EINER von uns: Dr. Sommer
Es gibt ja Dinge, die kannst du deine Eltern nicht fragen. Und deine Klassenkameraden auch nicht. Weil du dann entweder direkt enterbt oder nie wieder ins Völkerballteam gewählt wirst. Gut im Bett, was heißt das? Ist Sex als Geburtstagsgeschenk okay? Mein Freund will, dass ich, sein Sperma gurgelnd, die Nationalhymne singe, muss ich? Was jungen Menschen eben so durch den Kopf geht, wenn sie mit der Kontrolle über ihren Körper auch sich selbst verlieren, während sie die anderen entdecken. In der Pubertät kannst du ziemlich einsam sein.
Gut, dass es für diese Fragen einen Adressaten gibt. Dr. Sommer, bald 50 Jahre schon. Der Antwort-Onkel aus der „Bravo“ hat der deutschen Jugend die Angst vor dem Sex genommen, drei Generationen enthemmt und bettfertig gemacht. 1969
begann es. Die sexuelle Aufklärung an sich war von der Pubertät noch weit entfernt und die Erotik ein Sperrgebiet, vermint von Männern, die den Krieg gesehen hatten. „Bravo“ leistete also echte Pionierarbeit. Zweimal geriet sie dafür auf den Index, auch weil sie Selbstbefriedigung mit Fingerspitzengefühl behandelte, dem Vokabular das Tabu nahm. Dr. Sommer schrieb: Glied. Und tanzte damit aus der Reihe. Aufklärung ist eben seit jeher ein Kampf. Erde und Sonne, Penis und Scheide. Darum dreht es sich doch.
Heute gibt es den einen Dr. Sommer, Martin Goldstein, nicht mehr, er wurde durch ein ganzes Team ersetzt. Nur die Fragen sind weniger geworden, 400 pro Woche, wo es früher 5000 waren. Die Sexualität findet nicht mehr im Print statt. Da nun auf Snapchat gewichst wird und Porno so alltäglich ist wie Yoga, scheint dieser Kummerkasten für Beischlaf-Amateure sogar überflüssig geworden zu sein. Aber warum man vom Masturbieren unter der Dusche nicht schwanger wird, das kann niemand so schön und geduldig erklären wie Dr. Sommer. YouPorn schon gar nicht.
KEINER von uns: Rainer Langhans
Man dachte ja immer, es wäre vor allem um Sex gegangen. Freie Liebe und so, wer zweimal mit derselben pennt. Durchgebumste Slogans der Nachkriegszeit. Damals, in den 60er-Jahren, als ein paar politische Exhibitionisten in einer Berliner Küche ihr ganz eigenes Süppchen kochten. Langhans war Küchenmeister. Rainer, der Oberkommunarde, das Haar lang für die Frauen, Mao-Kutte dazu. Das sind so Bilder, die bleiben. Und dann durfte dieser Langhans auch noch Uschi Obermaier, die damals schönste Frau der Bundesrepublik, beschlafen. Sex, Drugs und Blumenkohl. Ein Versprechen. Gehalten hat es nicht. Die Kommune hat sich und ihre Idee irgendwann kannibalisiert, nahm Geld für Interviews, ließ sich abfilmen. Im Flur das Schild: erst blechen, dann sprechen. Das Hippie-Ding als erstes Reality-Format im deutschen Fernsehen.
Uschi Obermaier hat in ihrem Leben auch noch mit Hendrix und Jagger geschlafen, ihr wurde ein Film gewidmet. Und Langhans? Beschläft heute eine Matratze in einer kargen Münchner Wohnung, bezieht 197 Euro Rente und predigt Enthaltsamkeit.
Althippie oder 68er-Ikone nennen ihn die Zeitungen jetzt, was nach Patschuli aus der Mottenkiste riecht. Nach einem, der wegen Arthrose im Daumen keinen Joint mehr
drehen kann. Es gibt Möbel aus dieser Zeit, die sind längst wieder in Mode. Langhans aber vermodert auf dem Flohmarkt der Zeitläufte. Ab und an nur erinnert sich jemand und zerrt ihn noch mal vor die Kamera. Ein wirrer grauer Guru. 2011 war er im RTL-Dschungel. Und letztes Jahr zog Langhans in den Sat.1-Voyeurschuppen Newtopia, natürlich gegen Honorar. Erst blechen, dann sprechen. Frei ist nicht mal mehr die Liebe. Aber darum ging es ja nie.
Jeden Tag Sex, hat der Ärmste einmal gesagt, ich fand das schrecklich. Hoffentlich stimmt heute wenigstens die Kohle.
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