Jens Fritzenwalter, in Monaco lebender Playboy-Autor, findet: Überall angekommen und nirgends richtig zu Hause? So mag ich's!
Hape Kerkeling war ja auch mal weg, auf dem Jakobsweg hatte es sich für ihn allerdings schon nach ein paar Wochen ausgewandert. Ich bin immer noch weg. Obwohl ich meinen D-exit schon rund zehn Jahre vorher hatte, mit Anfang 30. Die Draußen-gibt’s-nur-Kännchen-Mentalität nervte, die Nachwendezeit wurde für mich zur Warteschleife, wenig ging vorwärts. Statt Dableiben also lieber Florida. Damals war Auswandern noch oldschool, kein digitales Nomadentum, die Schrankwand ging per Container über den Teich, ich flog hinterher. South Beach, Ocean Drive, alles rosarot noch mit leichtem „Miami Vice“-Vibe, das Leben war eine einzige lange Party.
Bis Nine Eleven. Da setzte eine gewisse Schockstarre ein – und ich verspürte erneut Wanderlust. Warum nicht Argentinien? Die Gauchos hatten sich mal wieder an den Rand des Ruins gewirtschaftet, mit meinen wenigen Dollars im Gepäck lebte es sich wie ein Rinderbaron. Die Steaks waren so groß wie die Nächte lang, und was vom Tage übrig blieb, vertrieb ich damit, dass Land und Leutinnen mich kennenlernten. Heimweh? Wozu? Patagonien sieht doch teilweise aus wie Oberbayern. Doch auch die Pampa hat irgendwann ein Ende, und ich brauchte einen neuen Anfang. Australien rief zwar nicht, kam aber wie gerufen. „Oy mate“ statt „Hola chico“ – mein Aussie-Englisch funktionierte deutlich besser als mein Aushilfs-Spanisch. Nur vermisste ich irgendwann die eleganten Frauen. Monaco, da bin ich jetzt, passt deutlich besser zu mir: unabhängig und doch mitten im schönsten Frankreich. Fazit nach nunmehr 25 Jahren freiwilligen Exils? Horizonte erweitert, fünf Reisepässe verschlissen, überall angekommen, aber nirgends richtig zu Hause. So mag ich’s!
Philip Wolff, in München lebender Playboy-Textchef, findet: Für nichts in der Welt würde ich auswandern
Auswandern? Ich bin doch nicht jeck, würde man im Rheinland sagen. Mir reicht es schon, dass ich dort weggezogen bin. Mein alter Politikprofessor hatte mir Ende der 90er eine Doktorandenstelle in Brasilien angedient, und ich dachte: geil, Karneval am Strand, Miss Bumbum, Sonne, jeden Tag Caipi. Aber Bedingung war zum Glück die „Implementierung“ von irgendwas Wissenschaftlichem in irgendeinem Kaff, dessen Namen ich nicht aussprechen konnte. Ich kann mir auf Portugiesisch noch nicht mal einen Kaffee bestellen, geschweige denn Implementierung sagen. („Ach, das lernen Sie ganz schnell“, meinte der Prof. Er kannte mich nicht gut.) Und so folgte ich lieber einem anderen Ruf. Zu einem Verlag in München. Geil, Oktoberfest, Spitzenfußball, die Berge so nah, jeden Tag Biergarten. Dachte ich. Und die Wahrheit ist: Das trifft es. Obwohl ich Anlaufschwierigkeiten hatte.
Gleich am ersten Tag machte ich mich mit „Guten Tag, ein Brötchen bitte“ beim Bäcker unmöglich („,Grüß Gott, a Semmel bitte‘, hoaßt des!“). Habe ich erwähnt, was ich am Rheinland schätze, diese Entspanntheit? In München gibt es viele gestresste Gutverdiener. Am Verkehr teilzunehmen ist selten ein Spaziergang. Und: überall Schlangen. Du willst was besorgen? Stell dich hinten an. Dazu die Sprache: „I bin doch ned auf da Brennsuppn dahergschwumma!“ Sorry?! Dafür lebe ich jetzt, wo andere urlauben. So ein unterschwelliges Touri-Gefühl schwingt immer noch mit. Obwohl zu Hause längst zwei echte Münchner Kindl auf mich warten und meine Frau Wiesn-Sprecherin ist. Das nennt man wohl Heimat. Für nichts in der Welt würde ich auswandern. Nur hin und wieder ein Urlaub im Rheinland – dat muss!
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