Gemeinhin gilt Grün ja als die Farbe der Hoffnung. Und wenn ab Juni die Bäume und Wiesen wieder in vollem Grün stehen werden, treiben auch die Hoffnungen vieler Menschen hierzulande ihre Blüten. Viele hoffen dabei auf heiße Sommertage, noch mehr von uns aber wohl auf ein schlichtes Dokument: das sogenannte „Grüne Zertifikat“. Damit ist der digitale Impfpass gemeint, der in wenigen Wochen den Bürgern das Reisen innerhalb der EU erleichtern soll – sofern man negativ getestet oder vollständig geimpft ist. Aber nicht nur das Reisen soll für die Besitzer des digitalen Impfdokuments in Kürze wieder möglich sein. Mit dem Grünen Zertifikat holen sich viele bald wieder ein Stück Normalität zurück: endlich wieder ins Lieblingsrestaurant, zum Shoppen, oder einfach mal so ins Theater und danach auf ein schnelles Bier in die Eckkneipe. Für fast zehn Prozent der deutschen Bevölkerung wird dieser Traum bald wahr. Millionen Bundesbürger erhalten dann ihre persönlichen Freiheitsrechte wieder zurück.
Schon macht das Wort vom Impfneid die Runde. Und es entbrennt eine Diskussion darüber, ob es fair ist, dass die bereits bevorzugt Geimpften nun auch noch bevorzugt werden sollten, wenn es um die Rückkehr zur Normalität geht. Was vielleicht wie eine Frage der Gerechtigkeit klingt, ist ganz klar per Grundgesetz geregelt. Der Gesetzgeber hat demnach gar keine Wahl. Mehr denn je gilt hier die Verhältnismäßigkeit: Wer keine Gefahr mehr für die Gemeinschaft darstellt – und das ist gegeben, wenn man vollständig geimpft ist –, dem dürfen seine Freiheitsrechte auch gar nicht weiter verwehrt bleiben. Die von den Gründervätern erdachten Grundrechte sind schließlich keine Privilegien, sondern die Basis unserer freiheitlichen Verfassung.
Der SPIEGEL hat dazu diese Woche einen treffenden Titel veröffentlicht.
Grün scheint für viele inzwischen auch die Farbe der politischen Hoffnung zu sein. Seit der Kür von Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin der Grünen erlebt die einstige Öko- und Anti-Atomkraft-Partei ihren dritten (oder ist es schon der vierte?) Frühling. In Umfragen hängen die Grünen, die zwischen 1998 und 2002 schon einmal Teil der Bundesregierung waren, inzwischen in schöner Regelmäßigkeit die Unionsparteien ab. Der CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus weiß seinen Parteifreunden darum folgendes zu berichten: „Die Grünen schauen sich schon die Möbel im Kanzleramt an.“ Wie konnte es so weit kommen?
Ist die Stärke der Grünen nur auf die Schwäche der Mitbewerber (wie CDU/CSU, SPD und Co.) zurückzuführen? Oder herrscht echte Wechselstimmung im Land, gut vier Monate vor der Bundestagswahl? FOCUS-Kolumnist Jan Fleischhauer hat dazu seine eigene These: „Wichtiger als die programmatische Übereinstimmung ist für die meisten Wähler, dass man sich mit dem politischen Bekenntnis keine unangenehmen Fragen einhandelt. Wäre es anders, wären viele nicht so überrascht, wenn ihnen der Wahl-O-Mat eine ganz andere Partei empfiehlt als die, die zu wählen sie beabsichtigen. Die Grünen sind die perfekte Wahl für Leute, die gemocht werden wollen.“
Wen mögen Sie? Wen nicht? Und worauf setzen Sie Ihre Hoffnungen? Schreiben Sie mir gerne Ihre Gedanken an boitin@playboy.de.