Darts in Deutschland. Das ist Elmar Paulke. Jedes Jahr um die Weihnachtsfeiertage startet die Darts WM und jedes Jahr schalten mehr Menschen ein, lassen sich mitreisen, versuchen sich selbst an der Scheibe und trinken das ein oder andere Bier dabei. Paulke hat zum Start der WM am 15. Dezember sein zweites Buch veröffentlicht "Game on! Die verrückte Welt des Darts" heißt es und zeichnet den Weg des Kneipensports in die großen Arenen nach. Wir haben mit ihm über seinen Lieblingsspieler, die kommende WM und die Verbindung zwischen Darts und Alkohol gesprochen.
Playboy: Bald startet die Darts-WM im Alexandra Pallace in London. Warum sollte ich einschalten?
Paulke: Weil gerade die Atmosphäre im Alexandra Pallace, diesem inzwischen legendären Austragungsort, wirklich was ganz besonderes ist. Und natürlich ist der Wettberwerb spannend, das hat Tempo, tolle Typen und die Fans sind verrückt.
Playboy: Ist diese Mischung der Grund für den europaweiten Dartshype?
Paulke: Die Kontraste lösen eine Faszination aus. Konzentrationssport und gleichzeitig die grölende Fangemeinde. Das gibt es in keinem anderen Sport. Historische Gebäude werden von kostümierten Leuten gekapert. Beim Darts geht es um Stars, die eigentlich keine Helden unserer Zeit sind, aber die von den Fans wie große Popstars gefeiert werden. Das hat was Skurriles für den Zuschauer. Gerade für den, der zum ersten Mal damit konfrontiert wird. Aber das hat auch was Faszinierendes. Da will man hängenbleiben.
Playboy: Speziell in Deutschland wird Darts immer populärer. Wie erklären Sie sich das?
Paulke: Das erstaunliche ist, dass wir einen Hype auslösen ohne einen deutschen Spitzenspieler zu haben. Normalerweise hast du den Boris Becker und über den entsteht dann der Tennis Hype. Der eigentliche Hype kam durch die Fernsehübertragung. Ich glaube die Zuschauer, die zu Turnieren hier nach Deutschland kommen – das sind inzwischen ja über 150 000 im Jahr – die wollen das erleben, was sie auch im Fernsehen beobachten. Daher könnte man sagen, dass das ganze eigentlich aus England rüber geschwappt ist. Jetzt warten wir noch darauf, dass mal ein Deutscher im WM-Halbfinale steht. Zum Beispiel der 20-jährige Max Hopp. Der ist aktuell auf Platz 38 der Weltrangliste und der deutsche Hoffnungsträger.
Playboy: Beim letzten WM-Finale hatte Sport1 fast zwei Millionen Zuschauer.
Paulke: Das zeigt, dass man raus ist aus der totalen „Special-Interest“-Zone. Das finden offensichtlich auch Leute cool, die einfach mal reinzappen und denken: „Was ist denn da los?“ Wenn sie aber hängenbleiben verstehen sie es schnell und merken, dass da Dramatik drin ist und am Finaltag versammeln sich alle vor dem Bildschirm.
Playboy: Teil des Reizes sind die Charaktere der Spieler, wer ist Ihr Liebling?
Paulke: Ich lege mich da nicht fest. Was ich insgesamt mag: Die Jungs wissen alle, wo sie herkommen. Die heben nicht ab. Der 16-malige Weltmeister Phil Taylor lebt immer noch in der Arbeiterstadt Stoke-on-Trent – auch wenn er oft durchblitzen lässt, dass er Multimillionär ist. Natürlich hat ein Michael Van Gerwen, der gerade alles abräumt, einen Höhenflug. Aber gerade im Vergleich zu anderen Sportarten, wie Fußball oder Tennis, sind Dartsprofis einfach bodenständig. Ich glaube auch, dass die Wiederkennbarkeit beim Darts sehr groß ist. Simon Whitlock mit seinem geflochtenen Pferdeschwanz und eigenartigen Bart, den siehst du einmal und vergisst ihn nie wieder. Das sind eben ganz einzigartige Typen und das ist einer der Gründe warum die Leute einschalten.
Playboy: Wie in jedem Sport gibt es Spitznamen. Beim Darts haben aber selbst die Newcomer schon ausgefallene Namen – ein bisschen wie beim Wrestling. Was sind Ihre Lieblingsnamen und die Geschichten dahinter?
Paulke: Ich finde „The Bronced Adonis“ saulustig. Das ist Steve Beaton, der war in den 1990er der Sunnyboy der Dartszene. Im Sommer kam er einmal braun gebrannt zu einem Turnier seitdem war er für die englischen Kommentatoren „The Bronced Adonis“. Roland „Tripod“ (Anm.: Dreibein) Scholten ist allerdings auch nicht schlecht.
Playboy: Er meint keine Fehlbildung mit dem dritten Bein.
Paulke: Nein, ganz und gar nicht. Naja, wie man es sieht. (lacht)
Playboy: Spitznamen wie beim Wrestling, der Walk-In vom Boxen, eine Party wie auf dem Oktoberfest und Kostüme wie an Karneval. Besteht die Gefahr, dass Darts zu einer bloßen Partyreihe verkommt, bei der nebenher noch skurrile Männer auf Scheiben werfen?
Paulke: Das glaube ich nicht. Du wirst keine Topstimmung haben, wenn das Spiel da oben nicht gut ist. Du brauchst diese Van Gerwens, die Tempo spielen, die das Niveau haben, bei denen 180er reihenweise fallen, damit Stimmung aufkommt.
Playboy: Apropos Stimmung: Wie stark ist die Verbindung vom Kneipensport Darts und Alkohol?
Paulke: Wir sehen das bei den Zuschauern. Da wird viel getrunken und das ist bestimmt auch ein Grund warum die Stimmung so ist wie sie ist. Darts kommt aus der Kneipe. Es ist ein Sport aus der Arbeiterklasse und da wurde immer schon ein Bier dazu getrunken.
Playboy: Auch bei den Profis, die mit Darts Millionen scheffeln?
Paulke: Nein. Alkohol ist seit 1988 auf Turnieren verboten. Es gab aber tatsächlich Ausfälle. Jocky Wilson zum Beispiel stürzte bei der WM 1984 als zweimaliger Weltmeister von der Bühne. Das war ne wilde Zeit. Da durfte man auch während des Spiels rauchen. Das ist kaum vorstellbar, dass das noch gar nicht so lange her ist. Das führte damals auch zu Imageproblemen und die Sportart wäre fast verschwunden. Man findet keine Sponsoren mehr, wenn das äußere Erscheinungsbild nicht zumindest ‚okay’ ist.
Playboy: Und abseits der Bühne?
Paulke: Wird ein Feierabendbier getrunken. Wie das der Brite eben abends im Pub macht. Die trinken ihre ein, zwei, drei Bier und dann geht’s ins Bett.
Playboy: Mittlerweile steckt auch im Darts viel Geld für die Turniersieger. Entwickeln sich erste Allüren?
Paulke: Die Gefahr ist da. Das Schöne am Darts ist dass die Stars volksnah sind. Das könnte durch Allüren verloren gehen. So ein Van Gerwen, der verdient schon gut und der weiß auch um seine besondere Rolle. Der hat noch keine Megastar-Allüren, aber schon ein unheimlich großes Selbstbewusstsein. Genauso wie Phil Taylor übrigens. Es kann aber auch sein, dass die jetzt mit Arroganz reagieren, weil denen das zu viel wird und die nicht jedem gerecht werden können. Die können jetzt eben auch mal sagen: ‚Das mach ich nicht mehr. Ich bin weg. Stopp!’ Dieser Zirkus, der soll natürlich wachsen, der muss auch wachsen, dass noch mehr Profis davon gut leben können. Aber das hat dann eben auch eine Kehrseite.
Playboy: Was macht ein ehemaliger Fabrikarbeiter wie Phil Taylor, wenn er plötzlich durch Darts zum Millionär geworden ist? Wie verändert er sich?
Paulke: Geld ist ihm wichtig. Phil Taylor redet viel über Geld, wenn du mit ihm abends weg bist. Der ist fasziniert von teuren Gegenständen. Von teuren Autos und teuren Uhren. Der pendelt so hin und her. Auf der einen Seite hat er sich schon einen Ferrari bestellt und auf der anderen Seite sagt er dann aber auch so Sachen wie: ‚Jetzt hab ich meinen Porsche wieder getankt, das war so schweineteuer, ich kaufe mir jetzt einen KIA Diesel.’ Da merkt man dann schon wieder wo er herkommt, sein anderes Leben.
Playboy: In Ihrem Buch bemerkt man, dass Darts zu Wetten einlädt. Was war der bisher bitterste Wetteinsatz für Sie?
Paulke: Ich selber darf übrigens als Moderator der PDC (Anm.: dem Dartsverband) nicht wetten. Aber am Board mal eben eine Wette um den Sieg, das mach ich schon. Da hab ich auch mal gegen Handballtorwart Silvio Heinevetter in einer Schöneberger Kneipe verloren. Jetzt muss ich als Maskottchen der Füchse Berlin einlaufen.
Playboy: Wer wird am 02. Januar Weltmeister?
Paulke: Normalerweise muss es van Gerwen werden. Der macht sich auch viel Druck und hat hohe Erwartungen weil er unbedingt diesen Titel will. Das kann hemmen. Aber wenn er das macht, was er sonst macht, muss er gewinnen.
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