zertrümmern. Frauen machen das mit purem Können.“ Du kannst eine Frau nicht in einer Diskussion schlagen. Sie wird dich mit ihrer Logik begraben. Und mit ihrer Energie.

Playboy: Fände Sie Ihre Frau immer noch attraktiv, wenn Sie körperlich abbauen würden und keine Muskeln mehr hätten?
Stallone: Sie behauptet, das wäre so. Aber das kaufe ich ihr nicht ab. Sie sagt zu mir: „Werde fett, dann gibt es mehr von dir.“ Und ich entgegne: „Nein, du könntest ein bisschen mehr Fett vertragen, dann würdest du süß aussehen.“ Denn sie ist wirklich dünn, aber bei mir wäre das was anderes. Erst mal glaube ich, mein Gehirn würde explodieren. Ich hätte kein Selbstbewusstsein mehr. Und es tut mir auch körperlich nicht gut.

Playboy: Sie glauben also, Ihre Frau würde Sie mit Bauch nicht tolerieren?
Stallone: Doch, letztlich schon. Sie ist in der Hinsicht netter als ich. Einmal sagte ich zu ihr: „Was wäre, wenn ich im Rollstuhl lande? Würdest du mich von der Klippe stoßen? Denn das würde ich von dir wollen.“ Sie war ganz entsetzt: „Wie kannst du nur so etwas sagen?“

Playboy: Also sind Sie doch aufs Körperliche fixiert? Sie könnten ein Leben im Rollstuhl nicht ertragen?
Stallone: In den ersten paar Monaten würde ich mich wahrscheinlich umbringen wollen. Aber dann würde sich ein anderer Teil meines Bewusstseins einschalten. Wenn ich allerdings mal querschnittsgelähmt bin, dann zieht mir bitte den Stecker raus. - Oder vielleicht doch nicht. Wer weiß? Aber lassen wir’s gut sein. Ich schaue lieber auf die Sonnenseite des Lebens.