Playboy: Riesige Joints drehen, dauerkiffen, Rauchringe blasen – die Dreharbeiten zu „Lommbock“ haben Ihnen wie bereits der erste Teil einiges abverlangt. Wo schafft man sich solche Fertigkeiten eigentlich drauf?
Bleibtreu: Wir hatten Kurse ohne Ende.
Gregorowicz: Für den ersten Teil war die Vorbereitungszeit wirklich hart ...
Bleibtreu: ... ich musste erst mal das mit dem Heroin sein lassen.
Gregorowicz: Moritz hatte sich drei Monate lang falsch vorbereitet. Bis ihm aufgefallen ist, ach, Haschisch war das, Mist. Er hatte die ganze Zeit Heroin geübt. (Lachen) Nee, im Ernst – das ist natürlich Berufsgeheimnis.
Bleibtreu: Wir hatten allerdings auch einen sehr guten Requisiteur, ich will nicht wissen, wie viele Tüten der gebaut hat! Der kann das mit einer Hand in der Tasche. Aber es war kein echtes Gras drin, um diese Frage gleich vorwegzunehmen.
Playboy: Sondern?
Bleibtreu: Diverse Tabakprodukte.
Gregorowicz: Ob das besser war, weiß ich allerdings nicht.
Bleibtreu: Ich auch nicht, um ehrlich zu sein. Wenn du mit einem Pappfilter normalen Tabak rauchst, ist das nicht lecker, das ist bah. Wenn du dann so eine Einstellung 15-mal drehst und jedes Mal richtig ziehen musst, merkst du das irgendwann. Es gab eine Situation, da wurde es ein bisschen kotzig.
Playboy: Wie würden Sie die Wirkung von Cannabis beschreiben?
Bleibtreu: Es ist generell eine eher introvertierte, reflektive Droge. Was kreative Arbeit und Musik betrifft, ist das sicherlich nicht nur schädlich. Es gibt großartige Literatur, die komplett bekifft entstanden ist. Ich spreche jetzt nicht von gesundheitlichen Aspekten. Dass das nicht gut ist, ist klar. In den USA haben einige Staaten Marihuana bereits legalisiert.
Playboy: Können Sie sich das für Deutschland auch vorstellen?
Gregorowicz: So eine Verteufelung ist Quatsch. Das macht eher neugierig. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich finde, es sollte legalisiert werden. Natürlich gibt es eine Industrie, die da dranhängt, und Leute, die damit tierisch viel Geld verdienen. Aber dann verdienen jetzt eben mal andere Leute Geld daran.
Bleibtreu: Kann ich nur unterstreichen, jedes einzelne Wort. Abgesehen vom medizinischen Nutzen, der nachgewiesen ist, gibt es viele Gründe zu sagen, dass das längst überfällig ist. Ohne, dass ich mich dafür je stark machen würde.
Playboy: Hatten Sie nach „Lammbock“ auch Bedenken, mit diesem Film das Kiffen zu sehr zu glorifizieren?
Bleibtreu: Das ist mir schon hier und da zum Vorwurf gemacht worden.
Gregorowicz: Das ist aber nicht so. Das Kiffen wird nicht glorifiziert, sondern mit allen Facetten gezeigt. Auch mit den fragwürdigen, gefährlichen Seiten. „Lammbock“ war nie ein Kiffer-Pamphlet.
Bleibtreu: Es ist auch nicht das, was „Lammbock“ zu dem Film macht, der er ist. Es geht nicht nur darum, möglichst breit zu sein und jedes Klischee übers Kiffen auszureizen. Sondern es geht um eine Freundschaft und um die Probleme, die man hat, wenn man jung ist und erwachsen wird. In „Lommbock“ geht es jetzt um die Midlife-Crisis.
Playboy: Und um Heimat. Zwei Freunde treffen sich am Ort ihrer Jugend wieder. Welche Stadt bezeichnen Sie selbst als Ihre Heimat?
Bleibtreu: Hamburg. Wobei ich ein Mensch bin, dem Patriotismus völlig egal ist. Ich kenne das nicht, dass man sagt: „Deutschland vor, noch ein Tor.“
Gregorowicz: Bei mir ist es Bochum.
Playboy: Wie riecht Heimat für Sie?
Bleibtreu: Nach Nebelbrise, dieses leicht Meerige, das vom Hafen rüberkommt. Auch wenn ich die Möwen höre, fühle ich mich sofort zu Hause.
Gregorowicz: Nach Wurst. Wurst, Fiege-Pils und Gabi von der Tischtennisplatte.
Bleibtreu: Eigentlich ist Lucas ja Pole! Ein perfektes Beispiel für Integration.
Gregorowicz: Ja, integriert, erfolgreich, jetzt sogar im Playboy. Obwohl mir meine Mutter verboten hat, mit Ihnen zu sprechen.
Bleibtreu: Im Playboy geht es ja nicht nur um nackte Frauen. Wobei, als ich das erste Mal einen in die Hand bekommen habe, habe ich ihn nicht wegen der schönen Geschichten gelesen ...
Playboy: Wann war das?
Bleibtreu: Recht früh, da war ich noch ganz klein. Damals gab es ja nicht viel, da war jede Form von Erotik noch Print – Playboy, „Lui“, „Praline“ ... Soll ich mal eine richtig lustige Geschichte erzählen?
Gregorowicz: Bitte!
Bleibtreu: Damals waren die Damen in den deutschen Playboys zwischen den Beinen einfach nur schwarz, die Vagina war kaum zu sehen. Ich habe mir das mit meinen zarten zehn Jahren angeschaut und dann gedacht, das sieht halt so aus. Bis ich irgendwann einen amerikanischen Playboy oder irgendwas anderes in die Hände bekommen habe und dementsprechend geflasht war! Ich dachte ja, da ist einfach nur Schwarz.
Playboy: Weil wir vorhin darüber sprachen, dass es in „Lammbock“ ums Erwachsenwerden geht: Wie erwachsen fühlen Sie sich selbst?
Gregorowicz: Ich weiß immer nicht genau, was es eigentlich heißt. Meinen Sie jetzt, so Peter-Pan-mäßig erwachsen?
Bleibtreu: Dieser Begriff beschreibt ja eine soziale und gesellschaftliche Lüge. Als ob Erwachsensein etwas wäre, das greifbar ist. Das ist so ein diffuses Bild, das man Kindern vermittelt, damit sie irgendwann produktive Mitglieder unserer Gemeinschaft werden. Mit 19 hätte ich mir den Mann, der ich heute bin, ganz anders vorgestellt. Also, ich würde sagen, ich bin definitiv erwachsen. Auch wenn ich immer noch darauf warte, es zu werden.
Gregorowicz: Wenn Sie unsere Kinder fragen, werden die bestimmt sagen, wir sind erwachsen.
Bleibtreu: Ja, so einfach hätte man die Frage auch beantworten können! Mein Sohn würde das sicherlich nicht in Frage stellen.
Playboy: Haben Sie eigentlich auch wie die Protagonisten im Film Freundschaften, die seit Schul- oder Studienzeiten bestehen?
Bleibtreu: Ich ja. Eigentlich habe ich einen stabilen Freundeskreis, seit ich 15 bin, da hat sichnichts dran geändert, das ist ein großes Glück.
Gregorowicz: Ich habe nicht viele Freunde. Zwei. Wobei man sich schon glücklich schätzen kann, wenn man einen hat. Einen, der auch da ist, wenn man nicht damit rechnet.
Playboy: Ist es diese Verlässlichkeit, die wahre Freundschaft für Sie ausmacht?
Gregorowicz: Nicht mal. Wenn Verlässlichkeit bedeutet, sich regelmäßig zu melden, meine ich genau das nicht. Manchmal taucht jemand plötzlich wieder auf, und du merkst, der versteht mich wie kein anderer. Von dem lasse ich mir auch etwas sagen, denn wenn er mir einen Ratschlag gibt, weiß er, auf welchen Boden der fällt. Das macht es aus, das ist das Besondere.
Bleibtreu: Freundschaft hat auch ganz einfach etwas mit Zeit zu tun. Die Zeit, die du mit jemandem verbringst, schweißt zusammen. Deswegen entstehen zum Beispiel auch im Gefängnis ganz schnell starke Freundschaften, weil die da drei Jahre lang 20 Stunden jeden Tag zusammen sind.
Gregorowicz: Die Situation verbindet, ja.
Bleibtreu: Deswegen bist du auch kein Vater, wenn du nicht da bist. Ein Vater bist du nur, wenn du die Zeit aufbringst, einer zu sein. Manche Freundschaften gehen irgendwann zu Bruch, weilnicht genug Zeit war, das wirklichzusammenzukitten. Und mit anderen Menschen hast du irgendwann so viel Zeit verbracht, das kriegst du nicht mehr auseinander. Das bleibt so.
Playboy: Wie haben Sie die alte Harry-und-Sally-Frage für sich beantwortet– können Männer und Frauen Freunde sein?
Bleibtreu: Ich halte es für äußerst schwierig, aber ich kenne das auch einfach nicht, habe ich noch nicht erlebt.
Gregorowicz: Früher dachte ich, es geht nicht, aber jetzt habe ich tatsächlich auch Freundinnen. Wobei das eine völlig andere Art von Freundschaft ist. Stellen Sie sich mal „Lammbock“ mit Mann und Frau vor, würde das funktionieren?
Playboy: Vielleicht – für einen dritten Teil?
Bleibtreu: (zu Gregorowicz) Müsste man mal ausprobieren, mit dir als Frau ... (lacht)
Gregorowicz: Warum ich?
Bleibtreu: Okay, dann mache ich es, ist auch in Ordnung. Passt zu meiner Filmfigur: Kai lässt sich umoperieren, er hat ja sowieso diese Aversion gegen Sex. Er mag das nicht, diese Körperflüssigkeiten, diese Regung, dieser Schweiß – das findet Kai alles eklig. Da passt das doch hervorragend. Oh Mann, das müssen wir Christian, dem Regisseur, erzählen! Eine Frage noch zum Schluss:
Playboy: Warum sind Sie beide eigentlich solche Social-Media-Muffel?
Bleibtreu: Ich mache das schon. Gerade Instagram ist ganz lustig. Aber ich gebe mir die größte Mühe, das nicht zu ernst zu nehmen. Ich ziehe mir raus, was mir daran Spaß macht, und negiere, was ich scheiße finde. Ich glaube, das ist auch ein ganz vernünftiger Umgang damit.
Playboy: Befürchten Sie nicht manchmal, dass Sie dadurch ein enormes PR-Potenzial verschenken? Elyas M’Barek zum Beispiel erreicht allein über Facebook und Instagram über 3,5 Millionen Menschen.
Gregorowicz: Aber wie Moritz sagt, es muss einem Spaß machen. Wenn Elyas Spaß dran hat, super. Oder Matthias Schweighöfer. Bei Til Schweiger wird es schon schwierig, der kommt aus einer anderen Generation. Da muss man dann genau gucken, dass es nicht verzweifelt wirkt, was man macht.
Bleibtreu: Wenn wir mit unseren Mitte 40 anfangen, auf YouTube-Star zu machen, wird das ganz schnell peinlich. Wichtig ist natürlich, den Anschluss an den Kram nicht zu verpassen. Aber man darf auch nicht vergessen, dass zum Beispiel bei Facebook bestimmte Bevölkerungsgruppen, darunter aktive Fernseh- und Kinozuschauer, gar nicht vorkommen. Das ist ein sehr, sehr junges Medium. Und wir sind alte Säcke.
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