Playboy: Frau Butterbrod, Casual-Dating-Plattformen wie Secret.de werden besonders bei Frauen immer beliebter. Woran liegt das?
Anna Butterbrod: Prinzipiell kann man die Frauen auf diesen Plattformen nicht über einen Kamm scheren. Diejenigen, mit denen ich gesprochen habe, waren von Grund auf verschieden. Sie waren zwischen 27 und 72 Jahren alt, von der Studentin über die Managerin bis hin zur Künstlerin ist alles dabei. Alle haben unterschiedliche Vorgeschichten und einen ganz persönlichen Grund für ihre Anmeldung. Eine meiner Interviewpartnerinnen hatte im Zuge ihrer schweren Krankheit lange Zeit gar keine Lust mehr auf Sex. Durch das Online-Dating hat sie schließlich in diesem Bereich ein neues "Erwachen" erlebt. Und dann gibt es eine 72-Jährige, die ich als positives Vorbild empfinde.
Die Userin, die Sex auf einer rollenden Harley hatte?
Ja, genau! Diese Abenteuer muss ich nicht unbedingt nachmachen – aber was ich toll finde: Sie genießt das Leben und wartet nicht, bis die Männer auf sie zukommen. Sie nimmt ihr Schicksal einfach selber in die Hand. Die Erkenntnis der meisten Frauen ist dann: Man kann Männer online auf ganz andere Art kennenlernen, ungeahnte Spielarten ausprobieren und die eigene Sexualität neu entdecken.
Sollte das nicht im "echten Leben" so funktionieren?
Nun, auf dem Portal steht Sex klar im Vordergrund. Man meldet sich an, formuliert, worauf man Lust hat und trifft sich mit Gleichgesinnten. Viele Frauen erzählten mir, dass es ihnen dabei völlig egal sei, welchen Beruf die Männer haben, ob sie gebildet sind und anspruchsvolle Literatur lesen oder nicht...
Also Hauptsache, der Sex stimmt?
Genau! Wichtig ist, dass der Mann will, was sie will. Online können viele Frauen offener über ihre Bedürfnisse sprechen und diese freier ausleben. In einer festen Beziehung ist das anders: Man gleicht erstmal seine Hobbys ab und kann schlecht zu Beginn sagen: „Du, ich steh übrigens darauf nicht, und das mache ich schon gar nicht.“ Online geht genau das aber schon.
Zugegeben, das klingt etwas einseitig, finden Sie nicht?
Prinzipiell wollen die Nutzerinnen Sex, dafür sind Plattformen wie diese in erster Linie da. Aber zwei der Frauen erzählten mir auch, dass sie dort überraschend ihren Traummann gefunden haben. Es gibt auch Überraschungen, mit denen man so gar nicht rechnet.
Warum kommen Männer in Ihrem Buch nicht zu Wort?
Vielleicht tun sie das ja mal in einem zweiten Band. Anfragen von Männern, die ihre Geschichte erzählen wollen, hat es bereits gegeben. In diesem Buch geht es vorrangig um den Begriff Freiheit. Und der spielt für Männer nochmal eine andere Rolle als für Frauen. Frauen mussten sich ihre Freiheit schon in vielen Bereichen erkämpfen. In unseren Gesprächen ging es vorrangig um die Freiheit im Kopf, um das Loslassen von gesellschaftlichen Zwängen.
Ist Casual-Dating bei diesen Frauen ein Tabu-Thema?
Auf jeden Fall. Viele Frauen erzählen in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis nicht, was sie da treiben, im wahrsten Sinne des Wortes. Weil sie Angst davor haben, als notgeil abgestempelt zu werden. Das ist doch irgendwie traurig, oder? Und es ist doppelmoralisch: In unserem Alltag spielt Sex so eine große Rolle. Überall sieht man Nackte, in TV-Shows steigen die Menschen reihenweise miteinander ins Bett. Aber wenn es wirklich drauf ankommt, sprechen wir viel zu wenig darüber. Besonders mit dem eigenen Partner.
Das spricht nicht gerade für eine gesunde Beziehung...
Manche Paare lassen die Dinge einfach laufen. Sie sind 20 Jahre zusammen und denken sich: Warum sollen wir noch darüber reden, was wir im Bett wollen? Wir kennen uns doch. Aber vielleicht sollte man genau das immer mal wieder tun.
Casual-Dating als Beziehungsersatz
Es gibt Casual-Dating Plattformen, die ja geradezu zu Seitensprüngen animieren...
Auch so etwas kann passieren, wenn man nicht mit seinem Partner spricht. Viele holen sich das, wonach sie sich sehnen, eben woanders. Die Frauen, mit denen ich gesprochen habe, waren anfangs alle Single. Einige setzen inzwischen statt einer Beziehung dauerhaft auf Casual-Dating. Weil sie den Sex so perfekt in ihren Alltag einbauen können. Sie sagen: „Okay, Donnerstagabend treffen wir uns für 1-2 Stündchen.“ Ganz ohne die Verpflichtungen einer festen Beziehung.
Dient Ihr Buch am Ende der bloßen Anregung oder weshalb sollte man es lesen?
Natürlich kann es auch eine tolle Anregung sein. Man hört viele neue Dinge, liest über Sex-Gadgets, die man vielleicht noch nicht kannte, und sieht, was andere sich getraut haben. Manche Frauen legen das Buch ihrem Mann auf den Nachttisch. Das kann nicht nur eine Unterhaltung anregen...
Was hat Ihr Mann eigentlich dazu gesagt, dass Sie ein Buch über Affären und Sexting schreiben?
Ich musste für das Buch oft bis spät in die Nacht arbeiten und habe mehr über Sex geschrieben, als ihn tatsächlich zu haben. Zwar fand mein Mann das Projekt super, war am Ende aber auch glücklich darüber, als es endlich abgeschlossen war. (lacht)
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