„Ich bin nicht euer Boris“, sagt Deutschlands größter Tennisspieler plötzlich, adressiert an die Zuschauer. „Ich war noch nie euer Boris, noch nie.“ Ein vehementer, trotziger – ja, durchaus ein bemerkenswerter Satz. Und vielleicht das Highlight der sehenswerten Dokumentation, die "Das Erste" am Montagabend anlässlich des 51. Geburtstags von Boris Becker ausstrahlte.
Und ein Satz, der wohl für das größte aller Missverständnisse zwischen der weltberühmten Tennislegende und seinem Heimatland steht. Ion Tiriac, der bärbeißige und höchst erfolgreiche Manager des damals noch jungen Becker, weiß: „Boris Becker wurde nicht in Leimen geboren. Er wurde in London geboren, an diesem Tag. Und ganz Deutschland hat ihn adoptiert.“
Mit diesem Tag ist der 7. Juli 1985 gemeint. In Wimbledon, dem noblen Stadtteil von London, gewinnt ein damals 17-Jähriger als erster Deutscher und jüngster Sieger aller Zeiten das wichtigste Tennisturnier der Welt. Und wird mit diesem Triumph selbst zur Legende.
Sicher, es gab technisch bessere Tennisspieler, wendigere, elegantere. Spieler mit härterem Aufschlag und mehr Finesse im Repertoire. Aber es gab nur diesen einen Boris Becker. Diesen manchmal ungelenk wirkenden Hünen mit hellen Wimpern, dicken Beinen und Barbarossa-Bart, der sich mit blutenden Knien nach jedem Ball warf und keinen Punkt verloren gab. Niemals. Der Wimbledon dreimal gewann. Der den US-Amerikaner John McEnroe in der Davis-Cup-Schlacht von Hartford, die in die Geschichte einging, nach 6 Stunden und 21 Minuten niederrang – und erst eine Beckermania sowie anschließend einen Tennis-Boom in Deutschland auslöste, wie es ihn davor und danach nicht wieder gegeben hat.
Boris Becker war nie seichte Vorabend-Unterhaltung
Für mich, selber Jahrgang wie Boris Becker, sind die Matches von Bum-Bum-Becker keine Tennisspiele gewesen. Becker dabei zu erleben, wie er immer dann sein bestes Tennis auspackte, wenn schon alles verloren schien – das war wie jemandem dabei zuzusehen, wie er gerade um sein Leben kämpfte. Boris Becker war nie leichte Kost, seichte Vorabend-Unterhaltung. Boris Becker war Tragödie, das ganz große Drama.
„Ihr müsst Euch keine Sorgen machen, denn mir geht es gut, ich bin erwachsen“
So wie der Tennisspieler damals bespielt auch der heutige Becker die große Bühne. Doch anders als zu seinen aktiven Zeiten, als er auf den Centercourts dieser Welt immer noch einen siegbringenden Aufschlag ins gegnerische Feld zu setzen wusste, pflastern heute vor allem herbe Niederlagen seinen Weg.
Sex in der Besenkammer, Samenraub, Steuerfahndung, Firmenpleiten, peinliche TV-Auftritte – und jetzt sogar ein Verfahren wegen Privat-Insolvenz. Ein Londoner Konkursgericht erklärte Boris Becker, der allein als Spieler in seiner Karriere mehr als 25 Millionen an Preisgeldern verdient hat, im Sommer für zahlungsunfähig.
Heute, am 22. November 2017, feiert Boris Becker, der Weltsportler, die Tennislegende, der 17-jährige Leimener, der Mann, mit dem Deutschland seit 33 Jahren mitfiebert und mitleidet – der aber nie „unser Bobele“ sein wollte, seinen 51. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!
„Ihr müsst Euch keine Sorgen machen, denn mir geht es gut, ich bin erwachsen,“ sagt Becker am Ende in die Kamera. Und man möchte es ihm gerne glauben.
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