„Sich zu exponieren bedeutet, verwundbar zu sein“

Daniel Donskoy: Der "Barbaren"-Schauspieler im Interview
Credit: Thomas Schenk
Playboy, Frauen, Barkeeperinnen
Magazin
Playboy 2022/11

Inhalt

UPDATE

First Lady: Die schöne Tänzerin Renata Lusin

Ein guter Monat für: Kunstfreunde und Comedy-Fans

20 Fragen an . . . Filmbösewicht Danny Trejo 

Männerbar: Irische Whiskeys 

Reise: Irland – fünf Tipps für Trips auf die wilde Insel

Timmerberg-Kolumne: Der Zeitgeist und ich

Männerküche: der französische Dessertklassiker Baba au rhum

Pro & Contra: Verzichten – das neue Krisenzeiten-Gebot

INTERVIEW

Leon Löwentraut: Der junge Superstar der Kunstwelt über seine Inspiration, seine Neider und seine Playboy-Werke

Fatih Akin & Xatar: Der Star-Regisseur hat dem bewegten Leben des Rappers einen Film gewidmet. Ein Gespräch über schmerzhafte Wahrheiten, den Halt durch eine Gang und die Kraft des Hip-Hop

Reportage

Im Himmel über Mossul: Der irakische Gleitschirmflieger Laith Muhammed und wie er sich nach der Befreiung seiner Stadt vom IS sein Leben zurückerobert

Streitschrift

Redet weniger über Sex: Ist Kommunikation tatsächlich das Allheilmittel bei Problemen im Bett? Unsere Autorin ist Sexologin und ganz anderer Ansicht

Erotik

Playmate: Unsere Miss November, Sabrina Bellani, verführt uns unter der Sonne Portugals 

Blende Sechs: Die bezaubernde Französin Rebecca Bagnol

Aktion

„Playboy-Wiesn“: So feierten wir das Oktoberfest mit Wiesn-Playmate Franziska und prominenten Gästen

(ab Rück-Cover) Gentlemen’s Adventure Tour: Begleiten Sie uns zu einer Playboy-Expedition in die atemberaubende Natur Namibias

LUST & LEBENSART

Playboy-Umfrage des Monats: Wie lernen sich die Deutschen kennen?

Optimierungswahn in der Liebe: Die Psychologin Lisa Fischbach über die Ergebnisse unserer Dating-Umfrage

Tagebuch einer Verführerin: Kolumnistin Sophie Andresky über Tabus und Missverständnisse

STIL

Mode: Boots für lässige Auftritte an kalten Tagen

Pflege: Die perfekte Routine für Ihr Gesicht

KULTUR

Daniel Donskoy: Der Schauspieler über seinen Umgang mit dem Judentum, Anfeindungen im Netz und seine Serien-Rolle in der neuen Staffel von „Barbaren“

Literatur: Die Leseempfehlungen des Monats

Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys: Was ist das Erfolgsgeheimnis der Italo-Schlager-Band? Ein Treffen mit den zwei Frontmännern

Musik & Filme: Das Beste des Monats

PLAYBOY CARS

(ab Rück-Cover) Mercedes AMG One: Formel 1 für die Straße

News: Anregungen für Motor-Fans

McLaren Artura: Testfahrt im hybriden Supercar

AMG Vision: Mercedes-Chefdesigner Gorden Wagener über den Sex-Appeal von Elektro-Sportwagen

Luxus-Zeitmesser: Neue Modelle in Bucherers Blue-Linie

Mein Schlitten: Carsten Kavemann und sein Käfer 1500

In „The Crown“ tauchte er als Reitlehrer von Lady Di auf, RTL-Zuschauer kennen ihn als Priester „Sankt Maik“, seine TV-Show „Freitagnacht Jewswurde gerade mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Ab 21. Oktober ist Daniel Donskoy in der neuen „Barbaren“-Staffel auf Netflix zu sehen – und Musik macht er auch. Zum Glück stoppte der Schauspieler seinen E-Scooter trotzdem für unser Interview vor einem Eck-Italiener in Berlin-Mitte.

Herr Donskoy, kürzlich war im Fernsehen eine Quizshow zu sehen, an der Sie auf sehr lebhafte Weise teilgenommen haben. Danach wurde auf Twitter diskutiert: Kann man von einem 32-jährigen Mann nicht erwarten, dass er mal zehn Minuten stillsteht, um ein paar Fragen zu beantworten, statt ständig rumzuhampeln?

DONSKOY: Mein ganzer Twitter-Feed war voll damit! Und ich dachte mir, Alter, was ist bei euch los. Ey, Showbiz! Lasst mal locker. Es ist wirklich faszinierend, wie oft man da an Grenzen stößt, wenn man auf einmal Spielarten verändert oder Sehgewohnheiten durchsticht oder auch wenn ich in meiner Sendung „Freitagnacht Jews“ versuche auszuloten, wie weit man in Deutschland gehen darf.

Sie meinen, wenn Sie zum Beispiel mit Ihren jüdischen Gästen „Ich packe meinen Koffer nach Auschwitz und nehme mit ...“ spielen? 

DONSKOY: Genau so was. Inhaltliche Grenzen, visuelle Grenzen – aber auch einfach, wenn ich in eine Talkshow gehe und eben nicht erzähle, wie schlecht es mir geht, wie unterdrückt ich mich fühle und wie hart mich der Antisemitismus trifft, sondern versuche, neue Perspektiven zu schaffen und auch mal ehrlich frei raus im Moment zu sein. Es ist so, dass man die Menschen hierzulande manchmal überfordert, wenn man mit Enthusiasmus und echter Offenheit an Sachen rangeht. Da kommt schnell dieses: Woah, there’s a lot of you. Du bist viel. Ja, ich bin energiegeladen – bei allem, was ich mache.

Haben Sie mal darüber nachgedacht, einfach ein bisschen weniger zu sein? 

DONSKOY: Sich zurückzunehmen würde bedeuten, sich zu filtern, sich zu limitieren. Dafür bin ich nicht in die Kunst gegangen. Es geht aber zum Glück nicht immer um mich, sondern um den maximalen Effekt von Emotionen. 

Wie haben Sie sich stattdessen entschlossen, damit umzugehen?

DONSKOY: Ich bleibe mir treu, aber manchmal braucht deine Umgebung eine externe Bestätigung, dass es wirklich okay oder gut ist, was du da machst. Vor dem Grimme-Preis fragten mich immer wieder Menschen aus der Branche, ob ich nicht meine, es könnte meiner Karriere als Schauspieler schaden – wenn ich jetzt persönlich und politisch werde. Aber ich merke immer wieder, wie schwierig das für andere ist, dass ich mich nicht einschränken lassen möchte auf: der Jude. Der Schauspieler. Der Musiker. Nach einem Grimme-Preis kommen dann dieselben Menschen und drücken ihre Bewunderung aus. Aber diese Schubladen sind es doch, die Kunst immer wieder ausbremsen.

Daniel Donskoy im Playboy-Interview: „Sich zurückzunehmen würde bedeuten, sich zu filtern, sich zu limitieren“

Mit Schubladen fällt eben den meisten Menschen das Einsortieren leichter.

DONSKOY: Genau, aber das Allergeilste ist es doch, einen Unterschied zu machen. In den nächsten Tagen fliege ich von einem Dreh über jüdische Identität in Deutschland direkt zu einem anderen Set, wo ich einen Nazi spiele, und ziehe mir dort den Gestapo-Ledermantel an. Diese Extreme lebe ich.

Hatten Sie Bedenken, diese Rolle anzunehmen?

DONSKOY: Nee, das habe ich mir eigentlich schon lange gewünscht. Ich habe immer gesagt, es ist die geilste Rache eines jüdischen Schauspielers, wenn er heute Nazis spielt. Das ist so, haha, you didn’t get us, now we can play you. 

Sieht das auch Ihre Familie so?

DONSKOY: Das ist mir wurscht. Meine Eltern wollten auch nicht, dass ich „Freitagnacht Jews“ mache. Weil dich natürlich alles, bei dem du an Grenzen stößt, potenziell in Gefahr bringt. Sich als Jude zu exponieren zum Beispiel. Ich hatte da selbst ein, zwei, drei Bedenken. Aber ich habe nicht zu lange drüber nachgedacht, sonst hätte ich abgesagt.

Die zweite Staffel der TV-Show "Freitagnacht Jews" ist ab sofort auf der ARD Mediathek verfügbar.
Credit: Christian Pries

Diesen Weg, sich zu trauen, es dennoch zu tun – können Sie den im Nachhinein empfehlen?

DONSKOY: Auf keinen Fall könnte ich es ohne Bedenken empfehlen, denn diese Erfahrung war nicht durchweg positiv. Sich zu exponieren bedeutet, verwundbar zu sein – man muss sich sicher sein, dies aushalten zu können.

Das heißt, auch bei Ihnen gibt es Tage, an denen Sie sich Anfeindungen stärker zu Herzen nehmen und an denen Sie es leid sind, gut gelaunt alles auszudiskutieren? 

DONSKOY: An die Anfeindungen habe ich mich gewöhnt. Das Schlimmste war: Nach der ersten Staffel der Show haben wir einen Podcast da­rüber gemacht, wie Antisemitismus und die Israel-Palästina-Politik in den deutschen Medien verhandelt werden. Wir haben da vier Monate Arbeit reingesteckt, 38 Interviews geführt mit 2000 Seiten Transkript der Gespräche. Das fügst du dann zusammen und denkst dir: Okay, wer das hört, der muss es doch verstanden haben. Aber das wird nur kurz wahrgenommen – dann geht alles wieder zurück zum Ursprung. Und dieses Gefühl macht einen einfach nur wütend. Wenn du denkst, man bemüht sich ja um Aufklärung und Bildung, aber nach zwei Tagen passiert wieder genau dasselbe, weil du natürlich nicht alle erreichst und nicht alle verändern kannst.

Es bringt Sie zur Verzweiflung, bestimmte Dinge immer wieder neu erklären zu müssen?  

DONSKOY: Genau. Wenn man sich das zur Lebensaufgabe macht: Go for it. Man darf sich nur nicht der Illusion hingeben, dass so ein kleines bisschen Flaggenschwingen großartig was verändert. Wir kämpfen alle gegen Antisemitismus? Super, kauft euch einen Lolli. Aber gesamtgesellschaftlich verändert sich in vielen Richtungen eher nichts. Bestimmt war ich vorher naiver, manchmal wünsche ich mir das zurück. Ich weiß, ein naiver Gedanke (lacht).

Wahrscheinlich wurden Sie auch früher nicht so häufig zu solchen Dingen befragt, oder?

DONSKOY: Vor dem Podcast und der Show wurde ich fast nie zu diesen Themen befragt. Und jetzt habe ich das Gefühl, ich muss immer. Auch im Außen. Wenn irgendwas passiert, erwarten die Leute von mir dazu ein Statement: Weil, du bist doch der Jude, sag doch mal was zur Documenta 15! Wie stehst denn du zum Siedlungsbau in Israel? Deine Mutter kommt aus der Ukraine – wie stehst du zu Selenskyj? Ich weiß, es ist einfacher, mit mir da­rüber zu sprechen, weil ich nicht anders aussehe, ich bin nicht re­ligiös, ich habe kein Käppchen und keine Löckchen. Aber: Ich bin nicht der nette Jude mit Sowjet-Background von nebenan, der immer gerne die Welt erklärt oder sie erklären kann.

Sie sind als Kind mit Ihren Eltern häufig umgezogen, haben verschiedene Schulen in Israel und Deutschland besucht ...

DONSKOY: ... zehn insgesamt.

Daniel Donskoy im Playboy-Interview: „Ich habe Klavier und Schach gespielt, war klein, pummelig, hatte eine Brille und eine Zahnlücke“

Wie sah Ihre Strategie aus, um  dort überall schnell Anschluss zu finden? 

DONSKOY: Beobachten und anpassen. Lernen, was du in den Leuten auslöst. Freundlich sein und offen, auch wenn du es nicht möchtest. Vielleicht außerdem: performativ zu sein, lustig zu sein. Das kreiert dann natürlich auch Eigenproblematiken, wenn du so viel Zeit damit verschwendest, dazugehören zu wollen. Aber bevor sich irgendwann mein Äußeres geändert hat, hatte ich es wirklich schwer: Ich habe Klavier und Schach gespielt, war klein, pummelig, hatte eine Brille und eine Zahnlücke. (Sucht auf seinem Smartphone nach einem Bild und reicht es über den Tisch.) In Israel wurde ich Nazi-Harry-Potter genannt, weil ich ja auch noch der Deutsche war. Aber bevor Sie fragen: Dieses Foto werde ich natürlich nie im Leben zur Veröffentlichung zur Verfügung stellen.

Klingt insgesamt nach einer harten Schulzeit. Haben Sie wenigstens ein paar Brocken Latein behalten, die jetzt für den Dreh von „Barbaren“ hilfreich waren?

DONSKOY: Nee, Latein hatte ich leider nicht, ich musste für den Dreh alles phonetisch lernen. Die Schulzeit war hart, aber nicht so hart wie der Dreh zu „Barbaren“ (lacht). Ganz ehrlich war es eine große Herausforderung neben den sprachlichen Aspekten. Reiten, Stunts und viel Archaisches – da muss man in guten Händen sein und sich extrem vorbereiten. Aber ich denke, die Mühen haben sich gelohnt, es ist eine sehr intensive zweite Staffel geworden, und ich freue mich schon sehr auf die Publikumsreaktionen.

Ab 21. Oktober ist Donskoy als Römer Flavus (r.) in der zweiten Staffel der Netflix-Serie "Barbaren" zu sehen.
Credit: Netflix/Krzysztof Wiktor
Um was genau geht es für Ihre Figur Flavus in dieser neuen Staffel?

DONSKOY: Seit mein Bruder Arminius bei der großen Varusschlacht im Teutoburger Wald zu den Barbaren übergelaufen ist und als Verräter gilt, habe auch ich alles verloren. Ich habe keinen Rang mehr, nicht einmal eine Mission, und möchte nun bei den Römern meinen Status zurückerobern. Um es mal runterzubrechen auf die Neuzeit: Ich glaube, Flavus ist der, den wir alle kennen. Der Mensch, der nach Liebe und nach Anerkennung sucht. Und bereit ist, alles dafür zu geben und zu opfern.

Anerkennung unter den Römern?

DONSKOY: Im Job. Das tun wir alle, wir wollen uns vor unserem Boss geil präsentieren, weil wir Angst haben, dass wir sonst nicht weiterkommen. Wir wollen die tollsten Klamotten tragen, um besser auszusehen. Wir wollen Status. Das wurde uns durch die sozialen Medien beigebracht, die unsere Welt immer narzisstischer und undurchsichtiger machen. Und ich finde, Flavus ist ein tolles Beispiel dafür, obwohl sein Leben 2000 Jahre zurückliegt. Er muss ständig durch einen Sumpf von Lügen und Interessenkonflikten navigieren und opfert deshalb Liebe, Familie, einfach alles. 

Wenn Sie damals hätten wählen können: Wären Sie lieber ein Römer oder einer der Barbaren gewesen?

DONSKOY: Römer! Bei den Barbaren schläfst du im Schlammloch, das ist nicht so meins. Römer zu sein finde ich ästhetischer.