The future is female. So oder so ähnlich steht es auf jedem zweiten T-Shirt, das einem gerade in der Fußgängerzone begegnet. Klingt beängstigend, oder? Zumindest wenn man ein Kerl ist. „Und was ist mit mir?“, will man dann rufen und bringt sich schon mal in Angriffsposition. Oder, je nach Charakter, in halb geduckte Verteidigungshaltung. Schließlich proklamiert da eine Horde unrasierter, lustfeindlicher Männerhasserinnen, gleich die gesamte Zukunft an sich reißen zu wollen. Stichwort: Entmachtung und Entmannung.
Warum gelten Frauen, die viel vögeln, als Schlampen?
Und doch ist nichts falscher als das. Denn Feminismus ist, wie schon die ehrwürdige Encyclopædia Britannica schreibt, lediglich die „Idee von der sozialen, ökonomischen und politischen Gleichheit der Geschlechter“. Mehr nicht. Und doch so viel. Oder warum gibt es so wenige weibliche Chefs? Oder den Gender Pay Gap von 21 Prozent? Warum übernehmen Männer 60 Prozent weniger Haus- und Betreuungsarbeit als Frauen?
Und warum gelten Typen als coole Macker, wenn sie durch die Gegend vögeln, während ähnlich gepolte Frauen als Schlampen abgestempelt werden? Dies sind nur einige wenige jener Vorteile, die Ihnen Ihr Penis verschafft, und vielleicht waren sie Ihnen noch nicht mal bewusst. Sich seine Privilegien einzugestehen kann wehtun. Sie loszulassen erst recht. Es ist, als ob plötzlich jeder in diesen angesagten Laden hineindürfte, in den der grimmige Türsteher Sie immer einfach reingewunken hat. Dennoch gibt es auch für Sie einen Haufen von Gründen, genau das zu wollen.
Endlich Beziehungen auf Augenhöhe
Zunächst einmal ist es schlicht und ergreifend richtig. Wer seine Sinne auch nur halbwegs beisammen hat, weiß, dass Privilegien auf Kosten anderer auszuleben eine echt miese Nummer ist. Wahre Größe geht anders. Aber Sie kriegen noch mehr als ein reines Gewissen: Mehr Chancen und Freiheiten für Frauen bedeuten automatisch auch mehr Chancen und Freiheiten für Männer.
Denn wenn wir aufhören, uns daran zu orientieren, was für ein bestimmtes Geschlecht angebracht ist, können wir uns endlich mit der Frage beschäftigen, was wir eigentlich vom Leben wollen – jenseits der Stereotype. Dann muss kein Kerl mehr ein Lappen sein, weil er mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen will als im Büro. Oder seine Frau den besseren Job hat. Oder ihm verdammt noch mal die Tränen kommen, wenn Jack in „Titanic“ ertrinkt. Wollen Sie alles nicht? Kein Problem, machen Sie Ihr Ding. Es geht darum, dass Sie alles andere auch könnten. Es geht um Möglichkeiten.
Und es geht um die Chance, Beziehungen zu Frauen endlich auf Augenhöhe zu führen, statt ein Jahrtausende währendes Ungleichgewicht zu perpetuieren. Kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit „Frauen wollen versorgt werden“ oder „Frauen stehen auf Arschlöcher“. Das tun höchstens die, die selbst einen Knacks haben. Den Rest der Frauen dürstet es nach Männern, die sie gleichwürdig behandeln. Die auf ihrer Seite sind. Frauen wollen Verbündete.
Die neuen Feministinnen sind alles andere als prüde
Keine Sorge, dafür müssen Sie weder Ihren Schwanz begraben noch auf Sex oder Pornos verzichten. Das wäre auch schade, da wir Frauen selber auf all diese Dinge abfahren. Vergessen Sie Ihre 70er-Jahre-Klischees! Die Feministinnen meiner Generation sind alles andere als prüde Penetrations-Verweigerinnen, sondern ganz im Gegenteil mehrheitlich Sex-positiv eingestellt. Sie haben Lust an Männer- und Frauenkörpern im Allgemeinen und an ihrem eigenen im Besonderen.
Nehmen Sie doch mal die fabelhafte Emma Watson, die nicht nur freizügig posiert, sondern auch UN-Sonderbotschafterin für Frauenrechte ist und mit ihrer HeForShe-Kampagne Männer ins Feminismus-Boot holt. Für ihr Cover-Foto der „Vanity Fair“ heimste sie im vergangenen Frühjahr zwar durchaus scharfe Kritik von feministischer Seite ein. Ihre Antwort darauf war aber so einfach wie einleuchtend: „Im Feminismus geht es um Freiheit und um Befreiung. Was haben meine Brüste damit zu tun?“
Wir zeigen uns, wenn uns danach ist. Und wir müssen dafür nicht mal so gefällig aussehen wie Emma Watson. Die in ihrer Serie „Girls“ ständig halb nackte, etwas moppelige Lena Dunham beweist, dass Selbstbewusstsein nichts mit Körpernormen zu tun haben muss. Genau so, wie Männer das schon lange mit ihren herrlich komplexfrei zur Schau gestellten Bierbäuchen am Strand machen.
Behalten Sie Ihre Kommentare über winzige Brüste für sich!
Warum ich das für erwähnenswert halte? Frauen sind es im Gegensatz zu Typen gewöhnt, objektiviert und über ihre Körper bewertet zu werden. Und wir haben es satt. Behalten Sie ruhig Ihre Meinung zu Hüftspeck, unrasierten Achseln oder winzigen Brüsten – ästhetische Vorlieben sind bekanntlich eine sehr individuelle Angelegenheit –, aber behalten Sie sie für sich. Niemand freut sich über herabwürdigende Kommentare, den eigenen Körper betreffend. Auch Sie nicht.
Dafür bekommen Sie dann einen Bonus: besseren Sex. Frauen, die sich selbst nicht als Mängelexemplar wahrnehmen, sind nämlich befreiter und hemmungsloser im Bett als solche, die sich, traumatisiert von irgendjemandes Kommentaren, nicht auf Sie draufsetzen wollen, weil sonst ihr Bauch zu sehr wackelt.
Feministen haben besseren Sex
Übrigens klafft auch in diesem Bereich noch immer eine Lücke, der sogenannte Orgasm Gap, zwischen den Geschlechtern: Frauen nehmen aus ihren Schäferstündchen wesentlich seltener Orgasmen mit als Männer, und das, obwohl sie sogar multipel können. Rücken Sie das Vergnügen der Frau also an die gleiche Stelle wie Ihr eigenes, und sie wird noch mehr auf Sie abfahren, als sie es ohnehin schon tut. Was wiederum Sie geiler macht.
Außerdem wird auch hier alles viel besser, weil freizügiger, sobald wir unsere Ideen von „Der Mann macht dies, die Frau macht jenes“ in die Tonne kloppen. Das nennt sich dann Repertoire-Erweiterung und eröffnet ganze Horizonte.
Werden Sie Mitglied im Club der großartigen Typen
Sie sehen, der Feminismus will Sie nicht knechten. Ganz im Gegenteil: Er führt zu mehr Freiheit – und zwar für beide Geschlechter. Grund genug also, sich auch als Mann zu ihm zu bekennen. Sie wären damit in einem Club mit großartigen Typen wie Barack Obama. Oder Justin Trudeau, der findet: „Männer können nicht nur, Männer sollten Feministen sein!“
Machen Sie also den Mund auf, wenn jemand über dicke Frauen oder Schlampen herzieht oder diese dämlichen Frauen-und-Technik-Sprüche bringt. Denken Sie nach, bevor Sie über Gehälter entscheiden, oder sensibilisieren Sie Ihren Chef dafür. Sehen Sie sich Ihren eigenen Beziehungsalltag an. Schließen Sie die Lücken. Und schauen Sie doch mal bei den Jungs von www.male-feminists-europe.org rein. Die können Ihnen das Ganze noch mal aus männlicher Perspektive auseinanderlegen.
Die Zukunft gehört uns allen
Ja, möglicherweise wird das Ganze anstrengend. Ja, Sie werden vielleicht von den etwas tumberen Ihrer Buddys schief angeschaut werden. Und am Montag haben Sie dann auch noch einen verspannten Nacken, weil Ihr Kopf so lange zwischen den Beinen Ihrer Liebsten gesteckt hat. Niemand hat je behauptet, dass Veränderungen unkompliziert seien. Dafür sind sie verdammt aufregend.
Und übrigens, die „The future is female“-T-Shirts sind nur ein Trick, um Ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Zukunft kann nicht weiblich sein, weiß doch jeder. Sie gehört uns allen.
Alle Artikel