Erotic-Art Künstler Marius Sperlich: "Alles ist echt"

Er ist der Mastermind hinter dem spektakulären Playboy-Cover unserer US-Kollegen. Der Berliner Fotokünstler Marius Sperlich verzichtet auf digitale Tricks, um mit authentischen Bildern zum Nachdenken anzuregen – über Sexmoral, Zensur und Seichtheit im Netz ...

Playboy: Herr Sperlich, auf Instagram folgen Ihnen und Ihrer Kunst mehr als 360.000 Menschen, Madonna hat eines Ihrer Werke geteilt. Wie erklären Sie die Faszination, die Sie mit Ihren Bildern auslösen?

Sperlich: Ich befasse mich mit surrealen Close-ups von Körpern. So nah, dass zwischen Betrachter und dem fotografierten Menschen eine anonyme Intimität entsteht – einerseits wie bei einem Liebespartner, aber du weißt andererseits nicht, was für eine Person das ist. Diese Situation erzeugt Aufmerksamkeit. Und in diesem Szenario erzähle ich dann Geschichten, meist mit Modellfiguren.

Credit: Marius Sperlich

Wie auf dem Cover der ersten US- Playboy-Ausgabe 2019, wo Miniatur-Demonstranten mit Transparenten auf einer weiblichen Brust die Freiheits-Frage in Bezug auf nackte Nippel stellen – eine Kritik an der Zensur, wie wir sie von Instagram kennen?

Man muss den Fehler nicht bei Instagram suchen, sondern in der ganzen Gesellschaft. Den ungleichen Status von weiblicher und männlicher Brust gab es ja schon vor Instagram. Was wichtig ist: 64 Prozent meiner Follower sind weiblich. Und ich sehe im digitalen Feedback, dass ich mit meiner Arbeit zum Denken anregen kann, dass meine Bildsprache funktioniert. Auch an Ausstellungsabenden wie heute bekomme ich diese Resonanz: Die Leute verstehen, worum es geht.

Credit: Marius Sperlich

Wir sprechen bei einer Pop-up- Ausstellung im Iqos-Store in Berlin miteinander, Ihre Bilder hängen hier im Großformat. Besonders gut funktionieren sie aber auch auf Smartphone-Displays. Wie sind Sie eigentlich auf die Close-up-Idee gekommen?

Ich habe schon als Kind in meinem Heimatdorf fotografiert, später Kommunikationswissenschaften studiert, in Agenturen gearbeitet, dann wollte ich mich ganz auf die Fotografie konzentrieren und bin 2016 nach Berlin gezogen. Hier hatte ich allerdings keine Models, kein Studio, kein Geld mehr und kannte keine Locations. Also habe ich mir überlegt, aus diesen schlechten Bedingungen das Beste zu machen und den menschlichen Körper als Hintergrund zu nehmen. Das ist auch im kleinen Raum möglich.

Marius Sperlich (li.) mit Playboy-Redakteur David Goller.
Credit: Playboy Deutschland
Marius Sperlich (li.) mit Playboy-Redakteur David Goller.

Wie muss man sich den Schaffensprozess vorstellen?

Ich arbeite jeden Tag zwei bis drei Stunden an neuen Ideen. Das fängt bei Skizzen an. Aber ich werfe viel weg: 90 Prozent meiner Arbeit schaffen es nie ans Tageslicht. Bis ich dann mit einem Bild beim Shooting zufrieden bin, kann es schon mal 10 bis 15 Stunden dauern. Das ist viel Handarbeit, die Figuren sind nicht hineingeshoppt, sondern alles ist echt.

Credit: Marius Sperlich

Sie inszenieren Ihre Motive oft so, dass sie schockieren. Beispielsweise zeigen Sie in einem Kurzvideo Achselhaare, die zu einem Zopf geflochten wurden. Muss man in der Zeit von Social Media „laut“ sein, um gehört zu werden?

Ich komme ja ursprünglich aus der Werbung und weiß, wie wir heute konditioniert sind. Das Video spielt mit den Erwartungen Gewohnheiten: Erst sieht man die weibliche Brust, dann die Achselhaare. Das schockt viele. Dabei sind Haare total natürlich.

Ein heilsamer Schock also?

Ja, ich spreche in einem Medium, in dem es fast nur noch um Aufmerksamkeit und immer weniger um Inhalte geht, Themen an, die darin nicht stattfinden oder zensiert werden.