Inhalt
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Können
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Wozu man Grundsätze braucht: Als Strafverteidiger von Terroristen handelte sich Mustafa Kaplan den Beinamen „Anwalt des Bösen“ ein. Im Interview erläutert er sein Berufsethos und seine guten Absichten
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Herr Müller, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage unserer Wirtschaft?
Aufgrund der steigenden Zinsen der US-Notenbank werden wir einen weltweit massiven Einbruch der Konjunktur sehen. Infolgedessen werden alle Geldanlagen, egal, ob Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Immobilien oder Kryptowährungen, unter die Räder kommen. Oder anders formuliert: Vor ein paar Monaten habe ich noch mit diversen Firmen telefoniert, und alle sagten, die Auftragslage sehe gut aus. Aber seit etwa acht Wochen klingelt kein Telefon mehr. Im Gegenteil, es gibt nur noch Stornierungen. Wir erleben eine Vollbremsung der Weltwirtschaft nach einer ohnehin schon schwachen Situation der letzten zwei Jahre.
Wie schlägt sich das auf die Stimmung an den Börsen nieder?
Wir erleben gerade eine sehr spannende Zeit. Die großen Vermögen dieser Welt wurden in solchen Phasen gemacht. Die Kennedys haben ihr Geld in der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre verdient, genauso auch der alte Onassis. Was jetzt passiert, ist eine Chance, die bekommt man einmal alle hundert Jahre. Es werden ganz viele Menschen alles verlieren, aber einige wenige werden auch sehr reich. Das richtige Timing ist entscheidend, man darf nicht zu früh ins fallende Messer greifen. Man muss abwarten. Und dann, wenn es plötzlich anfängt, Gold zu regnen, muss man Eimer und Fingerhüte rausstellen. Dann heißt es: all in.
Finanz-Experte Dirk Müller: „Es werden ganz viele Menschen alles verlieren, aber einige wenige werden auch sehr reich“
Was heißt „Gold regnen“ – und was für eine Strategie schlagen Sie vor?
Im Moment rate ich jedem Anleger zur sogenannten „Operation Dagobert“, sprich: sein Geld zusammenzuhalten und nichts auszugeben. Inflation hin oder her – die noch zu erwartenden Kurseinbrüche werden höher ausfallen als die Inflationsverluste. Legen Sie jeden Euro, den Sie nicht brauchen, zur Seite, und warten Sie auf den Moment, wenn alles absolut im Keller ist. Wenn dann die US-Notenbank den Geldhahn wieder aufdreht – das meine ich mit „Gold regnen“ –, dann sollte man alles investieren, was man hat. Denn für eine kurze Zeit wird alles sehr billig sein.
Wann kommt dieses Zeitfenster?
Das ist die Frage aller Fragen. Im Moment lassen die Zinserhöhungen den Markt kollabieren, aber an irgendeinem Punkt wird die US-Notenbank eine 180-Grad-Wende vollziehen, und dann werden die Kurse wie bei einem Geysir explosionsartig nach oben schießen. Ich denke, das wird in einem Zeitfenster innerhalb der nächsten zwölf Monate passieren, aber bis dahin wird die Notenbank erst einmal noch die Zinsen deutlich anziehen. Im Moment sind wir bei 3,25 Prozent, diese Zahl wird aber vermutlich noch auf 4,5 Prozent steigen.
Schlittern wir dann nicht in eine Rezession?
Wir sind bereits in einer. Die eigentliche Frage ist, wie lange sie anhalten wird. Optimisten gehen von wenigen Monaten aus, ich denke aber, es wird etwas länger dauern, und rechne noch mit Kursverlusten von mindestens 20 bis 30 Prozent. Andere denken, es könnte sich sogar über zwei bis drei Jahre hinziehen. Sollten sie recht behalten, dann wäre auch ein Cut von 70 bis 90 Prozent möglich. Rein theoretisch könnte das eine der größten Weltwirtschaftskrisen aller Zeiten werden. Das halte ich zwar für unrealistisch, aber ganz ausschließen lässt sich das nicht. Allerdings: Wir unterhalten uns jetzt Anfang Oktober – schon in wenigen Monaten kann wieder alles anders aussehen.
Warum erhöht die US-Notenbank überhaupt die Zinsen so stark?
Der offizielle Grund ist die Bekämpfung der Inflation. Aber meiner Einschätzung nach passiert das auch zu einem gewissen Grad aus militärischen und geopolitischen Gründen. Die Amerikaner haben schon seit vielen Jahren das Problem, dass ihnen China die wirtschaftliche Weltherrschaft streitig macht. Ein solcher Machtkampf kann irgendwann auch zu militärischen Auseinandersetzungen führen. Und bevor das passiert, versuchen die Amerikaner, den Chinesen lieber wirtschaftlich den Stecker zu ziehen. Das Gleiche haben sie 1989 schon einmal mit Japan durchgezogen. Das war eine ähnliche Situation. Japanische Unternehmen hatten einen Großteil der US-Unternehmen aufgekauft. Die gleiche Geschichte, die man jetzt über China erzählt. Und was haben die Amerikaner gemacht? Sie haben auf den richtigen Moment gewartet und dann innerhalb weniger Monate die Zinsen steil gezogen. Was passierte? Die Japan-Blase platzte. Das Land hat sich bis heute nicht mehr davon erholt.
Aber Japan ist von der Bevölkerungsgröße nicht vergleichbar mit China.
Es gilt aber das gleiche Grundprinzip. In den letzten 20 Jahren konnten Investoren Geld im Westen für unter ein Prozent Zinsen bekommen und günstig in China investieren – bei einem zweistelligen Wirtschaftswachstum. Also egal, was man investiert hat, man hat dabei sicher Profit gemacht. Das war eine Art Goldrausch. Und so wurde jedes Jahr immer mehr Geld aufgenommen und nach China gebracht. Nur: Wachstum funktioniert nicht unendlich. Über die letzten Jahre ging es von zwölf Prozent wieder auf fünf Prozent nach unten. Und genau in dieser Situation drehen die Amerikaner jetzt die Zinsen nach oben. Auf der einen Seite wird also Geld teurer, und auf der anderen Seite sinkt die Rendite. Die Folge: Kapitalflucht. Alle, die über die letzten 20 Jahre in China investiert haben, versuchen, ihr Geld wieder rauszuziehen. Das kann den Koloss zum Stürzen bringen. Und genau darauf spekulieren die Amerikaner.
Aber macht man damit nicht auch die eigene Wirtschaft kaputt?
Aus Sicht der Amerikaner sind ein bis zwei Jahre Rezession ein Preis, den man gerne zahlt, um China zumindest für drei bis vier Jahrzehnte die Weltherrschaft streitig zu machen.
Finanz-Experte Dirk Müller: „Wir werden innerhalb von 12 bis 24 Monaten eine riesige Pleitewelle erleben“
Was bedeutet das für Europa und Deutschland?
Jede Menge Kollateralschaden. Wir hängen irgendwo dazwischen. Europa kann die Zinsen nicht anheben, sonst fliegen uns Italien und Spanien um die Ohren. Parallel haben wir noch unsere hausgemachten Probleme mit der Energieversorgung, sprich: Atomausstieg und russischer Gasstopp.
Glauben Sie, Deutschland kann diese Probleme stemmen?
Wir werden vermutlich innerhalb von 12 bis 24 Monaten eine riesige Pleitewelle erleben. Die Mittelschicht wird unter die Räder kommen. Überleben werden nur die großen Discountunternehmen unten und die High-End-Luxusfirmen oben. Die Marken und Unternehmen in der Mitte gehen zwischen explodierenden Rohstoffpreisen und wegbrechender Kundschaft kaputt. Ich gehe davon aus, dass am Ende dieses Prozesses Deutschland auf das wirtschaftliche Niveau von Frankreich fallen wird.
Gibt es nichts, was man dagegen unternehmen könnte?
Nein, dafür sind wir, weltwirtschaftlich gesehen, zu klein. Wir bräuchten so etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa. Wie schon Helmut Kohl sagte: Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass eine Währungsunion ohne politische Union funktionieren kann. Aber dazu war man nie bereit, die Unterschiede waren einfach zu groß. Die reichen Länder wollen nicht für die armen zahlen. Wenn sich aber, wie gerade erwähnt, die bisherigen Unterschiede nivellieren, steigt vielleicht auch die Bereitschaft, eine gemeinsame Politik zum eigenen gemeinsamen Vorteil zu betreiben. Das ist eine große Chance. Aber damit das alle wollen, muss es erst einmal noch deutlich schlechter werden.
Welche Aktien würden Sie für den „Goldregen-Moment“ empfehlen?
Im Moment würde ich, wie gesagt, nichts kaufen. Obwohl einige Titel wie Ebay, PayPal oder Qualcomm gerade bewertungsmäßig sehr günstig sind. Auch die können sich in der heutigen Situation noch halbieren. Aber langfristig sind das bestimmt gute Aktien, die man auf dem Zettel haben sollte. Ein anderer Tipp: Meta. Die sind von 400 auf 130 gefallen. Klar, mag ich so ein Weltherrschaftsunternehmen nicht, aber werden die jemals pleitegehen? Nein. Facebook, Whats-App und Instagram sind alles starke Marken, und das Metaverse bietet ein riesiges Potenzial, vielleicht wird es sogar das nächste Internet.
Finanz-Experte Dirk Müller: „Auch bei Immobilien gilt die Devise: erst mal abwarten“
Gilt nicht Gold traditionell als inflationssicher?
Tatsächlich hat die Geschichte gezeigt, dass Gold nur bedingt als Inflationsschutz funktioniert. Klar wird es in der Zeit besser als die meisten Aktien performen, trotzdem gleicht Gold nur selten die Wucht der Inflation vollständig aus.
Kryptowährungen?
Die sind meiner Meinung nach ein reines Spekulationsobjekt. Man hat in den letzten Monaten gesehen, dass sich Nasdaq und Bitcoin fast eins zu eins gleich entwickelt haben. Als Absicherung bringt das also überhaupt nichts. Im Gegenteil, die meisten Investoren sind Zocker, und sollte es wirklich einen radikalen Abverkauf geben, wird es diese künstlichen Währungen am härtesten treffen. In dem Moment, wenn die Leute ihre Arbeitsplätze verlieren, aber trotzdem ihre Rechnungen bezahlen müssen, wird es einen radikalen Abverkauf liquider Mittel geben. Und Kryptowährungen lassen sich sehr schnell verkaufen, die Kurse schmieren dann ins Bodenlose ab.
Immobilien gelten dagegen als grundsolide, oder?
Immobilien waren über die letzten Jahre völlig überteuert, während die Mieten das aufgrund von Mietpreisbremsen in Deutschland überhaupt nicht ausgeglichen haben. Und alle, die jetzt Immobilien auf Pump zu günstigen Zinsen finanziert haben, denen wird das in nächster Zeit um die Ohren fliegen. Auf einmal müssen sie statt einem Prozent Zinsen irgendwas zwischen fünf und sieben Prozent bedienen. Das heißt, viele Leute werden in Schwierigkeiten kommen und verkaufen müssen mit der Folge, dass die Immobilienpreise flächendeckend nach unten gehen. Also auch hier gilt die Devise: erst mal abwarten.
Was ist mit Rüstungsaktien?
Dazu habe ich eine klare Antwort: Ich habe in meinem Leben noch nie eine Rüstungsaktie gekauft, und ich werde jetzt auch nicht damit anfangen. Allein die Vorstellung, ich hielte Rüstungsaktien und müsste mich eigentlich insgeheim freuen, wenn irgendwo Raketen einschlagen oder Panzer rollen, weil dadurch mein Konto steigt, das gefällt mir ganz und gar nicht. In diese ethische Zwickmühle will ich mich nicht begeben. Das Gleiche gilt übrigens auch für Lebensmittelwerte. Selbst wenn ich sicher wüsste, dass morgen Reis und Mais beim Zehnfachen stehen, würde ich damit nicht spekulieren. Das treibt nur den Preis hoch mit der Folge, dass irgendwo Kinder hungrig ins Bett gehen. Das ist eine Sauerei.
Was halten Sie von besonders nachhaltigen, sprich grünen Aktien?
Langfristig gesehen, können die sehr interessant sein. Schau dir die heutige Politik an, letztendlich wissen wir alle, wo die Reise hingeht. Aber der Umbau unserer Gesellschaft wird noch sehr lange dauern, im Moment sehe ich da noch keine guten Renditen.
Finanz-Experte Dirk Müller: „Je heißer es wird, desto wichtiger ist es, cool zu bleiben“
Wie wäre es mit Oldtimern oder Luxusuhren?
Ich habe tatsächlich auch eine solche Investition gemacht, und zwar in Whiskys. Ich trinke gerne schottische Single Malts, und das ist ein Markt, der seit Jahren auch nur eine Richtung kennt. Aber wenn ich das langfristig auf 20 Jahre betrachte, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ist der Whisky in dieser Zeit deutlich im Wert gestiegen, oder es interessiert sich niemand mehr für die Flasche, dann trinke ich den edlen Tropfen einfach selbst. Also eine Win-win-Situation für mich (lacht). Aber im Ernst, ich sehe so etwas eher als Fun-Investment. Wenn man an einem schönen Auto, einer Uhr oder eben einem Whisky seine Freude hat, soll man das machen. Aber als reines Investmentobjekt würde ich es nicht empfehlen. Die Risiken sind zu unkalkulierbar. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für den Kunstmarkt.
Haben Sie noch einen letzten Tipp, den Sie unseren Lesern in der Krise mit auf den Weg geben wollen?
Viele stellen sich immer die Frage: Wie lege ich mein Geld an? Dabei wäre die eigentlich wichtigere Frage: Wie stelle ich mich mental auf, um mit einer Krise gut umzugehen? Denn je heißer es wird, desto wichtiger ist es, cool zu bleiben. Bevor also die Emotionen hochschlagen und man zum falschen Zeitpunkt die falsche Investment-Entscheidung trifft, sollte man sich einen Masterplan zurechtlegen, in dem man ganz klar festlegt, wann und zu welchem Kurs man etwas kaufen oder verkaufen will. Und daran sollte man sich dann auch halten, egal, was der Bauch sagt.
Dirk Müller ist ein deutscher Fondsmanager und Autor mehrerer Bücher rund um die Themen Börse und Wirtschaft. Ursprünglich bekannt geworden ist er durch seinen prominenten Arbeitsplatz an der Frankfurter Börse direkt unter der Dax-Kurstafel, was ihm den Spitznamen „Mister Dax“ einbrachte. Heute leitet er als Inhaber der Finanzethos GmbH den von ihm aufgelegten „Dirk Müller Premium Aktien Fonds“, den er unter anderem auf einen bevorstehenden Kurscrash speziell aufgelegt hat. Daneben betreibt er die Website cashkurs.com
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