PRO
Von Philip Wolff, Playboy-Textchef
Das Schöne am Fußball ist ja, dass er wie das Leben selbst ist, nur gerechter. Gegen Zufall und Versagen haben Klugheit und Geschick immer eine Chance. Und meistens gewinnen die Bayern. Denn der FC-Bayern-Fußball ist noch besser als das Leben. Eine einzige Erfolgsgeschichte, geschrieben von einem Mann, der nun wieder Vereinspräsident wird, damit er sie weitererzählen kann: Uli Hoeneß, mit Worten noch immer der gefährlichste Angreifer der Bundesliga. Seine scharfen Schüsse gegen die Kritiker der Clubphilosophie und die „populistische Scheiße“ der anderen – sie haben gefehlt. Aber jetzt ist er endlich zurück, nachdem er sich im Leben zwar als Steuersünder einmal verzockt, seinen Kredit im Fußball aber nie verspielt hat.
Im Gegenteil. Hoeneß war und ist dieser Verein – ein Synonym für deutschen Spitzensport. Als ihn Ende der 70er ein Knorpelschaden aus dem vielfach mit Titeln belohnten Spiel nimmt, wechselt er, gerade 27 Jahre alt, hinter den Schreibtisch – als jüngster Clubmanager der Liga-Geschichte. Verzwanzigfacht den Vereinsumsatz, macht den Dorfladen zur Weltmarke. Als Ulmer Metzgersohn mit dem Herz auf der Zunge gibt er den Fans genauso ein Zuhause wie den Legenden. Und baut ihnen eine Arena. In den großen Nächten leuchtet sie rot wie der Tribünenstolz des Patriarchen. Eigentlich müsste sie seinen Namen tragen. Ganz unbescheiden. Weil der Miasan-mia-Familie eben gerade keine Mutter Teresa vorsteht, wie Hoeneß einst betonte. Sondern ein Freund- und Feindschafts-Pfleger, der immer auch im Sperrfeuer seiner Gegner stand.
Ihr Neid: für ihn Kompliment und Gefahr zugleich. Als Hoeneß 2000 gegen Christoph Daums Drogenmissbrauch wetterte, geriet er in ein Meinungstief. „Ein ganzes Volk gegen dich“ – das wollte er nicht noch einmal erleben. Seine Steuerschuld zeigte er wohlweislich selbst an und büßte. 637 Tage Haft. Und jetzt? Liegen die Fakten auf dem Tisch wie einst Daums Haare. Straftat, rote Karte, Sperre. Ab sofort darf wieder geschossen werden. Weil das Leben manchmal doch so gerecht sein kann wie der Fußball.
CONTRA
Von Lucas Vogelsang, Playboy-Autor
Ein Unternehmer, der die Gesetze des Anstands verletzt, dann aber unbedingt Präsident werden will – man möchte meinen, das sei ein amerikanisches Gespinst. Ein Irrsinn, von Spin-Doktoren aufgeblasen. Aber man muss für diese Farce nicht erst nach Washington schauen, wo ja lange nicht klar war, ob nicht tatsächlich ein Mensch gewordenes Moralproblem ins Weiße Haus einziehen darf. Es reicht ein Blick nach München, an die Säbener Straße, wo Uli Hoeneß seine Rückkehr an die Spitze des FC Bayern zelebriert. Ein Vorhaben, das gemeinhin als gute Nachricht verkauft wird. Die Stehaufgeschichte des geläuterten Sünders. Aber das ist es nicht. Weil sich die Versuchsanordnung verändert hat.
Uli Hoeneß, als Präsident der Inbegriff des Miasanmia-Anspruchs, war der FC Bayern. Und diese Symbiose in den guten Jahren die große Stärke des Clubs. Der Allmachtsmensch Hoeneß, den rot-weißen Schal um den roten Hals geschlungen, stand vor der Mannschaft, an ihm prallten die Dinge ab. Ein Schutzschild aus Bratwurst und Hybris. Doch blieb dieser Hoeneß vor allem deshalb unantastbar, weil er etwas verkörperte: die Moral von der Geschicht. Die predigte er von seiner Kanzel im Olympiastadion. So konnte er Millionen verdienen und doch den Anwalt der kleinen Leute geben. Konnte Christoph Daum als Süchtigen bloßstellen und letztlich doch im Beifall baden. Ein Lobbyist des eigenen Wertesystems, ein halber Politiker, der in Interviews die Rundumwatschen dabei hatte, die Reichen kritisierte und die Finanzwelt an den Pranger stellte. Er durfte das. Kein Besserwisser, ein Bessermacher. Das sagte er selbst 2010. Und machte es damit noch schlimmer.
Hoeneß hatte eine verhängnisvolle Fallhöhe erreicht. Wenn solch ein Schwergewicht aufschlägt, klatscht es gleich richtig, geht die Glaubwürdigkeit verloren. Wie bei einem gedopten Sportler oder einem Politiker mit gekauftem Doktortitel. Hoeneß hat mit seinem Ruf auch den des FC Bayern riskiert. Während seiner Haft ist der Verein weiter gewachsen, hat sich emanzipiert – und einen wie ihn jetzt nicht mehr nötig.
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