Die Jahre zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg werden gerne als die "goldenen Zwanziger" bezeichnet. Die Gesellschaft in der Weimarer Republik war inspiriert von künstlerischer und kultureller Freiheit. Während in den USA die Prohibition herrschte, wirkte Berlin für ein paar Jahre wie der Nabel der Welt.
Dass dieses Berlin viel weniger glanzlos war, zeigt nun "Babylon Berlin". Die Koproduktion von Sky und ARD gilt als Hoffnung der deutschen Serienlandschaft. Das Autorenteam aus Tom Tykwer, Achim von Borries und Hendrik Handloegten taucht in den verschiedenen Handlungssträngen in die Berliner Untwelt ein.
Erfrischend ist bei der Mixtur aus Drogen, Politik und Verbrechen der aufwändige Bühnenbild. Der klassische deutsche Look bleibt zwar unverkennbar, doch man sieht jeder Kulisse, jedem Kostüm seine Wertigkeit an. Eine vergleichbare aufwändige Inszenierung ist in Deutschland selten, wenn es das in dieser Form überhaupt schon einmal gab.
Ein weiterer Pluspunkt sind die unverbrauchten Gesichter der Serie. Natürlich sind auch die Darsteller in Babylon Berlin keine komplett Unbekannten. Erfreulicherweise bleiben uns die immergleichen Gesichter aus der bekannten TV-Ödnis erspart. Was liefern also diese "Neulinge"?
So einiges. Volker Bruch spielt den Kölner Kommissar Gereon Raht, einen Veteranen, der mit den seelischen und körperlichen Folgen des ersten Weltkrieges zu kämpfen hat. Nach Berlin versetzt, muss er sich nicht nur seinem Kriegstrauma entgegenstellen, sondern auch der Berliner Unterwelt. Immer tiefer rutscht er in seinen Ermittlungen in die Verschwörungen.
Noch mehr überzeugt Liv Lisa Fries in ihrer Rolle als Charlotte Ritter. Die junge Berlinerin pendelt zwischen ihrer armen Familie und dem Berliner Hauptstadtschick. Im "Moka Efti", dem Berghain der 20er, feiert sie nicht nur, sondern widmet sich dem ein oder anderem Freier, um ihre Familie über die Runden zu bringen.
Diese Szenerie ist es auch, die der Serie am Ende der zweiten Folge ihr absolutes Highlight beschert. Der Gesangsauftritt der androgynen Sängerin Nikoros bringt die Menge zur Ekstase. Im Kontrast dazu sehen wir, wie eine Druckerei voller Trotzki-Anhänger mittels Maschinengewehrsalve ermordet wird. Und wäre dieser Gegenschnitt nicht genug, sehen wir auch noch Chrlotte Ritter, die im Separee des Moka Efti ihrer Arbeit nachgeht und einem Freier ein Halsband anlegt.
Eine pompös inszenierte Abfolge, auf die wir hierzulande viel zu lange warten mussten. Doch so sehr dieses Episodenfinale begeistern mag, so groß ist auch der Schatten, den es auf den Rest der Serie wirft.
Zwar sind sämtliche Rollen bestens besetzt, die Handlung spannend und die Inszenierung so schön wie nie zuvor in Deutschland. Doch ein wichtiger Baustein der modernen Serie fehlt. Der Suchtfaktor.
Den Sog, den die beschriebene Szene in Folge zwei erzeugt, lässt Babylon Berlin ansonsten vermissen. Das liegt vermutlich daran, dass wir als Zuschauer (noch) keine wirkliche Identifikationsfigur finden konnten. Und auch der Humor kommt etwas knapp.
Nur ein Dialog zwischen Rath und Ritter bleibt im Gedächtnis. Als sich die beiden erstmals treffen und Kommissar Rath seinen Namen preisgibt, fragt Ritter süffisant: "Gereon? Woher kommst du denn? Aus dem Mittelalter?" Worauf Rath erwidert: "Nein, aus Köln."
Es sind diese kleinen Dinge, die eine Serie zur Größe verhelfen. Ein schickes Berlin alleine reicht noch nicht, weder für das deutsche Publikum, noch für den angestrebten internationalen Markt. Bitte mehr davon, Babylon Berlin.
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