Der 29. Februar 1960 war einer dieser Tage, an denen man zu spüren bekam, warum Chicago den Beinamen Windy City trägt. Vom Lake Michigan her blies es eiskalt durch die Häuserschluchten, und jedes Mal, wenn sich das imposante Portal an der 116 East Walton Street öffnete, wehten Schneeflocken ins Foyer. Es war ein besonderer Abend, an dem die Tür fast immer offen stand. Joyce Nizzari stand direkt daneben. „Wir haben uns buchstäblich die Schwänze abgefroren“, erinnert sie sich. Jener Schwanz, den Miss Dezember 1958 trug, war Teil ihres Outfits.
Und jenes Outfit, in dem sich Joyce und 30 Kolleginnen zur Schau stellten, war ein Grund, warum sich draußen trotz bitterer Kälte die gut situierte Männerwelt Chicagos geduldig die Beine in den Leib stand. Eine eigene Fernsehshow hatte Hugh Hefner schon, die erste Playboy Mansion in Chicago war unlängst bezogen, und das Magazin lief auf Hochtouren. Was also fehlte? „Die Vorstellung, einen eigenen Club zu haben, war nicht nur aufregend, sondern spiegelte auch meine Verehrung für ‚Casa-blanca‘ wider. Wie Bogart in diesem Film seinen Laden führte, das fand ich schon als Teenager toll“, erzählte Hefner. Also beschloss er, dieses Konzept umzusetzen: Live-Entertainment, gutes Essen, hübsche Mädchen, das Ganze für eine exklusive Klientel.
Der Club würde verschiedene Erlebniswelten verschmelzen: Auf vier Stockwerken entstand mit Räumen wie Penthouse, Bibliothek und Playmate-Room in einem Ambiente holzgetäfelter Wände und schwerer Ledercouch-Garnituren die Spielwiese für den modernen Mann. Der Playboy-Club sei „ein Treffpunkt für die wichtigsten, wachsten und wohlhabendsten Männer der Gemeinde“, sagte Hefner. Um zu dieser besonderen Gemeinde zu gehören, bezahlten die Gäste eine einmalige Mitgliedsgebühr von 50 Dollar. Dafür bekamen sie freien Eintritt und einen Schlüssel mit Häschen-Logo.
Die Geburtsstunde des Bunnykostüms
Fehlten nur noch? Die passend gestylten Frauen. Anfangs mochte sich der Hahn im Hasenstall nicht so recht mit der Idee einer Häschen-Version anfreunden, Hefner schwebte eher der Typus Playmate vor, gewandet in neckische Negligés. Doch Ilse Taurins, die damalige lettische Geliebte von Hefs Freund und Mitgeschäftsführer Victor Lownes, schneiderte sich ein Kostüm, angelehnt an das Playboy-Logo, auf den Leib, das Hefner letztlich überzeugte. „Hef sagte, er habe beim Hasen immer nur an einen Mann gedacht“, erinnerte sich Lownes später gegenüber Patty Farmer, der Autorin des Buches „Playboy Swings“ (Beaufort Books, 2015).
Nun griff Hefner selbst zu Stift und Schere und veränderte noch ein paar Details – fertig war das Ensemble aus Hasenohren, flauschig-samtenem Puschelschwanz und Manschetten, dazu der Ausschnitt, aus dem hochgepushte Brüste ragten. Die Arbeitsuniform für die Club-Hostessen ließ Hefner sich markenrechtlich schützen. Und Schriftsteller Norman Mailer, einst regelmäßiger Autor für den Playboy, fabulierte: „Ein phallischer Büstenhalter, jede Brust sah aus wie die große Kugel auf der Frontstoßstange eines Cadillacs.“
Solch poetische Beschreibung weckte Begehrlichkeiten, nicht nur bei den potenziellen Gästen. Als das Playboy-Management mit Slogans wie „Bunnys sind sexy, aber niemals billig und lüstern“ per Stellen-anzeige Häschen-Bewerberinnen zum Casting lud, rannten junge Frauen Hef und Lownes regelrecht die Bude ein. Gesucht waren 30 Bunnys, mehr als 400 Mädchen kamen. Übrig blieben jene mit einer leicht koketten Girl-next-door-Ausstrahlung und einem ordentlichen Schuss Sex-Appeal.
Im Bunny-Drom mussten Zucht und Ordnung herrschen
Ihre frei schwebenden Busen im Häschen-Dekolleté waren das Äußerste an Freizügigkeit, das Hef sich im sittenstrengen Amerika der frühen 60er-Jahre erlauben konnte. Und im Bunny-Drom mussten Zucht und Ordnung herrschen. „Ich kann mich kaum erinnern, wie oft ich versucht war, mit jemandem auszugehen, den ich im Club traf. Aber ich hatte Angst um den Job, also ließ ich es bleiben“, erinnerte sich Bunny Kelleigh Nelson später stellvertretend für viele Häsinnen. Und auch mancher Club-Gast geriet in Versuchung. Doch für beide Seiten galt: „Look . . . don’t touch!“
Was erlaubt war und was nicht, war im Bunny-Manual festgelegt. Oberster Sittenwächter: Hefners Bruder Keith. Die von oben verordnete Keuschheit wurde von sogenannten Bunny Mothers oder sogar von Privatdetek-tiven überwacht. Selbst Ehemänner und Freunde durften nur weit vor den Toren des Clubs auf ihre Häschen warten. Nur Hef persönlich sah das alles nicht so streng. Bunny Patti Reynolds erinnerte sich später: „Meine Kollegin und ich haben immer allerhand Unsinn angestellt. Sie hat zum Beispiel immer, wenn ein Gast kurz hinsah, ihre Titten rausgeholt. Keith hat uns mehrfach gefeuert, wir sind dann immer zu Hef gerannt. Der hat uns dann wieder eingestellt.“
Ärger bekam Hef von anderer, völlig unerwarteter Seite: Amerikanische Frauenverbände liefen gegen die „Verhasung der Frau“ Sturm. Ein etwas freudloses und faktisch recht dünn untermauertes Feindbildkonzept, wie heute den Memoiren manches Bunnys zu entnehmen ist. Candy D’Amato zum Beispiel, eine Bedienung aus dem Playboy-Club in Phoenix, erinnerte sich später so an ihre Hasen-Zeit: „Insgeheim träumte jede Frau davon, einmal in ein Bunny-Kostüm zu schlüpfen. Die meisten waren bloß nicht emanzipiert genug. Und ausgebeutet wurden wir schon gar nicht. Ich habe vorher in einer Bank gearbeitet. Für 250 Dollar im Monat, das war Ausbeutung. Bunnys verdienten damals auch 250 Dollar – pro Woche. Plus Trinkgelder.“
Dafür arbeiteten sie nach einem strengen Reglement: dem Servier-Abc. Es gab vorgeschriebene Posituren, die es einzunehmen galt, wenn man dem Gast etwas reichte – etwa den Bunny Stance (die Bunny-Haltung), den Bunny Dip (Knicks) und den Bunny Perch (Hocke). Alle Positionen dieses Balletts erforderten perfekte Körperbeherrschung und waren Teil eines erotisch-eleganten Gesamtkunstwerks, das bereits im ersten Monat an die 17.000 Gäste in den Chicagoer Club lockte. Im Dezember des gleichen Jahres hatten bereits 50.000 Männer einen Schlüssel.
"Disneyland für Erwachsene"
Und in den letzten drei Monaten des folgenden Jahres machten 132.000 Besucher den Laden zum „most busy nightclub in the world“. Selbst 007 wurde Mitglied, wie man in „Diamantenfieber“ erfuhr. „Disneyland für Erwachsene“ nannte „Newsweek“ das Erfolgsrezept – und die Playboy-Clubs vermehrten sich wie die Kaninchen: Auf Chicago folgten Miami und New Orleans (1961), danach St. Louis, Phoenix und New York (1962). 20 Jahre später waren es 38 Clubs in sieben Ländern rund um den Erdball.
Für viele Bunnys war das Häschentum Sprungbrett zur Playmate, andere finanzierten sich einfach nur ihr Studium oder suchten ein wenig Abwechslung. Wieder andere trafen, nicht ganz regelkonform, im Club den Mann ihres Lebens. So heiratete St.-Louis-Bunny Patti McGuire später Tennisstar Jimmy Connors. Einige Hasenohren aber wurden berühmt. Lauren Hutton arbeitete 1963 einige Monate im New Yorker Club, so wie auch Debbie Harry, die spätere Frontfrau der Band Blondie.
Auf der Bühne: Barbara Streisand, Aretha Franklin oder Steve Martin
Besonders aber auf den Bühnen der Playboy-Clubs begannen große Karrieren. Live-Acts waren Teil des Entertainments, und so manches Talent bekam hier seine Chance, etwa die damals noch kaum bekannte Barbra Streisand. Oder eine 19-Jährige namens Aretha Franklin – sie hatte einen ihrer ersten Gigs im Playboy-Club. Junge, unverbrauchte Komödianten wie Richard Prior, Steve Martin oder Rob Reiner bevölkerten die Bühne. Das wiederum zog namhafte Kulturschaffende in den Gästekreis. Als 1966 in der Park Lane in London der britische Ableger eröffnete, standen auf der Gästeliste Sidney Poitier, Lee Marvin, Roman Polanski, Sharon Tate, Jean-Paul Belmondo, James Garner. Und auf der Bühne gastierte an der Klarinette ein gewisser Woody Allen.
Noch bahnbrechender als die illustre Besucherliste wurde aber bald eine kleine Ergänzung zum Geschäftsmodell: Der Club bekam die Casino-Lizenz. Über ein gutes Jahrzehnt hinweg wurde nun die von Hef-Freund Victor Lownes geführte Londoner Dependance zur Cashcow des gesamten Playboy-Imperiums. Reiche Araber, umgarnt von den Häschen, warfen mit Ölmillionen um sich. 1970 gab es bereits 22 Clubs, darunter in Manila, Montreal und Jamaika. Über eine Million Mitglieder machten Umsatz, und Hefner expandierte munter weiter.
Ironischerweise verstellte der immense Erfolg der Londoner Filiale jedoch die Sicht auf die tatsächliche Situation: Die anspruchsvolle Lounge-Idee hatte ausgedient, die Swinging Sixties wichen den Disco-Seventies. Die Leute wollten tanzen, wollten Teil des Entertainments sein. Die Stammgäste in den Playboy-Clubs aber waren betagte Handelsreisende. Männer alter Schule, denen das Prinzip der Unerreichbarkeit offenkundig nichts ausmachte. Arnold Morton, damals Playboy-Vizepräsident, er-klärte: „Die wollen in Ruhe ihr Bier trinken und sich nicht sorgen müssen: Kriege ich die ins Bett, und wenn, kriege ich ihn dann hoch?“ Hugh Hefner übergab seiner Tochter Christie das Ruder in der Geschäftsleitung. Sie ließ das Bunny-Kostüm neu entwerfen, engagierte männliche Bunnys – die Rabbits – für ein weibliches Publikum. Doch wollte auch das renovierte Konzept nicht mehr so recht in die Zeit passen. 1991 schloss in Manila der letzte Club alter Prägung.
Das Ende? Von wegen! Bereits 2006 eröffnete im „Palms Hotel“ in Las Vegas wieder ein neuer Playboy-Club. Und auch Hefners Erben geben die Club-Idee heute nicht preis. In einem New Yorker Hotel, dem „Cachet Boutique“ in Midtown Manhattan wird man ihr am 12. September neues Leben einhauchen. Mehr dazu bald auf playboy.de!