Madonna: Diva und Domina

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Sie war Diva und Domina, Schulmädchen und Superschlampe – vor allem aber war sie immer eines: ihr eigener Boss. Jetzt ist sie 60 Jahre alt geworden. Eine Verneigung vor einer furchtlosen Göttin.

Autor: Tobias Kniebe

Der erste Gedanke, der sich zu diesem Jubiläum aufdrängt, hat etwas Tröstliches: Madonna ist noch da. Und wenn nicht alle Zeichen täuschen, wird sie der Welt auch noch eine Weile erhalten bleiben. Tatsächlich würde man zu ihrem Sechzigsten sogar eine Wette darauf abschließen, dass sie – Health-and-Fitness- Freak, der sie nun einmal ist, eines Tages ein wahrhaft biblisches Alter erreicht. Der schicksalhafte Griff zu den Schmerz- und Einschlafmitteln, der
Michael Jackson schon tragisch dahingerafft hat, Prince und Whitney Houston – man kann sich einfach nicht vorstellen, dass Madonna sich so viel Selbstaufgabe erlauben würde, so viel Kontrollverlust. Und also ist sie unter den Pop-Giganten der 80er-Jahre, die mit ihr zusammen die Welt erobert und verändert haben, jetzt einfach: die Überlebende. Die Göttin, deren Geschichte noch weitergeht.

Konnte man das schon ahnen, damals im Jahr 1984, als sie mit einem wuschelmähnigen Löwen über den Markusplatz in Venedig tollte, um mit mädchenhafter Piepsstimme „Like A Virgin“ zu singen? Wohl kaum. So sehr dieses Image einschlug, so schnell es sie zum Superstar katapultierte – am Start wirkte sie doch wie eines dieser Sexpüppchen, weichgezeichnet und ferngesteuert von lüsternen Männern im Hintergrund. Im Unterschied zu all den anderen Püppchen jener Zeit, die heute kein Mensch mehr kennt, war Madonna aber schon damals ihr eigenes Geschöpf. Ihr eigener Mastermind, ihre eigene Strategin, ihr eigenes Gesamtkunstwerk. Sie benutzte die Piepsstimme und den Schlafzimmerblick, weil sie es kommerziell für eine clevere Idee hielt. Als Kopfgeburt, als Ergebnis einer intellektuellen Überlegung. Als Startkapital.

Schlagzeilenträchtig: Ihr Bühnenkuss mit Britney Spears, 2003.
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Was die Sache ja nicht weniger heiß machte, im Gegenteil. Der Sex der 80er-Jahre wird für immer an bestimmte äußere Zeichen gebunden sein, die sie miterfunden hat: an eine gewisse Art des Synthesizereinsatzes, an eine gewisse Form der Mädchenfrisur, heute würde man sie vielleicht die fedrige Pornowelle nennen, und an gewisse Schlüsselreize wie rosa Aerobic-Anzüge und weiße Stulpen an Frauenbeinen.

Und an gnadenlosen Realismus. „Ich bin ein materialistisches Mädchen und lebe in einer materialistischen Welt“, sang sie ein Jahr später in „Material Girl“, und nur die größten Träumer konnten das als Ironie verstehen. Alle anderen ahnten, dass sie es ernst meinte, dass sie hier bereits den Lebensweg beschrieb, den sie als Geschäftsfrau einschlagen würde. Wie unerhört das war und noch lange bleiben würde, in einer von Männern beherrschten Welt, ist erst über die Jahre so richtig klar geworden.

Woran sie dann vor allem gearbeitet hat, war Unentrinnbarkeit. Mit ihrem Killerinstinkt für die neuesten Modetrends und die größten Ohrwürmer, die sie von den jeweils heißesten Songschreibern einkaufte. Ein bisschen zu süßlich, zu eng im Schritt, zu rosa, zu Spandex, zu Pornofrisur. Ihre Meisterschaft lag nicht in der Sphäre des musikalischen Genies, und auch nicht in der Sphäre der Innovation, sondern in ihrem Gefühl für Vorstadtdisco, im großen, hormonüberladenen, berauschenden Jenseits der Peinlichkeit.

Ihre Spürnase für Erregungen und Provokationen, ihre Skandal-Auftritte in Gaultier-Bustiers, ihre Sex- Arbeit mit der Nacktheit des eigenen Körpers, ihr Kokettieren mit Verdammungen durch die Kirche und mit dem strengen Katholizismus ihrer Kindheit – als Madonna Louise Veronica Ciccone wurde sie 1958 in Bay City/Michigan geboren –, all das schwankte immer unauflösbar zwischen Befreiung und Kalkül.

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