Playboy: Was hat dich dazu gebracht, Survival-Experte zu werden?
Joe Vogel: Das ist weniger eine Wahl, man rutscht da sozusagen rein. Ich habe mit etwa sechs Jahren angefangen zu angeln. Das habe ich dann immer intensiver betrieben und dabei ist man ja schon autark: Man sammelt sich Köder, fängt Fische und bereitet diese dann selbst zu – das hat mir einfach super viel Spaß gemacht.
Deshalb habe ich mich immer weiter damit beschäftigt und bin dann mit 17 Jahren, noch vor dem Abitur, nach Australien gereist. Dort geblieben bin ich zwei Monate – ich habe von Aborigines gelernt und gemeinsam mit einem Tier-Filmer mein erstes Krokodil gefangen.
Was ist das Spannendste an deinem Beruf?
Es gibt bis heute keine Vorhersehbarkeit in der Aufgabenstellung. Etwas, das ich nicht kenne, ist ein geregelter Tages-, Wochen- oder Jahresablauf. Ich habe immer neue Herausforderungen und Projekte und kann vollkommen selbstständig arbeiten.
Das Wunderschöne an meinem Job ist, dass ich Wissen außerdem nicht nur sammeln, sondern auch aufbereiten und weitergeben kann. Das mache ich in meinen Survival-Trainings und Seminaren genauso wie bei meiner journalistischen Tätigkeit. Dieses gesammelte Wissen über die Natur mit ihren Pflanzen und Tieren ist für mich ein unglaublich wertvoller Schatz – weil jeder etwas davon hat.
Kommst du oft in brenzlige Situationen wenn du auf Expedition bist?
Auf jeder Reise gibt es Situationen, die sehr gefährlich und teilweise lebensgefährdend sind. Die aktuellste: Im Juni des vergangenen Jahres war ich mit einem Freund in der Mongolei unterwegs. In einem Wüstenteil sind wir unerwartet in eine Rinderherde geraten, die dann auf uns zugestürmt kam.
Das einzig richtige Verhalten in dieser Situation: stocksteif stehenbleiben und in eine andere Richtung schauen. Sonst trampeln dich die Tiere einfach tot. So sind sie dann vor uns stehengeblieben, haben uns angeschnuppert – und haben sich irgendwann gesammelt wieder von uns wegbewegt.
Auch im australischen Outback lauern sicher so einige Gefahren, oder?
Mit dem selben Kollegen bin ich 2006 in Australien in ein riesiges Buschfeuer geraten – wir haben dann ein Gegenfeuer gelegt und uns im Zentrum davon mit nassen Tüchern über der Nase auf den Boden gelegt, bis die Gefahr vorbei war.
Das lebensgefährlichste Erlebnis hatte ich aber, als ich 2001 auf dem Rhein geschwommen bin – 300 km von Stein in der Schweiz bis nach Kehl bei Offenburg. Als Ausrüstung hatte ich nur ein Messer, das war mein Projekt. Beim Schwimmen hatte ich einen Neopren-Anzug an, aber ansonsten hatte ich nur das Messer zum Nahrungsammeln, Feuermachen und Unterkunft bauen.
Allerdings hatte ich ein kleines Boot mit meinem Kamera-Equipment dabei, das habe ich mit einer Leine um meinen Bauch gehängt und so hinter mir hergezogen. Die Leine des Boots hat sich dann um einen Pfahl in der Mitte des Rheins gewickelt und ich wurde mehr als vier Meter in die Tiefe, auf den Boden des Rheins, gedrückt.
Auf der Leine war so eine Spannung, dass ich sie nicht losbekommen habe. Erst nach etwa einer Minute konnte ich den Schnellverschluss lösen. Der ist mit voller Wucht auf meinen Daumen geprallt – bis zum Knochen durch – und hat dabei meinen Nerv zerschlagen. Aber dann war ich frei. Ich würde ein solches Schwimm-Projekt auf dem Rhein trotzdem nicht nochmal machen.
Macht sich deine Freundin Sorgen um dich, wenn du auf Achse bist?
Sie arbeitet viel mit mir zusammen, manchmal übernimmt sie bei meinen Projekten die Kamera. Wenn ich aber zum Beispiel auf Expeditionen durch die Wüste bin, ist sie nicht dabei. Sie hat jedes Mal ein bisschen Angst, dass ich nicht mehr zurück komme – aber sie weiß auch, dass ich keinen Unsinn mache und alles dafür gebe, heil wieder zurückzukehren.
Bisher hast du das ja auch immer getan – würdest du sagen, das Messer ist dabei das wichtigste Survival-Tool?
Das Überlebens-Tool Nummer 1 ist vor allem, was man im Kopf hat: Wissen, das man gesammelt hat. Alles andere kann man verlieren. Fürs Training ist ein Messer aber gut – wenn man eins besitzt und damit umgehen kann, kann man damit wirklich alles machen: Unterkunft, Nahrung, Feuer. Aber es muss auch ohne gehen.
Beim Survival-Training arbeitet man sich langsam vor: Anfängern rate ich mit Rucksack, Schlafsack, Zelt und Kocher zum Beispiel in den Wald zu gehen. Wenn sie sich bereit fühlen, können sie ausprobieren, draußen am Feuer zu schlafen. Wird es zu kalt, wartet immer noch das Zelt auf sie.
Dann lässt man langsam Zelt, danach Schlafsack und irgendwann das Feuerzeug weg – und so reduziert man immer weiter, bis man nur noch mit den Händen und Zähnen arbeiten kann.
Gerade ist ja Ski-Saison – Was tun, wenn man von der Piste abgekommen ist und eine Nacht in den eisigen Bergen verbringen muss?
Da muss man sich in vor allem vor Wind und Lawinen schützen. Lawinen sind aber bei Dunkelheit nicht mehr einzuschätzen – deshalb: Möglichst in eine bewaldete Region begeben und nach Anbruch der Nacht nicht mehr großartig bewegen. Besonders zu beachten: Zwischen Bäumen und Schnee können regelrechte Löcher entstehen – einmal reingefallen kommt man nie wieder raus.
Man sollte sich zwischen den Bäumen in den Schnee eingraben - nach unten, nicht zur Seite. Mit einem Kleidungsstück oder Folie kann man das Loch dann oben abdecken – im windgeschützten Raum wird der Schnee dann nicht kälter als 0 Grad. Aber: Immer für ausreichend Luftzufuhr sorgen. Sonst kann man im relativ luftdichten Schnee schnell ersticken.
Wie lange man dann bei 0 Grad überlebt, hängt individuell von der Beschaffenheit des Körpers ab: Wie viel man gegessen hat, wie viel Fettgewebe man besitzt, was für Kleidung man trägt. Man kann bei dieser Temperatur nach vier bis fünf Stunden erfrieren, wenn man direkten Kontakt zum Schnee hat. Deshalb ist auch Isolation ein wichtiger Tipp: Äste oder Stoff auf den Boden zu legen verhindert diesen Kontakt.
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