"Ich bin als Rapper zum Mann geworden"

Credit: Pascal Kerouche

Er hat unzählige Bühnen bespielt, über eine Million Platten verkauft: Samy Deluxe über Goldketten, Fanta4 und männlichen Nagellack

Als Samy Deluxe uns im Frühling 2014 die Tür seines Hotelzimmers öffnet, weiß man nicht, was eher den Rahmen ausfüllt: seine hünenhafte Erscheinung oder sein fast physisch spürbares Selbstbewusstsein. Dieses treibt ihn immer wieder dazu, kontroverse Fragen zu stellen. Mal nach seiner Identität als Deutscher, ein anderes Mal danach, was eigentlich wirklich männlich ist.

Playboy: Sie haben sich eingehend damit beschäftigt, also: Was ist männlich?
Samy Deluxe: Allein sich mal von dem loszulösen, was man sowieso die ganze Zeit macht, und sich neuen Herausforderungen zu stellen - das ist männlich. Ich denke mir dann, okay, ich kann das jetzt nicht besonders gut, aber stell mal jemand anderen vor 30.000 Leuten auf die Bühne, und guck, ob der das so gut kann wie ich. Männer sollten sich nicht einfach mit ihrer Rolle zufriedengeben und sich nicht von anderen anhören, wie sie zu sein haben. Davon abgesehen ist das natürlich genauso wichtig für Frauen.

Playboy: Wie kamen Sie auf das Thema?
Samy Deluxe: Das Album „Männlich“ sollte eigentlich 2013 rauskommen, meinem 18. Bühnenjahr. Ich bin als Teenager zum Rapper und als Rapper zum Mann geworden. Das war der Grundgedanke. Und dann kamen immer mehr Ideen dazu, was dieses Männlich-Thema beinhalten kann. Rap ist ja sehr von Wettbewerb getrieben und von dem etwas plumpen Drang, sich zu beweisen. Das ist natürlich auch etwas sehr Männliches.

Playboy: Dabei verschwinden die Geschlechtergrenzen immer mehr.
Samy Deluxe: Es ist ja an keinem Punkt sexistisch oder abwertend gegenüber dem anderen Geschlecht. Es ging einfach darum, sich selbst die Frage zu stellen, was das Wort „männlich“ eigentlich bedeutet. Also sind wir losgezogen, um aus Flugzeugen zu springen, beim American Football mitzutrainieren und zum Sparring in den Boxring zu steigen. Zuvor haben wir recherchiert, wie exklusiv männlich das eigentlich ist. Beim American Football gibt es natürlich auch Frauen, aber das sind meist keine Quarterbacks, sondern eben Cheerleader. Beim Fallschirmspringen waren wiederum auch Frauen mit an Bord. Das ist eben nicht exklusiv männlich.

Playboy: Sind das nicht alles Klischees?
Samy Deluxe: Natürlich gibt es diese Klischees, denen jeder von uns verfällt, egal, ob er total dogmatisch oder offen ist. Meine Mutter hat lange in der Frauenbewegung gearbeitet, und ich bin mit Powerfrauen aufgewachsen, die zu Hause die Hosen anhatten. Trotzdem bin ich erstaunt, wenn ich an einer Baustelle vorbeigehe und eine weibliche Bauarbeiterin sehe. Klischees sind nicht nur da, weil sie ein böser Mensch ins Buch der Klischees geschrieben hat, sondern weil sie auf einer Wahrheit beruhen.

Playboy: Letztes Jahr traten Sie mit Nagellack, Zylinder und Eyeliner als „Herr Sorge“ auf und haben in genau die andere Richtung provoziert.
Samy Deluxe: Aber das war im Prinzip das Gleiche. Als ich den Nagellack einmal nach einer Show dran ließ, habe ich gemerkt, dass ich kein Problem mehr damit hatte, im Alltag so rumzulaufen. Vor ein paar Jahren hätte ich mich noch geschämt auf Grund dieser komischen Macho-Denkweise, dass irgendjemand glauben könnte, ich wäre schwul. Aber ich mache mir keine Gedanken mehr darüber, was andere Leute von mir halten. Und das ist auf eine Art auch männlich, in das reinzuwachsen, was du wirklich bist.

Playboy: Können Sie mit Geld umgehen?
Samy Deluxe: Ich hatte früher mal eine materialistische Hochphase, in der ich sehr viel Geld ausgegeben habe, bis die Steuernachzahlung kam. Plötzlich konnte ich Dinge für meinen Sohn nicht mehr bezahlen, aber hatte gleichzeitig eine Kette mit meinem Logo für 30.000 Euro im Schrank. Das hat keinen Sinn gemacht. Ich habe dann den meisten Schmuck verkauft, um die Steuern zu zahlen. Mittlerweile fahre ich ein gutes Auto, und das ist mein einziges richtiges Luxusgut. Ansonsten gebe ich mein Geld meistens für Platten, Musikinstrumente und Kunst aus.

Playboy: Woran erinnern Sie sich in 19 Jahren Bühne am liebsten?
Samy Deluxe: Viele von den guten Momenten zu Beginn meiner Karriere habe ich gar nicht so wahrgenommen, weil ich zu bekifft war. Ein sehr schöner Moment war aber, als 2011 mein Album „SchwarzWeiss“ auf Platz eins der Charts ging. Es war schön zu sehen, dass es honoriert wird, wenn man die Kunst macht, die in einem drin ist, und sich nicht von irgendjemandem beeinflussen lässt.

Playboy: Wie kam es zu dem Gastpart der Fantastischen Vier auf „Männlich“?
Samy Deluxe: Ich habe Thomas D für sein letztes Album in seinem Studio in der Eifel besucht und ihm die Idee für „Halt dich gut fest“ gezeigt. Als kurz darauf alle vier dort waren, gab ich ihnen den Song als Demo, und sie haben den Refrain einfach eingebrüllt. Die Fantastischen Vier sind nicht nur im Rap eine Instanz, sondern auch für die deutsche Kultur. Eben richtige Superstars. Beim Videodreh war ich fast etwas eingeschüchtert. Ich hatte das Gefühl, selbst auf meinen Gastauftritt zu warten.

Playboy: So viel Demut ist man von Ihnen gar nicht gewöhnt . . .
Samy Deluxe: Ich musste einfach daran denken, als ich in der sechsten Klasse bei einem Kollegen zu Hause war und der Freund seiner älteren Schwester uns das erste Fanta4-Album gezeigt hat. Da rappt Smudo: „Ich lang deiner Alten von hinten an die Möse, ich bin Smudo - ich bin furchtbar böse.“ Das hat mich damals schwer beeindruckt. Obwohl ich zu der Zeit schon englische Texte mitgerappt habe, bin ich davor nie darauf gekommen, das auch auf Deutsch zu tun. Das war wie ein Startpunkt.