Politiker, zeigt mehr Autorität!

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Wir misstrauen den Mächtigen und verlangen Gleichheit? Eine gefährliche Utopie! Demokratie braucht starke Typen, sagt unser Autor Rainer Hank.

Die Menschen sind müde von der Politik, unzufrieden mit den Politikern und frustriert, weil sie ohnehin nichts ausrichten können, wird oft behauptet. Sie interessieren sich schlicht nicht mehr für politische Fragen. Aber stimmt das?

Der grandiose Erfolg der amerikanischen Fernsehserie „House of Cards“ legt das Gegenteil nahe: Millionen von Zuschauern rund um die Welt verfolgen seit Jahren begeistert das skrupellose Treiben des Präsidenten Frank Underwood, des Helden der Serie.

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Ob das vielleicht ein Beweis dafür wäre, dass die Menschen doch nicht so politikverdrossen seien, wurde der Serienerfinder Lord Michael Dobbs gefragt. „Nichts da“, antwortete er. „Politik ist dann interessant, wenn es nicht um Politik geht, nicht um Großbritannien, Amerika oder sonst ein Land, sondern um die großen Themen Macht, Neid, Sex.“

Vernunft zählt nicht

Hat Lord Dobbs Recht? Es sieht ganz danach aus. Oder glaubt im Ernst jemand, die Menschen fasziniere Donald Trumps Präsidentschaft in erster Linie, weil sie wissen wollen, wie Importzölle funktionieren?

Auch bei Angela Merkel steht gewiss nicht die Neugier über ihr künftiges Rentenkonzept im Vordergrund, sondern das Mysterium ihrer lang währenden Macht: Noch nicht einmal die Verwerfungen der Flüchtlingskrise konnten ihr etwas anhaben.

Macht hat es nicht nötig, sich auf Vernunft zu berufen, sie muss nur ihren Willen durchsetzen, das Risiko des Scheiterns stets im Blick. Sie ist da, ein Trieb, ein Wille, ein Drang. Das macht sie so verstörend und gefährlich in einer Welt, in der alles und jedes einem vernünftigen Begründungszwang unterliegt und auf moralische Korrektheit überprüft wird.

Gleichheitsideen werden schnell totalitär

Wäre es da nicht besser, der Macht zu entsagen und eine Welt zu bauen, in der niemand Macht hat und alle gleich sind? Die Ideen-Geschichte ist voll von solchen Träumereien – vom Urchristentum bis zur sozialistischen Kommune.Trotz des Scheiterns der kommunistischen Utopie sind die Rufe nach einer Welt der Machtlosigkeit nicht verstummt.

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Heute kommen diese Rufe vor allem als Kritik der sozialen Ungleichheit daher und als Klage über die „Schere“ (Einkommen, Vermögen), die angeblich immer weiter auseinandergeht.

Es heißt, Machtmenschen machen die Menschen unglücklich und verleiden ihnen am Ende womöglich die Lust an wirtschaftlicher Betätigung. Umverteilung von den Mächtigen zu den Ohnmächtigen wäre sozusagen die erste Anzahlung auf das Paradies der Gleichheit. In diesem Paradies braucht es keine Umverteilung mehr, denn es gibt ja von Anfang an keine Einkommens- und Vermögensunterschiede mehr. Nicht nur die Macht, auch die Machtlosigkeit hat offenbar etwas Verführerisches.

Doch die Geschichte zeigt: Utopien der Machtlosigkeit werden schnell zur Hölle. Denn sie sind wider die menschliche Natur. Dazu muss man sich nur mit kritischem Verstand den Roman „Utopia“ des Thomas Morus aus dem 16. Jahrhundert ansehen, das klassische Vorbild aller Gleichmacherei.

In dem von Morus entworfenen Staat Utopia gibt es keine Privatheit. Sie ist nicht nötig, denn im schönen Utopia steht ja allen alles zur Verfügung. Die Menschen brauchen daher kein Verlangen geheim – also privat – zu halten. Wer dem aber zuwiderhandelt, wird hart und unerbittlich bestraft. Im egalitären Staat Utopia ist soziale Kontrolle mit purer Gewalt gang und gäbe, ein Muss sogar. Um das Gleichheitsziel durchzusetzen, wird Utopia totalitär.

Alles nur literarische Fantasie? Wohl kaum: Man schaue sich nur die Sowjetunion, die DDR oder das heutige Venezuela an. So sehen die realen Paradiese der Machtlosigkeit aus.

Macht ist dazu da, sie zu nutzen

Zum Glück ist es bislang nicht gelungen, die Macht kleinzukriegen. Wer sie leugnet – und das machen viele, nicht zuletzt die Mächtigen selbst –, muss erst recht mit der Wiederkehr des Verdrängten rechnen.

Darum ist es an der Zeit, ein entspannteres Verhältnis zur Macht zu finden: Einzelnen Macht zu verleihen ist gut, Gleichmacherei ist schädlich.

Das ist gerade kein Plädoyer für die Diktatur, sondern für eine Demokratie, die Macht verteilt und zugleich kontrolliert: Wer Macht auf Zeit hat – und nichts anderes ist Demokratie –, muss die Macht auch nutzen.

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Helmut Kohl hat es getan, als er die Deutsche Einheit quasi handstreichartig („10-Punkte-Programm“) ausrief. Gerhard Schröder, als der die Agenda 2010 verkündete. Angela Merkel tat es, als sie wenige Tage nach der Katastrophe von Fukushima die Energiewende durchpeitschte.

Das sind einsame, kraftvolle, ja autoritäre Akte der Machthaber, die sich – dank der Ermächtigung durch die Wähler – etwas trauen: Der Machthaber muss etwas machen. Sonst wird er versagen. Angsthasen sind für den Job denkbar ungeeignet.

Der Machttrieb steckt in unseren Genen

Machtmenschen faszinieren uns. Insofern ist es ein bisschen unaufrichtig, ja beckmesserisch, dem FDP-Chef Christian Lindner, dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz oder der CDU-Kanzlerin Angela Merkel vorzuwerfen, es gehe ihnen in Wirklichkeit „nur“ um Macht – und, soll das wohl heißen, nicht um die Sache der Wahrheit, der Freiheit oder der Gerechtigkeit.

Wir sollten uns vielmehr in Acht nehmen vor Politikern, denen es nicht um die Macht geht. Denn was führen sie dann wohl im Schilde? Wer die Macht will, bei dem kann man sicher sein, dass er um die Unterstützung jener buhlen muss, die ihm die Macht verleihen. In einer Demokratie sind das die Wahlbürger.

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Doch woher kommt der Wille zur Macht? Dazu hilft ein Besuch bei den Vorfahren in den Urwäldern der Vorzeit. Die Rückschau auf den „Affen in uns“ (Frans de Waal) hilft, die Tarnungen der Macht zu durchschauen. Bei den Schimpansen kann man sich die Machtspiele im Original, also unverstellt, anschauen. Allianzen, Sex, Verrat und Rache – wer genau hinsieht, merkt schnell: Vom Primaten zum Menschen hat sich wenig verändert.

Schon bei den Schimpansen hat der Anführer nur so lange Erfolg, wie die Gruppe Vorteile in seiner Herrschaft sieht. Bis heute findet man die Strukturen aus Vertrauten und Bündnispartnern, die den Bossen beim Machterhalt dienen.

Macht baut auf Helfer

Auch bei Angela Merkel zeigt sich: Macht funktioniert nur, wenn es einen Vorraum gibt, der die Mächtigen schützt – nicht zuletzt vor sich selbst. Einen Korridor zum Ohr des Machthabers für die Gruppe, die die Macht verleiht, einen Vorraum indirekter Einflüsse mittels engster Vertrauter, wo sich Bittsteller unterwürfig um die Gunst des Mächtigen bemühen.

In unterschiedlichen Zeiten brachten diese Vorräume verschiedene Rollen und Charaktere des Hofstaats hervor. Minister und Botschafter in großer Uniform, aber auch Beichtväter, Leibärzte, Adjutanten, Kammerdiener und Mätressen. Nicht zu vergessen: die Sekretärin, die gute Seele, Verführerin oder Vorzimmer-Drache.

Im System Merkel agieren in den Vorzimmern der Macht zum Beispiel Leute wie Volker Kauder, der Fraktionsvorsitzende der Union, ein gnadenloser Apparatschik. Kauder ist der Inbegriff des Hofschranzen: Abweichlern (Euro-Skeptikern zum Beispiel) droht er mit der Höchststrafe, dem Entzug des Wahlkreises und Verstoß auf hintere Listenplätze (tödlich für Berufspolitiker).

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Kauder ist von Merkel abhängig, aber sie ist auch von ihm abhängig. Sie ist die Herrin, er der Knecht, der der Herrin hündisch ergeben ist.

Gute Macht braucht Wettbewerb

Macht ist so lange gut, so lange sie bestreitbar ist. Ökonomisch gesprochen: solange die Mächtigen sich auf Märkten der Macht behaupten müssen. Es ist gut, wenn einer da ist, der den anderen vom Thron stürzt. Macht ist auf Wettbewerb angewiesen. Wenn es keinen Wettbewerb um die Macht gibt, landen wir bei Erich Honecker oder Mao Tse-tung. Da wurde die Macht unerträglich.

Am 9. September 2017 erscheint Rainer Hanks Buch „Lob der Macht“ (Klett-Cotta Verlag, 20 Euro). Es steht auf der Shortlist für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis, der am 13. Oktober verliehen wird.