An einem Sonntagvormittag im Mai, draußen regnet es in Strömen, wirft Muk Röhrl fröhlich ein paar Stücke Schweinehals auf den Grill. Er steht in der Küche seines Wirtshauses, trägt eine Schürze, auf der ein aus zwei Weißwürsten und einer Breze geformter Totenkopf zu sehen ist, und strahlt in die vor ihm platzierte Kamera. Flammen schlagen aus dem Grill. „Ach“, sagt er, „ist das herrlich!“
Seit drei Stunden kocht und plaudert er hier an diesem Morgen schon und streamt das Ganze live auf dem Videoportal Twitch. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Karin. Kopf-hörer auf, Mikrofon vor dem Mund, steht sie neben der Kamera und fungiert als Mischung aus Sidekick und Moderatorin. Etwa 100 Zuschauer haben die beiden gerade. Muk unterhält sie mit einer Mischung aus Kochtipps („Kein Salz in die Marinade“), Eigenwerbung („Wir sind das älteste Wirtshaus der Welt!“), Anekdoten („In der Guinness-Urkunde war ein Tippfehler“), fröhlichen Frotzeleien mit Karin („Soll ich Rosmarin drantun? – „Ich will doch kein Stroh essen!“ – „Ich frag doch bloß, zefix!“) und jetzt gerade auch mit ein paar anbrennenden Steaks. „Muk produziert Briketts“, postet Zuschauer „MikeBavarian“ im Live-Chat, der parallel zum Stream läuft. „Ja mei, is mir wurscht“, sagt Muk. Und dann strahlt er wieder die Kamera an, als säße darin jemand, den er wirklich wahnsinnig gernhat.
Rund 15 Monate nachdem die Pandemie Deutschlands Gastwirte in die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt hat, wirkt Muk Röhrl nicht wie jemand, der wegen Corona einen Kredit in sechsstelliger Höhe aufnehmen musste. Auch nicht wie jemand, der im vergangenen Jahr mehr bürokratischen Kram bewältigen musste als ein Versicherungsfachangestellter in einem durchschnittlichen Berufsleben. Oder wie jemand, der bald zwar wohl wieder seinen Biergarten aufmachen darf, aber weiß, dass er damit für eine ganze Weile nur einen Bruchteil seines früheren Geschäfts machen wird.
Muk wirkt wie jemand, der gleich mit Freude in ein etwas angekokeltes Grillsteak beißen und mit sonniger Gemütsverfassung in den Rest des verregneten Tages starten wird. Und die Frage, die sich da nun stellt, lautet natürlich: Wieso?
Für die kurze Antwort zitiert Muk vergnügt Karl Valentin, den Lieblingskomiker aller Bayern: „Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“
Für die lange Antwort nehmen Muk und Karin, beide 38, nach dem Stream Platz in der Gaststube ihres Wirtshauses und beginnen, von einem Jahr zu erzählen, das viele Gastronomen an den Rand der Pleite getrieben hat – aber manche auch gestärkt daraus hervorgehen ließ. Was sie erzählen, ist eine Geschichte über den klugen Umgang mit Krisen. Und damit kennen sie sich hier im Gasthaus „Röhrl“, das schon im Kern des Dorfes Eilsbrunn bei Regensburg stand, als noch der Dreißigjährige Krieg tobte, ganz gut aus.
Die Geschichte beginnt an einem Freitag, dem 13. März 2020, um 6.42 Uhr. Da kommt eine E-Mail. Ein Gast wollte am Abend ein großes Fest bei ihnen feiern, 60. Geburtstag, 200 Personen, große Band, lange Planung. Aber es sind die zwei, drei Tage im März, in denen alles plötzlich kippt, in denen alle begreifen, Corona ist keine etwas schlimmere Grippe, sondern ein sehr ernstes Problem. Und so sagt der Gast an diesem Morgen die Feier ab.
Unten in den Kühlschränken liegt das vorbereitete Fleisch, nebenan im Festsaal steht die Bühne für die Band, und oben im Büro trinkt Karin um elf Uhr vormittags mit ihrer Schwägerin einen Schnaps. „Das war das erste Mal in meinem Leben um diese Uhrzeit“, sagt sie. „Aber das kam alles wie eine riesige Welle auf uns zu, die mich völlig überfordert hat. Du konntest das ja überhaupt nicht einschätzen. Was passiert jetzt mit deinen Eltern, deinen Kindern, deinem Betrieb? Du wusstest nur, dass das richtig gefährlich werden kann.“
Muk betreibt das Wirtshaus seit 2006. Er ist schon als Kind zwischen den Beinen der Gäste herumgekrabbelt, hat als Schüler in der Küche ausgeholfen, mit Anfang 20 übernimmt er es. „Es hatte damals, nun ja, ‚einen leichten Katarrh‘ würde man in Bayern sagen, es war etwas verschnupft.“ Langsam bringt er den Laden wieder auf die Beine. So richtig stabil beginnt der Betrieb zu laufen, als Karin – die beiden kennen sich aus dem Regensburger Nachtleben – eines Tages kurzfristig als Bedienung einspringt. Und bald beschließt, langfristig zu bleiben. Als Partnerin fürs Leben und fürs Geschäft.
Ihre Arbeitsteilung: Karin, Juristin mit 1. Staatsexamen und Organisationstalent, kümmert sich ums operative Geschäft, Muk, ausgebildeter Koch mit Entertainerqualitäten, um die Gäste und das Marketing. Ihr Konzept: gute Qualität, angemessene Preise, freundlicher Service. Der Schweinebraten kostet 14,90 Euro, und wenn die 90-jährige Oma ihn bei der Familienfeier püriert haben möchte, damit sie ihn mit dem Strohhalm aufsaugen kann, dann pürieren sie ihn halt.
In dem Jahr, in dem Muk das Gasthaus übernimmt, hat er einen Angestellten auf 450-Euro-Basis und eine einzige Hochzeit im Buchungskalender stehen. Im März 2020 haben Muk und Karin etwa 30 Mitarbeiter, und für den Sommer sind rund 80 große Feiern geplant. Zudem ist auch Muk selbst, der oft als DJ bei Hochzeiten und Partys auflegt, gut gebucht. Dann kommen die E-Mails und die Anrufe. Und der Kalender leert sich.
Im März und April, der Zeit des ersten Lockdowns, ist es seltsam ruhig im Haus. Muk, Karin und ihre drei Kinder – fünf, sieben und neun Jahre alt – leben im ersten Stock des Hauses. Sie sind ein gewisses Grundrauschen gewöhnt, Stimmen, Gläser, Geschirr, sie können am Rhythmus des Türenschlagens und der Lautstärke im Haus erkennen, wie viel Betrieb gerade ist und ob es Zeit wird, das Büro zu verlassen und unten mit anzupacken. Jetzt liegen der Festsaal mit seinen 250 Sitzplätzen, der Biergarten mit den 50 Tischen, die Gaststube mit dem alten Eichenboden still da. Und in der Gastroküche zwischen all den unbenutzten Geräten und riesigen Töpfen kocht Muk Bolognese für die Familie.
„Eine Weile haben wir das genossen“, sagt Muk, „die Ruhe, die Zeit mit den Kindern. Aber ich bin ein Typ, der nicht lange stillsitzen kann.“ Und er ist ein Typ, der rund 30 Mitarbeiter, aber ein geschlossenes Wirtshaus hat.
Also gilt es, bald ein paar Entscheidungen zu fällen. Nummer eins, da sind sich Muk und Karin schnell einig: Wir behalten die Mitarbeiter und stocken ihr Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent auf. „Es ist schwer, gutes Personal in der Gastronomie zu finden“, sagt Muk. „Und wir nehmen den Begriff ‚Familienbetrieb‘ ernst“, sagt Karin. Tja, dann auf zur Bank, sagte ihnen im Frühjahr der Blick auf den Kontostand.
Die 30.000 Euro Soforthilfe, die sie vom Staat bekommen, reichen gerade, um die Fixkosten für ein paar Wochen zu decken. Also nehmen sie noch im ersten Lockdown einen Kredit über 300.000 Euro auf. „Ich habe damals schon damit gerechnet, dass die ganze Krise ein Jahr lang dauern wird“, sagt Karin. Ein Bankberater empfiehlt ihnen, vielleicht doch noch mal über den Kostenfaktor Personal nachzudenken, den größten in ihrem Betrieb. Aber sie wissen, was sie wollen: die Mitarbeiter behalten. Und sich von ihrem Bankberater trennen. „Der hatte unser Unternehmen einfach überhaupt nicht verstanden“, sagt Karin.
Entscheidung Nummer zwei: Wir jammern jetzt nicht, wir tun was. „Die Sache ist doch die“, sagt Muk, „wenn ich meinen Beruf nicht ausüben kann, habe ich zwei Möglichkeiten: Ich kann daran arbeiten, mich so aufzustellen, dass ich nach der Krise wieder mit Vollgas loslege. Und ich kann das machen, was ich schon lange mal machen wollte.“
Sie beginnen mit Ersterem. Und beschließen, in der Krise zu investieren, statt zu sparen. Schon lange ist klar, dass sie ein neues Kassensystem brauchen. Der Plan war, es im Sommer zu installieren. Aber der Plan war auch, im Frühjahr einen Haufen Gäste zu bewirten. Weil sie nun ein Loch im Budget haben, starten sie eine Crowdfunding-Kampagne. „Mir war wichtig, dass wir dabei nicht jammervoll klingen, sondern positiv und nach vorn gerichtet“, sagt Muk.
„Wir wollen durchstarten, zukunftsfähig werden und bleiben“, formulieren sie auf der Plattform Startnext das Ziel der Kampagne und bieten Gutscheine für Speisen an, aber auch einen Kochkurs, eine eigene Bank im Biergarten und, kleiner Gag, für eine „Platinum Flatrate“ das ganze Jahr essen. Die Sache kommt gut an, rund 4500 Euro nehmen sie ein, das Budgetloch schrumpft, die Kasse kommt. Und der Eindruck, den das Ganze in der Lokalpresse und den sozialen Medien hinterlässt, ist nicht der eines Wirtshauses in der Krise, sondern der kreativer Wirtsleute mit ihnen eng verbundenen Gästen.
Der Sommer wird seltsam. Und das nicht nur, weil im Biergarten zwischen den Tischen Trennwände aus Plastikfolie aufgespannt sind und die Gasträume mit ihrer halben Bestuhlung ungewohnt karg wirken. Ab Mitte Mai dürfen Muk und Karin zwar wieder Gäste empfangen, aber die Einschränkungen und Hygienevorschriften machen den Betrieb aus finanzieller Sicht zur „reinen Liebhaberei“, wie Karin sagt. „Es war absolut nicht wirtschaftlich.“
Der Umsatz ist deutlich niedriger als in normalen Sommerwochen, aber sie haben die gleichen Personalkosten, weil die Mitarbeiter mehr zu tun haben: Tische, Speisekarten und Salzstreuer desinfizieren, Gästedaten aufnehmen, ab und zu mal die Maske abnehmen und Luft holen. Muk verbringt große Teile des Sommers damit, Gästen den Sinn der Hygienevorschriften näherzubringen. Es ist nicht immer ganz einfach.
„Trotzdem hatten wir ein paar wirklich schöne Sommerabende“, sagt Muk. „Wenn die Gäste weg waren, saßen wir mit den Mitarbeitern oft noch hinten im Eck an Tisch 14 und redeten. Und deine Probleme werden merklich kleiner, wenn du spürst, dass es da einen Zusammenhalt gibt und du dich gemeinsam daran erinnerst, was man schon alles miteinander erlebt hat.“
Und das ist so einiges: die schwierigen Anfänge, die erfolgreichen, aber anstrengenden Sommer, die Zeit, als die ersten Flüchtlinge als Azubis bei ihnen anfingen. Und natürlich die verrückte Sache mit dem Weltrekord.
Sie kam durch Zufall ins Rollen. Ein Freund von Muk hatte eine Sendung gesehen, in der es hieß, die älteste Gaststätte der Welt stehe in Madrid und sei 1725 eröffnet worden. Ob Muks Familie ihr Wirtshaus nicht schon viel länger betreibe? Muk, der eigentlich Johann Nepomuk Röhrl IV. heißt, sich bislang aber nicht allzu intensiv mit all den Ahnen befasst hatte, denen er diesen schönen Namen verdankt, begann zu recherchieren. Bald hatte er ein Paket an Beweismaterial zusammen, aus dem hervorging, dass seine Familie das Wirtshaus in Eilsbrunn seit 1658 durchgehend betreibt. Er schickte es nach London – zu den Rekordprüfern im Hause Guinness.
Ein paar Monate später kam die Antwort. „Sinngemäß stand darin: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Guinness-Buch-Eintrag. Falls Sie Merchandise-Artikel mit unserem Logo bedrucken wollen, müssen sie Lizenzgebühren bezahlen“, sagt Muk. Darauf verzichtete er, stattdessen stellte er ein Foto der Urkunde auf Facebook. Am nächsten Tag standen die ersten Presseleute vor der Tür – und bald immer mehr Gäste. Der Weltrekord lockte viele an, die Röhrl’sche Gastlichkeit ließ viele wiederkehren.
Noch im September 2020 kann sich kaum jemand vorstellen, dass es einen zweiten Lockdown geben wird. Im Wirtshaus veranstalten Muk und Karin ein kleines Volksfest. Die Musiker der Blaskapelle spielen aus den Fenstern im ersten Stock heraus, jeder aus einem eigenen, Abstandsregeln und so. Das allgemeine Gefühl ist: Da ist ein Licht am Ende des Pandemie-Tunnels zu sehen. Ende Oktober aber entpuppt es sich als heranrasender Zug. Der den zweiten Lockdown heranschleppt.
Wieder müssen die Wirte schließen. Diesmal sollen sie 75 Prozent ihres Vorjahresumsatzes vom Staat erstattet bekommen. Das hilft manchen mehr als anderen. Die Röhrls machen 80 Prozent ihres Geschäfts zwischen April und Oktober. Ihr Vorjahresumsatz im November ist minimal. Gleichzeitig merken sie auf der Straße und in den sozialen Medien, dass sich da draußen etwas verschiebt: „Im Sommer war eine große Welle der Solidarität zu spüren“, sagt Muk, „aber als dann die November- und Dezemberhilfen angekündigt wurden und die Politik von 75 Prozent Umsatzerstattung sprach, dachten viele, wir machen jetzt Urlaub auf Staatskosten. Nicht arbeiten zu dürfen und gleichzeitig solche Vorwürfe zu hören, das hat wirklich wehgetan.“
Und nun?
„Mei, aufstehen, Krönchen richten, weitermachen“, sagt Muk. Im Advent verschicken sie Essensboxen für Weihnachtsfeiern, an den Feiertagen gebratene Gänse, nichts davon macht ökonomisch viel Sinn, aber die Mitarbeiter sind beschäftigt, die Azubis lernen dazu, und irgendwie muss man sich ja auch ablenken von dem Corona-Trübsinn. Was Muk dabei nun auch hilft: Er hat Twitch für sich entdeckt. Mit Kameras umzugehen ist schon lange ein Hobby, sich in Technik hineinzufuchsen auch, und wenn er den Entertainer in sich nun schon nicht als Party-DJ ausleben darf, dann eben vor der Kamera.
Im Januar streamt er zum ersten Mal live aus der Gastroküche. Er hat 26 Zuschauer. Aber Muk ist lang genug DJ, um zu wissen, dass eine Party immer eine Weile braucht, bis sie in Schwung kommt. Im Februar erhöht er den Rhythmus, streamt nun viermal pro Woche und knackt die 50-Zuschauer-Marke. Im April sind es erstmals 100. Und die Zuschauerkurve zeigt so steil und kontinuierlich nach oben, dass es zwar sehr optimistisch, aber nicht komplett größenwahnsinnig klingt, wenn Muk sagt: „Langfristig betrieben, kann das eine zusätzliche Einnahmequelle werden. Und wenn wir die Küche wieder zum Kochen für die Gäste brauchen, dann machen wir vielleicht einen Livestream aus der laufenden Wirtshausküche und kommentieren das ein bisschen.“ Er hat ein paar Foodtruck-Betreiber in den USA entdeckt, bei denen ein ähnliches Konzept ganz wunderbar läuft. Und wenn es das in Eilsbrunn nicht tut, dann geht er eben eine der anderen Muk-Ideen an, die Karin oben im Büro in fünf Ablagefächern sammelt, auf Umsetzbarkeit prüft und priorisiert, weil sie weiß, wie wertvoll sie sind.
Anfang Mai, zwei Tage nach dem Regentag mit den verbrannten Steaks, lacht über Eilsbrunn die Sonne und auf Muks Computerbildschirm eine blonde Frau. Sie heißt Susanne Droux und arbeitet für den Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband. „Das Blatt wendet sich zum Guten“, sagt sie zu den etwa 50 Gastronomen des Forums Junge Gastgeber, die sich zur wöchentlichen Videokonferenz versammelt haben. Die Inzidenzen sinken überall. Wo sie niedrig genug sind, so hat es die Politik nun angekündigt, darf die Außengastronomie endlich wieder öffnen. Das ist die gute Nachricht. Die nicht ganz so gute: Viele Details sind mal wieder unklar. Wie viele Gäste dürfen auf einer Bank sitzen? Müssen auch Kinder einen negativen Test vorweisen? Ab welchem Alter?
In den vergangenen 15 Monaten saß Muk, der an diesem Morgen ein weißes Hemd trägt und auch sonst wirkt wie der seriöse Zwillingsbruder seines Twitch-Alter-Egos, jede Woche mit den anderen „Jungen Gastgebern“ zusammen. Er ist der Vorsitzende der Gruppe. Woche für Woche klärten sie Fragen, gaben Tipps, ließen Frust ab, sprachen einander Mut zu. „Ein Netzwerk zu haben ist für mich das Allerwichtigste. In einer Krise wie dieser, aber auch sonst. Wenn du ein Netzwerk aus Menschen hast, die es wirklich gut mit dir meinen, wird dich das immer auffangen. Egal, ob dir mal kurz ein Gerät fehlt oder du insgesamt am Verzweifeln bist.“
Ein Netzwerk, Entschlossenheit, Ideen, Tatkraft, lange Nächte an Tisch 14 – was hat Muk und Karin noch durch die Krise geholfen? „Ich glaube vor allem eines“, sagt Karin, „wir denken langfristig. Unser Ziel ist es, dieses Wirtshaus irgendwann an die nächste Generation zu übergeben – und zwar in einem besseren Zustand, als wir es übernommen haben. Und in dem Moment, wo du so weit vorausdenkst, verändert sich dein Blick aufs Hier und Jetzt. Dann werden die aktuellen Probleme einfach zu etwas, das es eben zu überwinden gilt. Und das du auch überwinden wirst. Es dauert halt eine Weile. Aber wir sind jung, wir haben Zeit.“
Sie werden mit einem Berg Schulden in diese Zeit starten, aber auch mit motivierten Mitarbeitern, schnellerem Kassensystem, alten Gästen, die sich ihnen noch verbundener fühlen, neuen Gästen, die sie womöglich über Twitch gewinnen, und der Zuversicht, die sie schon immer hatten. „Die Gastronomen hoffen darauf, dass jetzt die goldenen zwanziger Jahre kommen“, sagt Muk, „mal schauen, was passiert.“
Er geht zur Kaffeemaschine, macht zwei Cappuccinos, malt zwei Herzen in den Schaum. Eins für sich, eins für Karin. Gleich muss er seinen Sohn zum Zahnarzt bringen, sich später um eine Unterkunft für die neue Auszubildende kümmern, und am Abend steht der nächste Twitch-Stream auf dem Programm, aber das wird schon, „koa Stress“. Er blickt kurz in den Biergarten hinaus. In ein paar Wochen werden dort wohl wieder Gäste sitzen können, ein Helles trinken, einen Schweinebraten essen. Und Karin und er werden wieder das tun, was das Wirtshaus „Röhrl“ in Eilsbrunn letztlich ausmacht. Nämlich dies, wie Karin sagt: „Dass seit 1658 immer wieder jemand wahnsinnig genug war, hier die Tür aufzusperren.“
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