Wer noch vor zehn Jahren seinen Gästen einen Riesling servierte, musste mit missbilligenden Blicken und Naserümpfen rechnen. Deutscher Wein war in Sachen Image völlig am Ende: Schwere Franzosen und Italiener waren angesagt, die marmeladeartigen Tropfen aus der Empfehlung des US-Weinpapstes Robert Parker galten als hochwertig. Von deutschem Rebensaft erwartete man sich dagegen gepanschtes Zuckerwasser: Zu sehr hatten sich Weinskandale und die süßen Spätlesen, die hierzulande in den 70ern so populär waren, eingeprägt.
Doch weit gefehlt. Besonders der Riesling – mit 21.722 Hektar Anbaufläche und 1.615.000 Hektolitern Ertrag – gilt als deutscher Exportschlager. Weingrößen wie Hugh Johnson oder Michael Broadbent outen sich als absolute Rieslingsfans – gerade wegen des relativ geringen Alkoholgehalts. O-Ton Johnson: „Da kann ich einfach mehr davon trinken, ohne blau zu werden.“
Der Riesling glänzt mit Säure, nicht mit Alkohol
Denn Alkohol als Qualitätskriterium tritt in den Zeiten des Klimawandels ins Abseits: Die großen Tropfen aus dem Piemont, dem Bordeaux oder den Filetlagen Kaliforniens geraten immer mehr zu Spritbomben, bei denen Alkohol jegliches Aroma übertüncht: 15 bis 17 Prozent sind keine Seltenheit mehr. Beim Riesling dagegen, der meist nicht mehr als elf Prozent Alkoholanteil hat, steht die feine, apfelartige Säure im Vordergrund, die geschmacklich auch in Richtung Aprikose tendieren kann.
Rieslingsweine sind in der Regel für einen Weißwein recht alterungsbeständig: Auch dies ist ein wichtiges Kriterium für Weinliebhaber und -sammler. Den Siegeszug des Rieslings bedingt allerdings das zunehmende Selbstbewusstsein einer jungen Winzergeneration, die in Sachen Qualität ihren eigenen Weg geht und nicht selten die heimische Winzergenossenschaft verlässt.
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Die Lage macht den guten Riesling
Riesling wächst in Deutschland bevorzugt in kühleren Regionen: an der Mosel, der Saar, der Nahe und am Rhein – auch am Main in Franken gedeiht er prächtig. Wichtig für die Traube: je höher, je steiniger und je steiler die Lage, umso besser. Denn für die besondere Säure braucht der Riesling eine starke Mineralität. Auch in Baden, der Pfalz und im Elsass baut man neuerdings die Mode-Rebe an. Dort entstehen jedoch ob des wärmeren Klimas wesentlich wuchtigere (und somit säureärmere) Tropfen. Neben der Säure beobachten Weintester beim Riesling stark fruchtige Aromen: Zitrone, Passionsfrucht oder Grapefruit. Er passt daher ideal zu Fisch, Geflügel und Speisen mit zarteren Geschmacksrichtungen.
Den Tropfen gibt es schon seit dem Mittelalter
Der Riesling ist – auch wenn er in unseren Tagen stark in Mode gekommen ist – kein Newcomer. Der Abkömmling der Traminer-Rebe, die die Römer nach Germanien brachten, verbreitete sich ab dem Mittelalter in ganz „Deutschland“. In früheren Jahrhunderten war die Rebe unter den Namen „Rheingauer“, „Hochheimer“ oder „Oberlaender“ noch jedem Kellermeister bekannt. Und bis in die 1930er Jahre schwärmten englische Weinliebhaber von den wunderbaren Tropfen an Rhein und Mosel.
Doch der 2. Weltkrieg machte den Riesling zu einem politisch unkorrekten Getränk – bis seine besondere Qualität in Vergessenheit geriet. Übrigens: Die Säure macht den Riesling zu einem Kandidaten für qualitativ hochwertige Sekte, die es jederzeit mit Champagner aufnehmen können.
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